Jürg Steffen weiß, wie die Superreichen ticken. Der Schweizer hat für führende Vermögensverwalter in seiner Heimat und in Österreich gearbeitet und über mehrere Jahre Mitglieder einer der reichsten Familien Europas persönlich beraten. Wen genau, erfährt man nicht. Diskretion ist im Preis mit drin.
Zu Steffens diskret erledigten Aufgaben zählt nicht nur die schnöde Geldanlage: Er ist Experte für „Residence and Citizenship Planning“. Steffen weiß, welche Wohnsitze und Staatsbürgerschaften für Reiche attraktiv sind. Für seine Klientel sind Residenzort und Nationalität zur Manövriermasse bei der Lebens- und Vermögensoptimierung geworden. Sehr häufig gibt es dafür auch steuerliche Gründe.
Inzwischen bringt Steffen sein Wissen als Geschäftsführer von Henley & Partners unter die Reichen und Schönen. Die Beratungsboutique ist in fast allen Steueroasen vertreten. Sie gilt als weltweit führende Spezialistin für „Citizenship by Investment“-Programme, die seit etwa fünf Jahren von immer mehr Ländern aufgelegt werden – auch von EU-Staaten wie Malta, Zypern und Portugal. Das Modell ist simpel: Ausländer, die vor Ort investieren, werden nicht nur mit Aufenthaltsgenehmigung und Steuervorteilen belohnt, sondern bekommen gleich noch eine zweite Staatsbürgerschaft und damit Ausweisdokumente der neuen Heimat.
Die Offerten erfreuen sich beim internationalen Geldadel großer Beliebtheit. „Reiche Individuen und ihre Familien“, referiert Steffen im schönsten Beraterdeutsch, „sehen alternative Wohnsitze und Nationalitäten als strategische Möglichkeiten, um global zu operieren, Risiken zu reduzieren und die Flexibilität zu erhöhen.“
Der Pass, er ist zum Wertpapier geworden.
Und die Auswahl an „strategischen Möglichkeiten“ wächst gewaltig. Nachdem über Jahrzehnte nur der Karibikstaat St. Kitts Pässe am Fließband verhökerte, kommen seit einigen Jahren immer mehr Länder hinzu. So tauscht das schuldengeplagte Portugal seit 2012 „Citizenship“ gegen „Investment“. Wer eine Immobilie für 500.000 Euro kauft, kann seither nicht nur Einwohner, sondern fünf Jahre später auch Portugiese werden. 2013 folgte Zypern, wo Pässe aber teurer sind: Bewerber müssen zwei Millionen Euro in Gebäude, Firmen oder Fonds auf der Insel stecken. Malta – seit 2014 am Start – kassiert nicht erstattbare 650.000 Euro für den „National and Social Development Fund“ und fordert in der Regel noch 500.000 Euro Investment in Immobilien und Staatsanleihen: Neugeschäft für eine Finanzindustrie, die spätestens mit dem Mord an Bloggerin Daphne Caruana Galizia in Verruf geraten ist.
Weniger begeistert von den Passangeboten als Berater Steffen sind denn auch Kriminal- und Finanzbeamte: Sie fürchten, dass unter den Antragstellern viele Kriminelle sind, die mithilfe des zweiten Passes Geld waschen oder zumindest den heimischen Fiskus austricksen wollen: „Steuerhinterzieher können mithilfe der Citizenship-by-Investment-Programme gezielt verhindern, dass Informationen über ihre Kapitalerträge nach Deutschland gelangen“, sagt Thomas Eigenthaler, Chef der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, der rund 70.000 Finanzbeamte angehören. Es geht auch um organisierte Kriminalität und Terrorismus. „Aus unserer Sicht besteht die Gefahr, dass die Programme auf breiter Front zur Geldwäsche oder zur Terrorfinanzierung genutzt werden“, sagt Sebastian Fiedler vom Bund Deutscher Kriminalbeamter.
Günstiger als in der EU sind Pässe in Karibikstaaten wie Dominica, Antigua und Barbuda und St. Lucia, die vergleichbare Programme aufgelegt haben und meist niedrige sechsstellige Summen aufrufen.
Nicht nur dort, auch in der EU bekommen Reiche für ihr Geld satte Steuervorteile. In Zypern etwa müssen sie Zinsen, Dividenden und Mieteinkünfte seit 2015 nicht mehr versteuern. Und Portugals Fiskus lässt Einkünfte aus anderen Ländern meist unangetastet.
Sicher: Mit Fiskalvorteilen gezielt Reiche zu werben ist im globalen Steuerwettbewerb nichts Neues. Die Schweiz hat mit ihrer Pauschalsteuer Tausende Millionäre angelockt. London wurde dank großzügiger Anreize zur Heimat arabischer Scheichs und russischer Oligarchen.
Wenn Malta und Co. aber massenhaft Staatsbürgerschaften vergeben, heben sie den Steuerwettbewerb der Staaten auf eine ganz neue Ebene. Pässe können ungemein nützlich sein, um den Fiskus in der alten Heimat auszubremsen.