Mit dem heutigen Urteil schafft der BGH zwar keine neue Rechtsprechung, aber er legt an der richtigen Stelle den Finger in die Wunde. Wenn wie in dem aktuellen Fall ältere, gebrechliche Mieter von einer Räumung wegen Eigenbedarf betroffen sind, verdienen sie besonderen Schutz. Gerichte dürfen es sich bei der Abwägung der Interessen von Eigentümern und Mietern nicht zu einfach machen.
Zu Recht verpasste der BGH dem Landgericht Baden-Baden eine Rüge, weil es allzu oberflächlich über die Einwände der Mieter hinweg gegangen ist. Der Gesetzgeber wollte mit der Härtefallregelung keinen Freibrief für renitente Mieter schaffen, sondern jene schützen, für die ein Umzug in eine neue Wohnung unzumutbar ist. Ohne gründliche Einzelfallprüfung lassen sich beide Gruppen nicht sauber voneinander trennen.
Ebenso viel Sorgfalt erfordern die sehr viel häufigeren Fälle von vermeintlich vorgetäuschtem Eigenbedarf. Häufig ist nicht eindeutig, ob Familienangehörige dauerhaft in einer geräumten Mietwohnung wohnen wollen oder nur zum Schein einziehen. Stellen Mieter nachträglich fest, dass eine Kündigung wegen Eigenbedarf missbräuchlich war, können sie beim Eigentümer Schadensersatzansprüche geltend machen. Darunter fallen beispielsweise die Umzugskosten. Gerade jetzt im Immobilienboom, wo der Verkauf einer Immobilie für Eigentümer besonders verlockend ist, sollten die Gerichte zwei Mal hinschauen, ob es bei einer Kündigung wegen Eigenbedarf mit rechten Dingen zugeht.
Es ist zu erwarten, dass es insbesondere in den Großstädten zu mehr Streitigkeiten rund um Kündigungen wegen Eigenbedarf kommen wird. Schließlich ziehen die Mietpreise an und langjährige Mieter sind immer seltener bereit, ihre Wohnung zu verlassen. Abzulesen ist das an den sinkenden Fluktuationsraten. Auf die Gerichte wird daher mehr Arbeit zukommen. Das sollte jedoch kein Vorwand sein, die Einzelfälle oberflächlich zu prüfen. Anderenfalls müsste der BGH erneut eingreifen und die Richter zum Nachsitzen zwingen. Das wäre sowohl für die Mieter als auch die Eigentümer ein vermeidbarer Mehraufwand.