Geldwäsche Bitcoin für Kokain

Kryptowährungen wie der Bitcoin spielen bei illegalen Transaktionen eine zunehmend große Rolle. Quelle: imago images

Geld reinzuwaschen, ist ein Billionengeschäft. Welche Wege die Kriminellen gehen, welche Rolle Banken, Fintechs und Kryptowährungen wie Bitcoin spielen. Und welche Schwächen Deutschland hat.

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Geldwäsche ist ein weltweites Phänomen – und ein deutsches Problem: Zuletzt bekam das Berliner Fintech N26 eine Millionenstrafe wegen mangelnder Kontrollen aufgebrummt. Auch die Pleite gegangene Wirecard war zumindest als Geldwäschekanal verdächtig. In ihrem Report „The 2021 Global State of Anti-Money Laundering“ hat der britischer Rüstungs-, Informationssicherheits- und Luftfahrtkonzern BAE Systems gerade eine umfangreiche Bestandsaufnahme gemacht. Charmian Simmons, Expertin für Finanzkriminalität und Compliance im Bereich Finanzdienstleistungen bei BAE Systems, hat der WirtschaftsWoche dazu Einblicke gegeben.


WirtschaftsWoche: Das United Nations Office on Drugs and Crime (UNODC) schätzt, dass jedes Jahr bis zu zwei Billionen Dollar gewaschen werden. Sie glauben, dass die Zahl noch viel höher sein könnte. Warum glauben Sie das?
Charmian Simmons: Die vom UNODC angegebene Spanne stimmt mit der prozentualen Spanne überein, die zuvor vom Internationalen Währungsfonds zur Schätzung des Ausmaßes der Geldwäsche festgelegt wurde. In Anbetracht der Tatsache, dass der überwiegende Teil des weltweit gewaschenen Geldes nicht entdeckt wird, könnte man argumentieren, dass das Ausmaß und die Auswirkungen größer sind. Tatsache ist, dass Bargeld immer noch die Oberhand hat – vorerst. Die untersten Ebenen der kriminellen Unterwelt hantieren und operieren immer noch mit schwer zu beziffernden Mengen an Bargeld. Und sie mischen nach wie vor illegale und legale Gelder, wo immer dies möglich ist, um die Erträge aus ihren Aktivitäten zu verschleiern und die Aufdeckung illegaler Aktivitäten zu erschweren. Die Ereignisse der letzten 18 bis 24 Monate mit einer globalen Pandemie und den Digitalisierungsbemühungen von Banken und Unternehmen haben jedoch dazu geführt, dass Kriminelle und Betrüger in ihren Ansätzen noch versierter und professioneller geworden sind, was sie dazu zwingt, andere Taktiken in Betracht zu ziehen, um ihre Ökosysteme und ihre Arbeitsteilung und Spezialisierungen weiterzuentwickeln. Da gehören zum Beispiel diejenigen zu, die Werkzeuge bauen, diejenigen, die Infrastruktur oder Logistik bereitstellen, und diejenigen, die Geldwäschedienste anbieten, um ihre gewinnorientierten Ziele zu erreichen.

Charmian Simmons ist Expertin für Finanzkriminalität und Compliance im Bereich Finanzdienstleistungen in der EMEA-Region (Europa, Naher Osten, Afrika) bei BAE Systems. Quelle: PR

Welche Kanäle nutzen die Geldwäscher?
Es gibt heute viele Kanäle, über die Geldwäsche betrieben werden kann – vielleicht zu viele, um sie zu beschreiben. Einige wichtige Kanäle sind die Kommunikation, Geldkuriere und das Dark Web. Was „Kommunikation“ anbelangt, so nutzen Kriminelle und Betrüger alle gängigen sozialen Kanäle für die alltägliche Kommunikation, wobei die Hierarchien ähnlich wie in einem normalen Geschäftsumfeld sind. Der Kriminelle auf der untersten Ebene weiß oft nicht, für wen er letztlich arbeitet. Falls erforderlich, werden Nachrichten nach oben und unten weitergegeben. Die sogenannten „Money Mules“, also Geldkuriere, werden nach wie vor in großem Umfang eingesetzt, um die Einschleusung von Geld in den Geldwäscheprozess zu erleichtern. Kriminelle haben es oft auf naive und schlecht verdienende Personen abgesehen und bieten ihnen einen kleinen Geldbetrag an, der mit 1.000 bis 2.000 Euro für einen Studenten aber beachtlich ist, der im Gegenzug eine größere Summe auf sein Konto überweist, bevor das Geld weitergeleitet wird. Beim Menschenhandel werden häufig auch Geldkuriere eingesetzt. Konten werden gegen den Willen des Opfers Konten eingerichtet, auf die dann Gelder eingezahlt werden, ohne dass das Opfer jemals Zugriff darauf hat. Sogar während des Höhepunkts der Pandemie wurden Geldkuriere oft als besonders unabkömmliche Mitarbeiter getarnt, um den Kapitalverkehr fortzusetzen. Um Geldwäsche zu betreiben, sind Kriminelle nicht an dieselben moralischen, rechtlichen und operativen Verpflichtungen gebunden wie diejenigen in der Finanzbranche, die versuchen, ihr verdächtiges Verhalten aufzudecken und zu verhindern. So ist es beispielsweise üblich, dass illegale Dienstleistungen über das Dark Web in einer Art „Crime-as-a-service“-Modell gekauft werden. Ein solcher Fall ist die Betrugsmasche mittels E-Mail-Phishing, bei dem ein Krimineller E-Mail-Phishing-Technologie im Dark Web erwirbt und sie als Teil seiner umfassenderen rechtswidrigen Tätigkeit einsetzt.

Welche Länder sind am meisten betroffen?
Leider sind Länder in allen Regionen der Welt in Geldwäscheaktivitäten verwickelt. Je nach Art der Tätigkeit konzentrieren bestimmte Länder ihre Bemühungen und Aktivitäten auf bestimmte Länder mit einem gewissen Grad an grenzüberschreitender Interaktion. So ist der Menschenhandel in unterentwickelten Ländern häufiger anzutreffen. Mehr als drei Viertel aller in Europa gehandelten Frauen kommen aus Rumänien, die meisten davon zum Zwecke der Ausbeutung im Sexgewerbe. Betrug ist nach wie vor ein globales Problem, und Afghanistan ist ein Land, das insbesondere nach der Machtübernahme durch das Taliban-Regime mit geschätzten 460 Millionen Dollar an illegalen Geldern aus dem Mohnanbau einen erheblichen Beitrag zum globalen Geldwäscheproblem leistet. Alles in allem ist Geldwäsche ein globales Problem. 

Was ist mit Deutschland?
Der Korruptionswahrnehmungsindex stuft Deutschland in den Jahren 2020 und 2019 mit einer „9“ ein. Je niedriger die Zahl, desto risikoreicher wird das Land eingeschätzt. Die deutsche Presse und aktuelle Magazine haben Deutschland in den letzten Monaten als Paradies für Geldwäscher bezeichnet, und zwar aufgrund des intransparenten Finanzsektors, der schlechten Aufsicht, der unklaren Zuständigkeiten der Behörden und der zwangsläufig ineffektiven Strafverfolgung. Ein Beispiel dafür haben wir kürzlich im Vorfeld der Bundestagswahlen gesehen, und zwar bei den Razzien Mitte 2020 und erneut im September 2021, als Staatsanwälte bei der deutschen Financial Intelligence Unit (FIU), die für das Sammeln und Auswerten von Verdachtsmeldungen zuständig ist, wegen des Rückstands von 46.000 Verdachtsmeldungen, die entweder nicht entsprechend bewertet, wo Transaktionen nicht geprüft oder gestoppt und Details nicht an Staatsanwälte oder Strafverfolgungsbehörden zur Untersuchung weitergegeben wurden.

Bei der jüngsten Razzia im September im Finanzministerium im Rahmen der laufenden Ermittlungen wegen angeblicher Behinderung der Justiz wurde speziell untersucht, ob die Mitarbeiter der FIU Warnungen von Banken über mögliche Geldwäsche „in Höhe von Millionen von Euro“ nicht weitergegeben haben. Medienberichte haben auch die Abhängigkeit von Bargeld als eine der größten Schwächen bei der Prävention von Finanzkriminalität hervorgehoben. Viele Transaktionen können in bar abgewickelt werden, darunter Immobilien, Yachten, Luxusuhren und Autos. Die kürzlich von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Änderungen bei den Anti-Geldwäsche-Regelungen für die EU-Mitgliedstaaten bedeuten, dass sich eine Reihe von regulatorischen Änderungen bald auf das derzeitige Umfeld auswirken und die Anforderungen, Praktiken und Kontrollen verschärfen könnten, um Geldwäscheaktivitäten aufzudecken und zu verhindern. Die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Bargeldgrenze von 10.000 Euro für die deutschen Behörden könnte sich dabei als problematisch erweisen. Wir werden jedoch abwarten müssen, wie sich dies auswirkt.

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