Geldtransfer in die Schweiz Steuerflucht wird riskanter

Seite 2/2

Angstschweiß in Grenznähe. Die Heimlichtuerei ist nicht der einzige Nachteil für alpine Anleger. „Für ein Sparkonto zahlen wir 0,5 Prozent Zinsen“, sagt der Berater am Züricher Flughafen lapidar. Das ist spürbar weniger als die Inflationsrate, von einer Rendite ganz zu schweigen. Und wird von den Minizinsen noch eine Quellensteuer abgezogen? Ein kurzes Zögern. „Da muss ich nachfragen“, entschuldigt sich der Berater und verschwindet im Hinterzimmer. Nach zwei Minuten kehrt er zurück. Ja, die 35-prozentige Schweizer „Verrechnungsteuer“ greift nicht nur bei bei einheimischen, sondern auch bei deutschen Kunden. Sie ist vergleichbar mit der hiesigen Zinsabschlagsteuer, die als eine Art Anzahlung auf die Steuerschuld abgezogen wird. Für deutsche Anleger, die nur Geld über die Grenze schaffen, werden die Steuerschlupflöcher immer kleiner. Lange konnten sie die 35-Prozent-Steuer bequem umgehen, denn sie gilt nur für Zinsen, die von Schweizer Banken oder Anleiheemittenten gezahlt werden. Wer ausländische Zinspapiere ins eidgenössische Depot legte und die Erträge daheim verschwieg, kam steuerfrei davon. Doch diese Strategie ist seit Juli 2005 komplizierter. Seitdem müssen Institute in der Schweiz von den meisten Zinsen, bei denen die „Verrechnungsteuer“ nicht greift, ersatzweise 15 Prozent abziehen. Diesen Satz haben die Schweizer mit der EU vereinbart, und er steigt im Juli 2008 auf 20 und 2011 auf 35 Prozent. Es gibt zwar auch bei dieser „EU-Zinssteuer“ noch etliche Umgehungsmöglichkeiten – aber meist mit einem Haken. So sind „Großvater-Anleihen“, die vor März 2001 emittiert wurden, zwar steuerbefreit, aber begehrt und teuer. Für Aktien gilt die Steuer nicht, doch Dividenden unterliegen einer anderen Quellensteuer – und deren Höhe hängt vom Sitz des Unternehmens ab. Idler: „Ob das Depot in der Schweiz oder in Deutschland liegt, ist für den Steuerabzug unerheblich.“ Aus steuerlichen Gründen in Aktien umzuschichten, bringt also wenig. Mischfonds wiederum sind nur befreit, wenn die Anleihenquote maximal 15 Prozent erreicht. Eine der verbliebenen Ausweichstrategien: Zahlreiche Schweiz-Anleger haben ihr Geld lieber an eine Dependance ihrer Bank in Dubai oder Singapur übertragen – dort gilt die Zinssteuer nicht. Für Kunden, denen die große Distanz nicht geheuer ist, haben Banker einen Vorschlag: Das Geld kurz vor den Zinsterminen virtuell an die asiatische Filiale schicken und danach zurückholen. EU-Steuerkommissar László Kovács will das Schlupfloch schließen und drängt die asiatischen Regierungen, ebenfalls eine Zinssteuer einzuführen. Selbst wenn es gelingt, steuerfrei davonzukommen: Von 2009 an sparen gutverdienende Anleger dadurch weniger. Denn mit Beginn der Abgeltungsteuer ist hierzulande statt des persönlichen Steuersatzes von bis zu 44,3 Prozent samt Solidaritätszuschlag nur noch der pauschale Satz von 26,4 Prozent fällig. Angesichts steigender Entdeckungsgefahr müsse sich dann jeder selbst fragen, „ob sich das Risiko noch lohnt“, meint Idler.

Zürich, Zentrum. Wer nicht bloß schnell am Flughafen ein Konto eröffnen, sondern beraten werden will, ist in der mondänen Züricher Bahnhofstraße richtig. Im vierstöckigen Gebäude mit der Nummer 45 residiert die Großbank UBS. Marmorgetäfelter Boden, kunstvoll verzierte Deckengewölbe und schicke Empfangsdamen erinnern eher an ein Luxushotel als an eine Bankfiliale. Besucher sollten eine sechsstellige Summe in Aussicht stellen, besser siebenstellig, wenn sie in eines der Beratungszimmer im ersten Stock wollen. Dort erwartet Deutsche eine Überraschung: Statt Schweizer Dialekt klares Hochdeutsch. Ja, sie sei Deutsche und für Kunden aus ihrer Heimat zuständig, sagt die Beraterin lächelnd. Sie habe „mehr Verständnis für die steuerliche Problematik“, das sei „sehr wichtig“. Auch als Ausländerin weiß die adrette Finanzexpertin den Schweizer Steuermythos zu schützen. Auf die Frage nach Quellensteuern außer der EU-Zinssteuer ist ihr nicht mehr zu entlocken als: „Die sind vernachlässigbar. Wichtig für Sie ist: Wir finden steuerfreie Anlagen.“ Kein Wort von der 35-prozentigen „Verrechnungsteuer“. Enthält das überreichte „Kontoangebot für Privatpersonen im Ausland“ womöglich detailliertere Informationen dazu? „Nein, die steuerliche Situation ist eine sehr individuelle Sache“, antwortet sie vorsichtig. Eines wolle sie aber „ganz bewusst“ sagen: „Was Sie in Deutschland machen, liegt ganz allein an Ihnen.“ Ein eindringlicher Blick. Ja, die Botschaft ist angekommen. Diskretion von Schweizer Seite sei jedenfalls gewährleistet: „Wir achten strikt auf das Bankgeheimnis.“ Deutsche Steuerfahnder beißen in der Schweiz in der Tat häufig auf Granit. Die Banken sind verschwiegen, und die Behörden helfen ausländischen Fahndern nur in schweren Fällen, dem sogenannten Steuerbetrug. Wer dem Finanzamt Kapitalerträge verschweigt, fällt nicht in diese Kategorie. Manchmal geht's aber auch ohne behördliche Hilfe. So haben deutsche Finanzämter Ende 2006 Steuerstrafverfahren gegen Kunden der Privatbank Julius Bär eingeleitet, nachdem ein Exmitarbeiter den Behörden per CD-ROM eine Liste mit Adressen und Vermögensbeträgen von Anlegern geschickt hatte. Julius Bär sprach von einem „bedauerlichen Einzelfall“. Bereits im Juni 2005 hatte der Mann die Daten der Schweizer Zeitung „Cash“ geschickt, woraufhin er wegen Verstoßes gegen das Bankgeheimnis in Haft kam. Nach einem Monat musste ihn die Staatsanwältin aber wieder laufen lassen. Der 52-Jährige soll einigen Kunden auch Drohbriefe geschrieben haben, unterzeichnet mit „Steuerbetrugsaufklärer“ oder „Teddy Bär“. In solchen Fällen hilft auch das strengste Bankgeheimnis nichts.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%