Gbureks Geld-Geklimper

Abgeltungssteuer ist ein perfides System

Manfred Gburek Freier Finanzjournalist

Nach und nach entmündigt die Abgeltungssteuer Anleger. Als nächste sind Eigentümer vermieteter Immobilien an der Reihe. Wer privat fürs Alter vorsorgen will, muss selbst die Initiative ergreifen.

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Verbände fordern Kalorienbomben-Steuer
Mit Blick auf die steigende Zahl von Diabetes-Erkrankungen in Deutschland haben Fachgesellschaften erneut höhere Steuern für ungesunde Lebensmittel wie Fast Food, Chips und Süßes gefordert. Ein sinnvoller Weg könnte der volle Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent auf besonders kalorienreiche und ballaststoffarme Produkte sein, teilte die Deutsche Diabetes Gesellschaft in Berlin mit. Neben dieser Zucker-Fettsteuer sollten gesunde Lebensmittel wie Obst und Gemüse dagegen bewusst gering besteuert werden. Für viele Lebensmittel gilt bisher ein Steuersatz von sieben Prozent. Nach Angaben der Gesellschaft ist die Zahl der Diabetes-Erkrankungen in Deutschland von 1998 bis 2011 um 38 Prozent auf über sechs Millionen gestiegen. Zu den Hauptgründen zählen falsche Ernährung und Bewegungsmangel. Quelle: dpa
Seit Januar 2014 gilt in Berlin eine City-Tax. Pro Übernachtung sollen Besucher eine zusätzliche Steuer von fünf Prozent des Netto-Übernachtungspreises entrichten. Die Berliner Regierung erhofft sich Einnahmen in Höhe von 20 Millionen Euro. Quelle: dpa
Die Sexsteuer ist eine beliebte Einnahmequellen der Kommunen. Köln verlangt diese Vergnügungssteuer bereits seit 2003 von Bordell-Betreibern und Prostituierten. Seit Februar 2009 erhebt auch Oberhausen eine Vergnügungssteuer. Dort müssen Prostituierte pro Arbeitstag sechs Euro zahlen. Quelle: dpa
Eine kuriose Steuer haben sich die Kommunalpolitiker aus Fürth einfallen lassen: In der mittelfränkischen Stadt wird eine Luftsteuer erhoben. Die Politiker verlangen von den Betreibern von Zigaretten-, Kaugummi- oder Handykarten-Automaten Geld, wenn an Hausfassaden angebrachte Automaten mehr als 15 Zentimeter wegragen. Kritiker glauben nicht, dass sich der Aufwand lohnt. Ähnliches droht Bergisch Gladbacher Geschäftsleuten: Für Werbeanlagen und Leuchtreklamen vor Geschäften, die mehr als 30 Zentimeter in öffentlichen Verkehrsraum hineinragen, will die Stadt Sondernutzungsgebühren kassieren. Quelle: dpa
Reichlich umstritten, aber eine einträgliche Abgabe für den Staat: Die Kaffeesteuer spülte in den Jahren 2007 bis 2010 jeweils rund eine Milliarde Euro in die Bundeskasse. Für Röstkaffee beträgt die Steuer 2,19 Euro je Kilogramm für Kaffeepulver 4,78 das Kilogramm. Quelle: dpa
Dir Kuriosität der Mehrwertsteuer lässt sich besonders schön an der Curry-Wurst erläutern: Wer seine Curry-Wurst im Fast-Food-Restaurant ist, der zahlt den vollen Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent, wer sie einpacken lässt und zu Hause verspeist zahlt nur sieben Prozent, also den ermäßigten Satz. Quelle: dpa
Hamburg hat zum 1. Januar 2013 eine Kulturtaxe eingeführt. Die Einnahmen sollen zu 100 Prozent in touristische, kulturelle und sportliche Projekte investiert werden. Der Steuersatz ist je nach Übernachtungspreis gestaffelt. Bei einem Preis von 46 Euro ergibt sich etwa eine Kulturtaxe von 1 Euro, informiert "Hamburg Tourismus" auf seiner Webseite .Foto: Grand Elysée Hotel in Hamburg Quelle: Presse

Mit gesundem Menschenverstand hat das nichts zu tun, mit Steuersystematik erst recht nicht: Kursgewinne aus Wertpapieren, die seit Anfang 2009 gekauft wurden, unterliegen der Abgeltungsteuer, Gewinne aus den bis Ende 2008 gekauften Wertpapieren nicht, Gewinne aus Gold- und Silbermünzen oder -barren sogar auch dann nicht, wenn sie seit Anfang 2009 gekauft wurden, Hauptsache, seitdem ist ein Jahr vergangen.

Gewinne aus dem Verkauf vermieteter Immobilien werden besteuert, sofern seit dem Kauf noch keine zehn Jahre verstrichen sind, danach nicht mehr. Handelt es sich dagegen um selbst genutzte Immobilien, bleiben Gewinne steuerfrei. Obendrein ist das Ganze gespickt mit Sonderregelungen – ein Fall für Steuerfüchse oder für Psychiater.

Immobilieneigentümer aufgepasst!

Aus der Berliner Psychiatrie kann man nun immer häufiger vernehmen, in der nächsten Legislaturperiode werde die Zehn-Jahre-Frist durch ein anderes Steuermodell ersetzt. Zur Auswahl stehen: 1. Ein Schnitt wie bei der Abgeltungsteuer, sodass Gewinne aus dem Verkauf vermieteter Immobilien steuerfrei bleiben, falls diese bis zum Inkrafttreten der Neuregelung gekauft wurden. Diese Variante ist allerdings für den Fiskus uninteressant, weil sie zunächst keine zusätzlichen Steuereinnahmen bringt. 2. Aus fiskalischer Sicht reizvoller erscheint dagegen – zusätzlich zur Abschaffung der Zehn-Jahre-Frist - das Abkassieren solcher Immobilieneigentümer, die noch in den zehn Jahren gefangen sind, wenn die Neuregelung in Kraft tritt. Diese Variante ist insofern realistisch, als sie bereits aus Anlass der Verlängerung der früheren Zwei-Jahre-Frist auf zehn Jahre den Segen des Bundesverfassungsgerichts erhalten hat.

Abgeltungssteuer auf 30 Prozent oder mehr erhöhen
So weit die in Berlin aufgeschnappten Gedankenspiele, wobei nicht unerwähnt bleiben sollte, dass sie ergänzungsfähig sind: So könnte die Abgeltungsteuer von 25 Prozent zuzüglich Soli und Kirchensteuer durchaus auf 30 Prozent oder mehr erhöht werden. Das würde den Vorstellungen von Kanzlerkandidat honoraris causa Peer Steinbrück entsprechen, die er mal in einem Spiegel-Interview geäußert hat. Auch ließe sich über die Steuerfreiheit von Gewinnen aus privaten Edelmetallgeschäften reden, die jetzt nach einem Jahr steuerfrei sind. Der in all den hier genannten Fällen zur Debatte stehende Paragraf 23 Einkommensteuergesetz ist jedenfalls noch viel weiter dehnbar, als die bisherigen Dehnungserfolge gezeigt haben.

Dahinter steckt ein perfides System. Um zu diesem Fazit zu kommen, braucht man sich nur die Interessenlage bestimmter Branchen einschließlich deren Lobbyisten vor Augen zu führen. Beispiel Banken: Solange ihre Wertpapierkunden ihnen - nach deren Aktienkäufen mit einem Prozent Kaufprovision - als Daueraktionäre nur noch Depotgebühren bescherten, lohnte sich dieses Geschäft für die Banken nicht. Erst sie die Aktionäre unter sanftem Druck zum Wechsel in Aktienfonds überredeten und durch das Drehen von Fondsbeständen höhere Provisionen generierten, fing das Wertpapiergeschäft der Banken an, sich halbwegs zu rechnen.

Hin und Her macht Taschen leer

Die Weisheiten der Investoren
Crahs-Prophet und Börsenguru Marc Faber: Er kritisiert vor allem Notenbanken und Regierungen. Durch die lockere Geldpolitik von FED und EZB seien gefährliche Gleichgewichte entstanden. Im Krisenfall hält der Börsenguru grundsätzlich ein "Goldverbot" für "absolut realistisch". Trotzdem empfiehlt Faber Investitionen in Gold. Die jüngste Goldpreis-Korrektur sei eine gute Gelegenheit um weiter zuzukaufen. Quelle: Gian Marco Castelberg
Ein Tipp zum saisonalen Verhalten: "Verkaufe im Mai, aber vergiss nicht im September wieder zu kaufen" (Englisch: "Sell in May and go away. But remember to come back in September"). Der Spruch ist allerdings nicht immer richtig. Historisch gesehen lag der Dax in den Sommermonaten 1994 bis 2009 häufiger im Minus als im Winter, aber eine eindeutige Tendenz ist daraus nicht abzuleiten. Seit dem Ausbruch der Finanzkrise lohnt es sich sogar umgekehrt zu investieren - also im September zu verkaufen und im Mai wieder einzusteigen. Quelle: Fotolia
Blick in den Zuschauerraum des Staatstheaters im brandenburgischen Cottbus Quelle: dpa
ein Vater mit seinem Sohn bei einer Schlittenpartie Quelle: dpa
Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler und Rainer Brüderle. Quelle: dpa
Eine indische Braut umgben von anderen Frauen Quelle: dapd
Buddha-Statue in Sri Lanka Quelle: dpa

Ein ganzer Schuh wird daraus indes erst mit der Abgeltungsteuer: Auf einmal ist es egal, ob jemand mit Aktien oder anderen Wertpapieren die einjährige Haltedauer über- oder unterschreitet, allemal wird nach Abzug des mickrigen Freibetrags die Abgeltungsteuer auf Gewinne fällig – geradezu eine Einladung an Kunden zum Trading: Hin und Her macht Tasche leer, füllt aber die Kassen der Banken, die das Trading deshalb bewerben, als sei es eine ewig munter sprudelnde Gewinnquelle.

Eine komische Interessengemeinschaft

Beispiel Immobilienmakler: Falls sie zum Zuge kommen, kassieren sie ihre Courtage bei Mieter- und Eigentümerwechseln, am liebsten von beiden Seiten. Die dicksten Brocken fallen natürlich an, wenn teure – in der Regel vermietete - Objekte von einem Eigentümer zum nächsten übergehen. Unschön für Makler: Die Eigentümer sind bestrebt, ihre Mietshäuser erst nach zehn Jahren zu verkaufen, um die anfallenden Gewinne steuerfrei zu realisieren. Und falls es um mehrere Objekte geht, achten sie penibel darauf, von ihrem Finanzamt nicht als gewerbliche Grundstückshändler eingestuft zu werden.
Das will den Maklern ganz und gar nicht schmecken. Denn sie könnten ihre Einnahmen vervielfachen, falls die Zehn-Jahre-Frist abgeschafft würde. Also sind sie und ihre Lobbyisten auf der Seite derjenigen, die sich für die Abschaffung der Frist einsetzen. Dazu gehören, sanft formuliert, nicht gerade die Vertreter des Großkapitals. Eine komische Interessengemeinschaft, die sich da bildet: Mit dem Habgier-Image behaftete Makler verfolgen dasselbe Ziel wie politisch links tickende Abgeordnete.

Bärendienst an der privaten Altersvorsorge

Fatal an den hier beschriebenen Entwicklungen – von Lobbygruppen dominierte Steuern, Tradingspieler statt Daueraktionäre, Bestrafung von Immobilieneigentümern – ist nicht allein ihre steuerliche Wirkung mitsamt Umverteilungseffekten, sondern auch ihr Bärendienst an der privaten Altersvorsorge: Aktien haben durch die Abgeltungsteuer schon einiges von ihrem Reiz eingebüßt, ihre vermeintliche Lobby namens Deutsches Aktieninstitut beschränkt sich auf Fachliches, und für Immobilien in ihrer Funktion als Spender eines zusätzlichen Vermögens und Einkommens im Alter droht die Zeit abzulaufen.

Stattdessen streiten Politiker populistisch um die Rente mit 67. Und um die Riester-Rente, nachdem sie ein Jahrzehnt dafür gebraucht haben, deren Funktion als Provisionsgenerator für die Finanzwirtschaft statt als Altersvorsorge zu erkennen. Wer dem ganzen Kladderadatsch vorbeugen will, sollte sich – wie an dieser Stelle schon mehrfach betont – intensiv mit Aktien beschäftigen, um den Nachteil der Abgeltungsteuer durch intelligentes Anlegen zu kompensieren, einen Batzen Tagesgeld für Schnäppchen bereithalten, den eigenen Gold- und Silberschatz hüten und im Zweifel Wohneigentum für den eigenen Bedarf haben statt zur Miete zu wohnen.

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