Das Urteil der Stiftung Warentest hat Gewicht. Laut Statistiken des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) suchen drei von vier Deutschen regelmäßig Rat bei der Stiftung Warentest oder den Verbraucherzentralen, bevor sie etwas kaufen. Besonders wichtig sind deshalb die Testurteile. Ein Hersteller, der von sich behaupten kann, mit seinen Produkten Testsieger der Stiftung Warentest zu sein, kann sich über gute Absatzzahlen freuen. „Während ein positives Testurteil der Stiftung den Absatz von Waren und Dienstleistungen zu steigern vermag, führt ein schlechtes Testresultat oftmals zum Umsatzrückgang oder zur Imageschädigung“, bestätigt auch der BDI.
Dementsprechend schwer liegt dem Schokoladenhersteller Ritter Sport das Urteil „mangelhaft“ für seine Nuss-Schokolade im Magen. Die Warentester hatten behauptet, der in der Ritter Sport Voll-Nuss gefundene Aromastoff Piperonal, der natürlich unter anderem in Blütenölen sowie auch in Pflanzen wie Pfeffer oder Dill vorkommt, sei chemisch hergestellt worden. Qualität und Geschmack der Ritter Sport Voll-Nuss werden von der Stiftung als gut bewertet. Das Fehlurteil „mangelhaft“ resultiert daraus, dass das Zutatenverzeichnis irreführend und die Schokolade deshalb nicht verkehrsfähig sei. Gegen diese Darstellung will das Unternehmen rechtlich vorgehen. Die Einschätzung, dass Schokolade von Ritter Sport wegen falscher Deklaration nicht verkehrsfähig sei, könne die Firma nicht teilen. Einen ersten Erfolg hat der Hersteller bereits erzielt: Die aufgestellte Behauptung der Stiftung Warentest ist nach Einschätzung des Landgerichts München falsch. Dem Antrag von Ritter Sport auf einstweilige Verfügung ist deshalb stattgegeben worden.
Im vergangenen Jahr musste die Süßwarenindustrie schon einmal einen bitteren Drops der Stiftung Warentest lutschen. Die hatte Ende November einen Test veröffentlicht, demzufolge die Schokolade in neun von 24 Adventskalendern mit Ölrückständen verunreinigt war. Ritter Sport hatte bei dem Test im Übrigen gut abgeschnitten. Nachdem die Stiftung vor dem Kauf der Kalender gewarnt hatte, brach der Absatz von Adventskalendern stark ein. Nach Informationen der Zeitung „Die Welt“ erlitt die Süßwarenindustrie dadurch einen „Millionenschaden“, einzelne Hersteller seien von Summen zwischen wenigen zehntausend und mehreren Hunderttausend Euro betroffen. Daraufhin hatten verschiedene Unternehmen Klagen angekündigt, passiert ist bislang allerdings nichts.
Die Stiftung Warentest sieht einer möglichen Klage von Ritter Sport in jedem Fall sehr gelassen entgegen, wie Pressesprecherin Heike von Laak sagt. „Wir haben vier bis fünf Klagen im Jahr“, erzählt sie. Das letzte Mal, dass die Stiftung ein Urteil revidieren und sich entschuldigen musste, sei in den 1990er Jahren der Fall gewesen. Schadenersatz musste die Stiftung Warentest noch nie zahlen.
Wasserdichte Testurteile
Das liege daran, dass die Urteile der Stiftung wasserdicht seien: „Jedes Urteil muss vor Gericht bestehen können“, bestätigt von Laak von der Stiftung Warentest. „Wir wissen, dass Unternehmen, die ein schlechtes Ergebnis bekommen, damit vor Gericht gehen können, deshalb arbeitet auch nie nur eine Person an einem Urteil“, erklärt von Laak weiter. Im Schnitt überprüfen acht bis neun Leute die entsprechenden Produkte auf ihre Qualität. Die Tests erfolgen gemäß der Satzung der Stiftung Warentest nach klaren Regeln und einem festgelegten Prozedere. Das Testverfahren ist außerdem durch Deutsche Industrie-Normen geregelt. Aus diesem Grund bezeichnete auch der Rechtsanwalt Roland Schimmel die Stiftung Warentest in einem Artikel als starken Gegner vor Gericht. Gegenüber dem Legal Tribune sagte er, dass Klagen gegen die Stiftung Warentest keine Chance hätten. „Die Stiftung Warentest wird seit ihrer Gründung im Jahr 1964 immer wieder gerichtlich in Anspruch genommen. Bislang ist es keinem Unternehmen gelungen, Schadensersatz zu erstreiten“, so der Experte für Wirtschaftsprivatrecht und Bürgerliches Recht.
Diese Erfahrung mussten bereits einige Unternehmen machen. So hatte die Stiftung in der Juli-Ausgabe 2008 ihrer Zeitschrift test das Kinderlaufrad Puky LR1 mit „mangelhaft“ bewertet, weil in den Reifen des Rades krebserregende Stoffe (polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe) gefunden worden waren. Die Firma Puky hatte daraufhin vor dem Landgericht Berlin geklagt. Ohne Erfolg: Die Einschätzung der gemessenen Werte als zu hoch sei gerechtfertigt und die Bewertung der Schadstoffbelastung in Reifen des Kinderlaufrades nicht zu beanstanden. Auch die Schauspielerin Uschi Glas musste eine Schlappe im Kampf gegen ein Urteil der Stiftung Warentest hinnehmen. Sie hatte 2005 gegen die Stiftung geklagt, weil diese die Hautcreme "Hautnah Face Cream" als "mangelhaft" eingestuft hatte. Die Creme könne Pusteln, Juckreiz oder schuppige Haut verursachen. Daraufhin war der Umsatz an den über einen TV-Sender vertriebenen Produkten deutlich zurückgegangen. Das Landgericht Berlin hatte die Klage zurück gewiesen.
Und auch in jüngster Zeit haben Unternehmen zumindest überlegt, die Stiftung vor den Kadi zu zerren: Zuletzt spielten die E-Bike-Hersteller Derby Cycle, Biketec und Bosch mit dem Gedanken, weil ihre Produkte in der Juni-Ausgabe der Warentest-Zeitschrift schlecht abschnitten. In dem Test waren insgesamt neun Räder mit mangelhaft und zwei mit gut bewertet worden. Die Betroffenen behaupteten, dass die Versuchsanordnungen sowie die Ergebnisse und deren Interpretation fehlerhaft gewesen seien. Der Schweizer Hersteller Biketec gab Ende Oktober 2013 bekannt, dass er sich wegen eines Schadens in zweistelliger Millionenhöhe Schadenersatzklagen gegen die Tester vorbehalte. Wie bei Ritter Sport stehen auch für den E-Bike-Produzenten die Chancen eher schlecht. „Mittlerweile warnt auch der BDI vor Klagen gegen die Stiftung Warentest“, weiß von Laak.