Gesetz zu Unternehmenssanktionen „Die Schuldigen bestrafen, nicht die Aktionäre!“

Rechtsanwalt Alexander Reuter sieht keinen Bedarf für härtere Strafen für Unternehmen Quelle: PR

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) will Wirtschaftskriminalität, wie sie VW beim Dieselskandal oder Banken in  der Finanzkrise zur Last gelegt wird, härter bestrafen. Sie legte am Donnerstag einen Gesetzentwurf vor, der auch schärfere Sanktionsmöglichkeiten gegen Firmen vorsieht und nicht nur gegen Personen in den Unternehmen. Künftig sollen große Firmen bei gravierenden Verfehlungen bis zu zehn Prozent ihres Umsatzes zahlen müssen. Bisher sind es maximal zehn Millionen Euro, unabhängig von der Größe des Unternehmens. Rechtsanwalt Alexander Reuter hält das für falsch.

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Alexander Reuter ist Rechtsanwalt und Partner bei Görg. Zu seinen Schwerpunkten gehören Gesellschaftsrecht, Compliance und die damit verbundenen Haftungs- und Regressfragen.

Herr Reuter, Justizministerin Christine Lambrecht arbeitet an einem Gesetz, nach dem Unternehmen wie VW für Verfehlungen sehr viel härter bestraft werden sollen, unter anderem mit Geldbußen – bis hin zu zweistelligen Milliardenbeträgen. Welche konkreten Auswirkungen wird das Gesetz in Unternehmen haben, wenn es kommt, wie jetzt vorgestellt?
Mit dem Gesetzentwurf will die Justizministerin umsetzen, was im Koalitionsvertrag (siehe Kurztext unten) dazu vorgesehen ist. Bislang gilt das sogenannte Opportunitätsprinzip, das heißt, die zuständige Behörde entscheidet, ob ein Verdachtsfall verfolgt wird. Jetzt sollen im Interesse der Gleichbehandlung alle Verdachtsfälle verfolgt werden. Was die Geldbußen angeht, sollen Unternehmen offenbar auch dann scharf sanktioniert werden können, wenn sie angemessene Compliance-Anstrengungen unternommen haben, aber hochrangige Manager die Regeln umgehen und so das Recht brechen.

Was missfällt Ihnen daran?
Dass es die Falschen trifft. Unter Unternehmenssanktionen leiden die Anteilseigner - ihre Firma und ihre Aktien werden weniger wert. Wirtschaftlich zahlen sie die Zeche. Die Aktionäre sind aber für Rechtsverstöße, die aus dem Unternehmen heraus begangen werden, nicht verantwortlich. Sie können solche Rechtsverstöße auch nicht verhindern. 

Aber Aktionäre profitieren doch auch, wenn das Management gut und ehrlich arbeitet, zum Beispiel durch höhere Gewinne.
Man kann freilich die Frage stellen, ob nicht die Beteiligung an einer AG auch die Übernahme von solchen Bußgeld-Risiken enthält. Aber auch der Gesetzgeber will gar nicht die Beteiligung an Unternehmen bestrafen; Unternehmen sind es ja, die unseren Wohlstand erwirtschaften, und unternehmerische Tätigkeit ist nicht nur rechtmäßig, sondern gewollt. Bußen und Strafen sollen vielmehr der Repression und Prävention von Rechtsbrüchen dienen. Auch das Bundesjustizministerium sagt ausdrücklich, dass es Verhalten steuern will. Diesen Zweck können sie aber bei den Aktionären nicht erreichen. Denn das Aktiengesetz schneidet den Aktionären die Mitwirkung am Management gerade ab.

Wer soll denn haften?
Das Aktiengesetz ist da eindeutig: Der Vorstand führt das Unternehmen. Unternehmenssanktionen wirken deshalb nicht - bei den Aktionären können sie nicht abschreckend wirken; denn die Aktionäre können künftige Straftaten nicht verhindern.  Dass auch immer höhere Geldbußen die Sanktionsziele des Gesetzgebers verfehlen, hat übrigens sogar die Monopolkommission bei der letzten Kartellnovelle gesagt. Weil Unternehmenssanktionen mit den Aktionären die Falschen treffen, verstoßen sie gegen deren Grundrechte. Und dass Aktien vom Grundrecht auf Eigentum geschützt sind, hat das Bundesverfassungsgericht in vielen Entscheidungen anerkannt. 

Das sieht der Koalitionsvertrag an Unternehmenssanktionen vor

Also müssen Manager bei Verfehlungen härter bestraft werden?
Sie müssen so sanktioniert werden, dass der Gesetzgeber sein Ziel erreicht: ihr Verhalten zu steuern. Dort muss er ansetzen.

Manager kommen oft davon, weil Fälle und Unternehmen komplex sind und ihnen oft keine Schuld nachgewiesen werden kann.
Dann muss das Recht besser durchgesetzt werden. Es gehört zum Rechtsstaat, dass er die Schuld des Angeklagten nachweist. Kann er das nicht, dann hat es doch keinen Sinn, einfach andere dafür bluten zu lassen. Das wäre Sippenhaft. Nehmen Sie die Manipulationen des Libor-Zinses durch die Banken: Wenn Händler gegen Bankregeln verstoßen, Zinsen manipulieren und große Boni kassieren, warum sollen dann die Aktionäre belangt werden? Die trifft der Wertverlust schon schwer, den der Rufschaden mit sich bringt. 

Also können Unternehmen nie bestraft werden, weil es die Falschen trifft?
Ja, denn Sippenhaft gehört nicht mehr in unsere Rechtsordnung. Das Empfinden, „Strafe muss sein, auch wenn man keine Schuldigen findet“, genügt nicht. Die Rechtsordnung verlangt eine vorwerfbare Mitverantwortung der Aktionäre, bevor man ihr Vermögen angreift.

Wann wäre das der Fall?
Der Gesetzgeber könnte eingreifen, wenn die Aktionäre nicht ausreichend sorgfältig Verantwortung delegiert haben. Im Strafrecht gilt, dass Personen nicht jede Pflicht selbst erfüllen müssen, sondern unter bestimmten Voraussetzungen an andere delegieren können. Zum Beispiel wird vom Vorstandsvorsitzenden eines Chemieunternehmens nicht verlangt, beim Transport umweltkritischer Substanzen jeden Leitungshahn selbst auf- oder abzudrehen. Ebenso wie ein Landesgesundheitsminister nicht allen Hinweisen der Landespolizeibehörden persönlich nachgehen muss, es seien gestohlene, unwirksame Krebsmedikamente in Umlauf, oder eine Verteidigungsministerin nicht jeden Beschaffungsvorgang persönlich durchprüfen muss. Das Delegationsprinzip muss auch für Anteilseigner von Unternehmen gelten 

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