Insolvenzen Zweifel an Gläubigerschützern

Der Konkurs einer Servicetochter schürt Zweifel an Kompetenz und Kontrollen im Gläubigerschützerverein GSV.

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Selbsternannter Gläubigerschützer Hans Haarmeyer Quelle: Pressebild

Eine Art ADAC für Pleiteopfer sollte die Gläubigerschutzvereinigung Deutschland (GSV) sein. Schließlich hatte sich der 2009 gegründete Verein der aktiven „Vertretung von Gläubigerinteressen“ verschrieben. Mitglieder sollten laut Homepage einen „qualitätsgeprüften und kostengünstigen Full-Service in der Insolvenzvertretung“ erhalten. Dazu veranstaltete der GSV für Unternehmer bunte Info-Abende der Sorte „So kommen Sie an Ihr Geld, wenn der Kunde pleite ist“.

Allein, die Idee, mit Pleiten Geschäfte zu machen, führte Anfang des Jahres selbst zur wirtschaftlichen Havarie: Ausgerechnet die Dienstleistungstochter GSV Service, die allen zeigen sollte, wie es geht, musste am 9. Januar Insolvenz anmelden.

Droht das aus für GSV?

Der Konkurs wirft kein gutes Licht auf die Kompetenz und die Kontrolle der selbst ernannten Gläubigerschützer. Er könnte sogar zum Debakel für den ganzen Verein und seinen Vorsitzenden werden, den bekannten Insolvenzrechtler Hans Haarmeyer. Denn nach Informationen der WirtschaftsWoche fordert Andreas Ringstmeier, der Insolvenzverwalter der GSV Service, nun etwa 900.000 Euro vom Dachverein GSV. Der aber erwirtschaftet aus Mitgliedsbeiträgen gerade mal rund 50.000 Euro pro Jahr. Droht damit also auch hier das Aus?

GSV-Chef Haarmeyer spielt die Gefahr zwar herunter. „Der Verein ist von der Insolvenz seines Dienstleisters nur mittelbar betroffen“, sagt er. Die gegen den Verein erhobenen Forderungen von 900.000 Euro seien „aus unserer Sicht unberechtigt“. Doch Insolvenzverwalter Ringstmeier will hart bleiben. „Wir werden unsere Ansprüche gegen den Verein durchsetzen“, kündigt er an, „notfalls auch gerichtlich.“

Wie auch immer das Scharmützel ausgeht, der Ruf der Gläubigerschützer und ihres Vorsitzenden Haarmeyer hat schon jetzt empfindlich gelitten.

Mitglieder blieben aus

Dabei ist die Grundidee des Konkurs-Klubs nicht verkehrt. Die GSV wollte in Insolvenzverfahren all jenen Gläubigern eine Stimme geben, die sonst kaum mitentscheiden können. Während Banken und andere Großgläubiger sich von ihren Schuldnern oft spezielle Sicherheiten an Vermögenswerten oder Forderungen einräumen lassen und regelmäßig in Insolvenzverfahren den Ton angeben, bleiben kleinere Geschäftspartner meist außen vor.

Doch der erhoffte Ansturm Mitgliedswilliger blieb aus. Auch der Einsatz sogenannte Repräsentanten zur Akquise brachte wenig. Statt bis zu 5.000 Mitglieder, wie der Geschäftsplan für Ende 2011 vorsah, brachten sie nur 300. Damit fehlten der Servicevereinstochter wichtige Einnahmen.

„Das Unternehmen hat zu keinem Zeitpunkt kostendeckend gearbeitet“, sagt Ringstmeier. Dass GSV Service überhaupt bis Januar durchhielt, lag an ihrem zweiten Gesellschafter, dem österreichischen Kreditschutzverband von 1870, der bis November 2011 rund 3,5 Millionen Euro in das Geschäft pumpte.

Zu spät reagiert

Wo der Staat eingesprungen ist
Schlecker Quelle: dapd
Commerzbank Quelle: dpa
OpelBereits im Jahr 2008 hatte Opel, nach Absatzeinbruch und massiven Verlusten, als erster deutscher Autohersteller den Staat um Hilfe. Eine Bürgschaft von Bund und Ländern sollte das Unternehmen stützen. Doch diese Bürgschaft war ein großer Streitpunkt in der Politik. Schließlich preschte Thüringen als erstes Bundesland vor und beschloss einen Bürgschaftsanteil in Höhe von 24 Millionen Euro zu übernehmen. Im Sommer 2009 meldete die Opel-Tochter General Motors Insolvenz an und Opel erhielt eine erste Finanzspritze des Staates. Der neue Opel Chef Nick Reilly stellt im Januar 2010 einen Sanierungsplan vor: Der Staat sollte sich mit 1,5 Milliarden daran beteiligen. 8400 Stellen sollen in Europa fallen, 3900 davon in Europa. Im Herbst 2010 heißt es dann, das Unternehmen solle aus eigener Kraft gerettet werden, Staatshilfen werde es nicht geben. Quelle: REUTERS
Holzmann Quelle: REUTERS
Babcock Borsig Quelle: AP
Beiersdorf Quelle: dpa/dpaweb
Qimonda Quelle: dpa

Die Krux daran: Einen Teil dieses Geldes reichte GSV Service an ihre Mutter weiter – als Darlehen oder Spende. Diese Beträge will Ringstmeier nun von der GSV zurück.

Besonders peinlich ist dies für GSV-Chef Haarmeyer. Monatelang unternahmen er und seine Mitstreiter nichts, um den Abfluss der Mittel von der Tochter zur Mutter zu stoppen. Ihnen blieb unbemerkt, dass die Mitglieder-Prognosen, wie Haarmeyer heute einräumt, schlicht „Wunschvorstellungen oder Potemkinsche Dörfer“ waren.

Zwar trägt dafür primär Ex-Service-Geschäftsführer Marcus Strotkötte die Verantwortung. Doch hätte nicht auch GSV-Chef Haarmeyer, der einen Beratervertrag mit der Tochtergesellschaft hatte, das Debakel rechtzeitig erkennen und stoppen können? Als vor einem Jahr ein hessischer Insolvenzverwalter selbst pleiteging, geißelte Haarmeyer noch das „völlige Versagen gerichtlicher Aufsicht und das Fehlen einer risikoorientierten Kontrolle“. Dass er sich derlei nun selbst vorwerfen lassen muss, weist Haarmeyer von sich. Er sei im Hauptberuf Hochschullehrer und habe die Tätigkeit der GSV-Service-Tochter nur engagiert begleitet, aber schon aus zeitlichen Gründen „nicht operativ geführt“.

Hauch von Schadenfreude

Dass Haarmeyer mit einer Pleite zu kämpfen hat, sorgt in der Zunft für einen „Hauch von Schadenfreude“, notierte kürzlich das Branchenmagazin „INDat-Report“. Zu oft hat der Hochschulprofessor und frühere Insolvenzrichter lautstark Vergütungsexzesse, Beraterunwesen und Qualitätsmängel in Insolvenzverfahren angeprangert. Nicht, dass Haarmeyer damit unrecht hätte, heißt es dazu in der Branche. Doch eigne sich der Professor mit seinen Gutachter- und Beraterjobs nicht als Ankläger

So ließ sich Haarmeyer die Beratung der inzwischen insolventen GSV-Servicegesellschaft großzügig vergolden. Knapp 130.000 Euro Honorar soll er abgerechnet haben, so Ex-Mitarbeiter, zu Tagessätzen von 1500 Euro.

Seine Beraterleistungen seien weder als qualitativ schlecht noch überbezahlt infrage gestellt worden, wehrt sich Haarmeyer. Ob das stimmt, prüft zurzeit Insolvenzverwalter Ringstmeier.

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