Kapitallebensversicherung Ein Formbrief sorgt für Ärger

Viele Schreiben über den Stand der Lebensversicherung sind in den Augen von Kritikern unklar. Für eine Versicherung hat das jetzt konkrete Folgen: Eine Verbraucherzentrale entschloss sich zu einem drastischen Schritt.

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Die Hamburger Verbraucherschützer nahmen bereits im Sommer die Standmitteilungen der Versicherer unter die Lupe. Für einen von ihnen hat das nun konkrete Konsequenzen. Quelle: dpa

Frankfurt Es ist ein Schreiben, das jedes Jahr mehr als 30 Millionen deutsche Versicherte erhalten – und deren mangelnde Klarheit seit längerem den Argwohn der Verbraucherschützer weckt. Ein Großteil der sogenannten Standmitteilungen, in denen die Assekuranz ihre Kunden jedes Jahr über die Höhe des Vorsorgevermögens der Kapitallebensversicherung informiert, sei unzureichend, lautet die Beschwerde. Doch die Lobbyisten belassen es nicht mehr allein bei Worten. Die Verbraucherzentrale Hamburg geht jetzt auch gerichtlich gegen die von ihr ausgemachten Missstände vor – und verklagt die in Stuttgart beheimatete Versicherung Alte Leipziger, wie die Hamburger am Donnerstag verkündeten.

Ein Formbrief sorgt für Ärger

Nach Auffassung der Verbraucherzentrale genügen die Standmitteilungen, die die Alte Leipziger jährlich an ihre Lebens- und Rentenversicherungskunden verschickt, nicht den gesetzlichen Mindestanforderungen. Das Unternehmen sei aufgefallen im Rahmen der sogenannten Marktwächteruntersuchung zu Mitteilungen, die die Hamburger bereits im Juli veröffentlicht hatten – und die zu wenig schmeichelhaften Ergebnissen für viele Versicherungskonzerne kam.

Ein Viertel der von der Verbraucherzentrale Hamburg untersuchten Mitteilungen erfüllte damals nicht die gesetzlichen Vorgaben. Den meisten fehlten Informationen, die der Versicherungsverband GDV in einer Muster-Standmitteilung empfiehlt, monierte die Verbraucherzentrale damals. Nun legen die Verbraucherschützer nach. Laut Versicherungsvertragsgesetz hätten Verbraucher Anspruch darauf, „alljährlich eine Information über den Stand der Überschussbeteiligung zu erhalten“. Außerdem stehe ihnen Informationen darüber zu, „inwieweit diese Überschussbeteiligung garantiert ist“. Diesen gesetzlichen Informationspflichten komme die Alte Leipziger jedoch nicht nach, klagt die Verbraucherzentrale.

Ein Sprecher der Alte Leipziger betonte, dass die Mitteilungen nach Auffassung der Versicherung „sämtliche rechtliche Anforderungen“ entsprechen. Die Dokumente würden sowohl die garantierte als auch auch die prognostizierte Überschuss-Beteiligung ausweisen und damit den Anforderungen völlig genügen. Die Alte Leipziger habe jedoch sowieso geplant, im Laufe des nächsten Jahres ihre Standmitteilungen neu zu überarbeiten. „Wahrscheinlich gibt es neue Mitteilungen noch bevor ein Urteil gefällt ist“, so der Sprecher.

Doch die Hamburger sehen dies anders. Die Versicherungsgesellschaft weise in ihren Standmitteilungen lediglich eine prognostizierte Ablaufleistung inklusive möglicher künftiger Überschüsse aus, monieren die Verbraucherschützer. Die Höhe der bereits gutgeschriebenen Überschüsse nenne sie jedoch nicht. Für die Hamburger ein Unding. „Eine Standmitteilung ist kein Horoskop“, begründete Sandra Klug, Leiterin des für Versicherungen zuständigen Hamburger Marktwächter-Teams, nun den Schritt vor den Kadi. „Die vagen Prognosen der Alten Leipziger würden Verbrauchern bei der eigenen Finanz- und Vorsorgeplanung nicht weiterhelfen. Dafür bräuchten sie verlässliche Informationen, und die schreibe der Gesetzgeber sogar vor. „Daran muss sich die Alte Leipziger halten“, forderte die Expertin.


Die Rechtslage ist eindeutig

Trotz eindeutiger Rechtslage habe die Alte Leipziger jedoch bislang keine Veranlassung gesehen, ihre Standmitteilungen entsprechend der gesetzlichen Mindestanforderungen anzupassen. Nach einer Abmahnung durch das Marktwächter-Team habe das Unternehmen nur in Aussicht gestellt, die Ablaufleistung künftig als Gesamtsumme inklusive der garantierten Überschüsse auszuweisen. Den Hamburger Verbraucherschützern reicht das aber nicht, die garantierten Überschüsse müssten einzeln aufgeführt werden, verlangen sie. Daher reichte die Verbraucherzentrale jetzt vor dem Landgericht in Frankfurt am Main jetzt Klage gegen den Anbieter ein.

Der Versicherungsverband GDV veröffentlichte schon im Frühjahr eine überarbeitete Version von Empfehlungen für Aufbau, Inhalt und Gestaltung von Standmitteilungen. Für typische „Versicherungsdeutsch“-Formulierungen wurden Alternativen erarbeitet. Für einige Stellen wurde auch empfohlen, auf Tabellen statt auf Fließtext zu setzen. So hält der GDV einige standardmäßig enthaltene Informationen für verzichtbar, während er hier und da flankierende Erläuterungen anrät. Doch bindend sind diese Vorschläge nicht.

Sprache und Inhalt von Standmitteilungen dürfen die Versicherer fast beliebig gestalten, denn obwohl sie von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht streng reguliert werden, gibt es in diesem Punkt nur wenige gesetzliche Vorgaben. Ein Lebensversicherer muss jeden Kunden im Wesentlichen über die Entwicklung seiner Ansprüche unter Einbeziehung der Überschussbeteiligungen unterrichten. Wie viel von der Überschussbeteiligung bereits garantiert ist, also vom Anteil an den Unternehmensgewinnen, muss er ebenfalls angeben. Viel mehr indes nicht. Ob die Alte Leipziger gegen diese Mindeststandards verstoßen hat, wird nun das Frankfurter Landgericht entscheiden müssen.

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