Geldtransfer in die Schweiz Steuerflucht wird riskanter

Mitte Juni wird der Schwarzgeldtransfer in die Schweiz wegen neuer Regeln noch riskanter. Wie eine Bankfiliale am Flughafen Zürich Kunden lockt, die Geld vor dem Fiskus verstecken wollen und welche neuen Quellen die Steuerfahnder haben.

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Steuerfahnder der Stadt Köln, dpa

Der junge Mann hinterm Schalter nickt freundlich, sein Lächeln wirkt fast verschwörerisch. Diese Frage hört er nicht zum ersten Mal. „Ja“, antwortet er mit bedächtigem Schweizer Akzent, „das Bankgeheimnis hier ist streng, wir geben keine Auskünfte über unsere Kunden.“ Und ja, natürlich könnten auch Deutsche hier kurzfristig ein Konto eröffnen und bar einzahlen. „Sie müssen sich aber ausweisen.“ Anonym geht selbst bei den Eidgenossen nichts mehr. Der Bankberater mit dem gepflegten Kurzhaarschnitt arbeitet nicht irgendwo in der Schweiz, sondern in der Credit-Suisse-Filiale im Terminal des Flughafens Zürich-Kloten. Direkt gegenüber geht’s zum Abflugbereich, täglich kommen hier Tausende potenzielle Kunden vorbei. Der Standort zwischen Espressobars und Modeboutiquen ist geschickt gewählt – und wie geschaffen für Deutsche, die Geld vor dem Finanzamt in Sicherheit bringen wollen. Binnen weniger Stunden lässt sich Erspartes außer Reichweite des Fiskus deponieren; dort, wo das Bankgeheimnis noch was zählt und Steuerfahnder auf Granit beißen. Doch die bare Steuerflucht wird künftig deutlich riskanter. Am 15. Juni treten mit einer neuen EU-Verordnung strengere Regeln für Bargeldtransfers in Kraft. Wer mit 10.000 Euro oder mehr in die Schweiz will, muss an der Grenze die Zöllner von sich aus informieren und ein zweiseitiges Formular ausfüllen, samt genauer Angaben zur Herkunft des Geldes. Bisher waren 15.000 Euro erlaubt, und höhere Summen mussten nur auf Nachfrage gemeldet werden. Flankiert wird die Offensive an den Grenzen von einschneidenden Gesetzesänderungen, die Steuerfahndern auch im Inland neue Quellen öffnen und Steuersünder endlich zum Umdenken zwingen sollen. Die Jagd auf Hinterzieher soll dem Fiskus Milliardenbeträge bringen. Das ist keine Utopie: Laut einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung BBW horten die Deutschen 480 Milliarden Euro Schwarzgeld im Ausland, der Löwenanteil von 175 Milliarden Euro soll in der Schweiz liegen. Eine anonymisierte Erhebung des Essener Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung bestätigt das Faible der Deutschen für alpine Konten. So meldeten reuige Steuersünder aus dem Raum Essen/Duisburg/Oberhausen während der Steueramnestie 2004/05 rund 196 Millionen Euro hinterzogene Kapitaleinkünfte nach, „davon 45 Prozent aus der Schweiz“, berichtet Amtsleiter Hans-Joachim Hesse. „Schweizer Banken genießen hierzulande einen hervorragenden Ruf“, bestätigt BBW-Experte Jörg Sieweck. „Zudem gilt das Bankgeheimnis als sehr streng.“ Doch die wenigsten, die Schwarzgeld in Schweizer Tresoren bunkern, begnügen sich damit, den geheimen Schatz im Skiurlaub auszugeben. „Die Versuchung ist groß, das Geld zurückzuholen und auszugeben“, sagt Steuerberater Jesco Idler von der Kanzlei Flick Gocke Schaumburg in Bonn. Und genau darauf setzt der Zoll.

Pro Jahr spüren auf Bares spezialisierte Zollfahnder in der Nähe deutscher Grenzen rund 150 Millionen Euro auf, sie lauern auf Autobahnen und Landstraßen, in ICEs und an Flughäfen. „Besonders intensiv wird an den Grenzen zur Schweiz und Luxemburg kontrolliert“, berichtet Herbert Olgemöller, Steueranwalt in der Kanzlei Streck Mack Schwedhelm in Köln. Ein nervöser älterer Herr im Flieger aus Zürich? Die Gattin auf dem Beifahrersitz des japanischen Kleinwagens trägt Nerz? Die Fahnder kennen ihre Pappenheimer. Kein Versteck ist vor ihnen sicher, sei es eine Motorölflasche, ein Skischuh oder ein Babystrampler. Die strengeren EU-Regeln geben dem deutschen Fiskus die Chance, die Fahndung an den Grenzen deutlich auszuweiten. Ein neues Gesetz stellt klar: Das 10.000-Euro-Limit gilt nicht nur, wie von der EU gefordert, für die Grenzen zu Drittländern wie der Schweiz, sondern auch an Binnengrenzen – also für Reisende gen Luxemburg und Österreich. Einziger verbleibender Unterschied: „Dort muss Bargeld auch künftig nur auf Anfrage gemeldet werden“, so Idler. Als Bares gelten dabei auch Reiseschecks, Wertpapiere und Gold. Die Uhr tickt. Finden Zöllner hohe Summen, informieren sie umgehend die Steuerfahndung. „Für uns sind das wertvolle Informationen“, sagt Steuerfahnder Joachim Wimmer, im Essener Finanzamt zuständig für die Kooperation mit dem Zoll. „Hier gehen wöchentlich Mitteilungen über Funde in sechsstelliger Höhe ein.“ Betroffenen bleibt danach wenig Zeit: Sobald ein Steuerstrafverfahren läuft, ist es zu spät für die „strafbefreiende Selbstanzeige“. Das kann schnell gehen – vor allem, wenn Zöllner gleich von Steuerfahndern begleitet werden. Tauchen in solchen Fällen neben dem Geld Depotauszüge einer Bank im Ausland auf, reicht den Fahndern ein Anruf beim Finanzamt des Gefilzten. Hesse: „Wenn wir erfahren, dass er in der Steuererklärung keine Kapitalerträge angeben hat, leiten wir sofort ein Verfahren ein.“ Auch in weniger eindeutigen Fällen brauchen die Beamten meist nur wenige Tage, um den Verdacht zu erhärten. Wer tatsächlich hinterzogen hat, „muss schnell handeln“, rät Olgemöller. In der Anzeige müssen die verschwiegenen Einkünfte der vergangenen zehn Jahre aufgelistet werden. Nachzahlungen lassen sich so zwar nicht verhindern, aber eine oft saftige Strafe. Wer darauf baut, dass ihm nichts nachzuweisen sei, lebt gefährlich. Seit Einführung der Kontenabfrage bleibt Fahndern kaum noch etwas verborgen. Und in Zukunft stehen ihnen noch ergiebigere Quellen offen, um Sünder zu überführen. So erhält jeder Deutsche vom 1. Juli an eine lebenslang gültige Identifikationsnummer statt der bisherigen, immer mal wechselnden Steuernummer. Zudem wird die Kontenabfrage mit Einführung der Abgeltungsteuer 2009 keineswegs enden, so wie zunächst erhofft.

Angstschweiß in Grenznähe. Die Heimlichtuerei ist nicht der einzige Nachteil für alpine Anleger. „Für ein Sparkonto zahlen wir 0,5 Prozent Zinsen“, sagt der Berater am Züricher Flughafen lapidar. Das ist spürbar weniger als die Inflationsrate, von einer Rendite ganz zu schweigen. Und wird von den Minizinsen noch eine Quellensteuer abgezogen? Ein kurzes Zögern. „Da muss ich nachfragen“, entschuldigt sich der Berater und verschwindet im Hinterzimmer. Nach zwei Minuten kehrt er zurück. Ja, die 35-prozentige Schweizer „Verrechnungsteuer“ greift nicht nur bei bei einheimischen, sondern auch bei deutschen Kunden. Sie ist vergleichbar mit der hiesigen Zinsabschlagsteuer, die als eine Art Anzahlung auf die Steuerschuld abgezogen wird. Für deutsche Anleger, die nur Geld über die Grenze schaffen, werden die Steuerschlupflöcher immer kleiner. Lange konnten sie die 35-Prozent-Steuer bequem umgehen, denn sie gilt nur für Zinsen, die von Schweizer Banken oder Anleiheemittenten gezahlt werden. Wer ausländische Zinspapiere ins eidgenössische Depot legte und die Erträge daheim verschwieg, kam steuerfrei davon. Doch diese Strategie ist seit Juli 2005 komplizierter. Seitdem müssen Institute in der Schweiz von den meisten Zinsen, bei denen die „Verrechnungsteuer“ nicht greift, ersatzweise 15 Prozent abziehen. Diesen Satz haben die Schweizer mit der EU vereinbart, und er steigt im Juli 2008 auf 20 und 2011 auf 35 Prozent. Es gibt zwar auch bei dieser „EU-Zinssteuer“ noch etliche Umgehungsmöglichkeiten – aber meist mit einem Haken. So sind „Großvater-Anleihen“, die vor März 2001 emittiert wurden, zwar steuerbefreit, aber begehrt und teuer. Für Aktien gilt die Steuer nicht, doch Dividenden unterliegen einer anderen Quellensteuer – und deren Höhe hängt vom Sitz des Unternehmens ab. Idler: „Ob das Depot in der Schweiz oder in Deutschland liegt, ist für den Steuerabzug unerheblich.“ Aus steuerlichen Gründen in Aktien umzuschichten, bringt also wenig. Mischfonds wiederum sind nur befreit, wenn die Anleihenquote maximal 15 Prozent erreicht. Eine der verbliebenen Ausweichstrategien: Zahlreiche Schweiz-Anleger haben ihr Geld lieber an eine Dependance ihrer Bank in Dubai oder Singapur übertragen – dort gilt die Zinssteuer nicht. Für Kunden, denen die große Distanz nicht geheuer ist, haben Banker einen Vorschlag: Das Geld kurz vor den Zinsterminen virtuell an die asiatische Filiale schicken und danach zurückholen. EU-Steuerkommissar László Kovács will das Schlupfloch schließen und drängt die asiatischen Regierungen, ebenfalls eine Zinssteuer einzuführen. Selbst wenn es gelingt, steuerfrei davonzukommen: Von 2009 an sparen gutverdienende Anleger dadurch weniger. Denn mit Beginn der Abgeltungsteuer ist hierzulande statt des persönlichen Steuersatzes von bis zu 44,3 Prozent samt Solidaritätszuschlag nur noch der pauschale Satz von 26,4 Prozent fällig. Angesichts steigender Entdeckungsgefahr müsse sich dann jeder selbst fragen, „ob sich das Risiko noch lohnt“, meint Idler.

Zürich, Zentrum. Wer nicht bloß schnell am Flughafen ein Konto eröffnen, sondern beraten werden will, ist in der mondänen Züricher Bahnhofstraße richtig. Im vierstöckigen Gebäude mit der Nummer 45 residiert die Großbank UBS. Marmorgetäfelter Boden, kunstvoll verzierte Deckengewölbe und schicke Empfangsdamen erinnern eher an ein Luxushotel als an eine Bankfiliale. Besucher sollten eine sechsstellige Summe in Aussicht stellen, besser siebenstellig, wenn sie in eines der Beratungszimmer im ersten Stock wollen. Dort erwartet Deutsche eine Überraschung: Statt Schweizer Dialekt klares Hochdeutsch. Ja, sie sei Deutsche und für Kunden aus ihrer Heimat zuständig, sagt die Beraterin lächelnd. Sie habe „mehr Verständnis für die steuerliche Problematik“, das sei „sehr wichtig“. Auch als Ausländerin weiß die adrette Finanzexpertin den Schweizer Steuermythos zu schützen. Auf die Frage nach Quellensteuern außer der EU-Zinssteuer ist ihr nicht mehr zu entlocken als: „Die sind vernachlässigbar. Wichtig für Sie ist: Wir finden steuerfreie Anlagen.“ Kein Wort von der 35-prozentigen „Verrechnungsteuer“. Enthält das überreichte „Kontoangebot für Privatpersonen im Ausland“ womöglich detailliertere Informationen dazu? „Nein, die steuerliche Situation ist eine sehr individuelle Sache“, antwortet sie vorsichtig. Eines wolle sie aber „ganz bewusst“ sagen: „Was Sie in Deutschland machen, liegt ganz allein an Ihnen.“ Ein eindringlicher Blick. Ja, die Botschaft ist angekommen. Diskretion von Schweizer Seite sei jedenfalls gewährleistet: „Wir achten strikt auf das Bankgeheimnis.“ Deutsche Steuerfahnder beißen in der Schweiz in der Tat häufig auf Granit. Die Banken sind verschwiegen, und die Behörden helfen ausländischen Fahndern nur in schweren Fällen, dem sogenannten Steuerbetrug. Wer dem Finanzamt Kapitalerträge verschweigt, fällt nicht in diese Kategorie. Manchmal geht's aber auch ohne behördliche Hilfe. So haben deutsche Finanzämter Ende 2006 Steuerstrafverfahren gegen Kunden der Privatbank Julius Bär eingeleitet, nachdem ein Exmitarbeiter den Behörden per CD-ROM eine Liste mit Adressen und Vermögensbeträgen von Anlegern geschickt hatte. Julius Bär sprach von einem „bedauerlichen Einzelfall“. Bereits im Juni 2005 hatte der Mann die Daten der Schweizer Zeitung „Cash“ geschickt, woraufhin er wegen Verstoßes gegen das Bankgeheimnis in Haft kam. Nach einem Monat musste ihn die Staatsanwältin aber wieder laufen lassen. Der 52-Jährige soll einigen Kunden auch Drohbriefe geschrieben haben, unterzeichnet mit „Steuerbetrugsaufklärer“ oder „Teddy Bär“. In solchen Fällen hilft auch das strengste Bankgeheimnis nichts.

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