Klagen gegen Stiftung Warentest Ritter Sport erwirkt einstweilige Verfügung

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Wasserdichte Testurteile

Quadratisch, praktisch, 100 Jahre alt
Waldenbuch, im Juni 2012 – Waldenbuch ist eine Kleinstadt im schwäbischen Landkreis Böblingen. Sie hat eine historische Stadtkirche, ein Schloss und etwa 8.500 Einwohner. Und Waldenbuch hat Ritter Sport. Seit 1930 produziert das Familienunternehmen seine Schokolade am Rand des Naturparks Schönbuch, was man bei gutem Wetter im ganzen Ort riechen kann. Jeden Tag verlassen 2,5 Millionen Tafeln das Schokoladenwerk in Waldenbuch. Quelle: dpa
Die Geschichte des Unternehmens beginnt aber in Stuttgart-Bad Cannstatt – vor genau 100 Jahren. Drei Generationen der Familie Ritter haben der Schokolade in diesem Firmen-Jahrhundert ihre ganz eigene Handschrift verliehen.Bildquelle: PR
Der Grundstein für Ritter Sport ist die Liebe: Der Konditor Alfred Eugen Ritter (siehe Bild) und Clara Göttle, Inhaberin eines Süßwarengeschäfts, heiraten 1912 und gründen ihre Schokolade- und Zuckerwarenfabrik in Stuttgart-Bad Cannstatt.Bildquelle: PR
Schokolade ist zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein gefragtes Gut und die Mitarbeiterzahl wächst schnell. 1930 zieht die Firma aus Platzgründen ins ländliche Waldenbuch. Zwei Jahre später entsteht das zentrale Markenzeichen von Ritter Sport: Clara Ritter hat die Idee, eine Schokolade in Quadratform herzustellen. Sie hat bei den örtlichen Fußball-Anhängern beobachtet, dass die üblichen Schokolade-Langtafeln in ihren Jackettaschen zerbrechen. Deshalb werden die Tafeln in der neuen und damals revolutionären Form „Ritter’s Sport Schokolade“ getauft.Bildquelle: PR
Nach dem Kriegsende 1945 laufen die Maschinen wieder an und 1950 nimmt die Produktion volle Fahrt auf. Nach dem Tod von Firmengründer Alfred Eugen Ritter übernimmt dessen Sohn Alfred Otto 1952 die Leitung des Betriebes in zweiter Generation. Auf dem Bild: Historische Luftaufnahme der Fabrik in Waldenbuch.Bildquelle: PR
In den fünfziger Jahren macht sich das westdeutsche Wirtschaftswunder auch beim Schokoladeproduzenten in Waldenbuch bemerkbar. 1954 zählt der Betrieb über 100 Beschäftigte. 1960 beschließt das Unternehmen, sich auf die quadratischen Tafeln zu konzentrieren.Bildquelle: PR
Bundesweit bekannt wird Ritter Sport ab 1970 mit der Erfindung der ersten Joghurtschokolade Deutschlands und der Fernsehwerbung mit dem einprägsamen Slogan „Quadratisch. Praktisch. Gut“.Bildquelle: PR

Das liege daran, dass die Urteile der Stiftung wasserdicht seien: „Jedes Urteil muss vor Gericht bestehen können“, bestätigt von Laak von der Stiftung Warentest. „Wir wissen, dass Unternehmen, die ein schlechtes Ergebnis bekommen, damit vor Gericht gehen können, deshalb arbeitet auch nie nur eine Person an einem Urteil“, erklärt von Laak weiter. Im Schnitt überprüfen acht bis neun Leute die entsprechenden Produkte auf ihre Qualität. Die Tests erfolgen gemäß der Satzung der Stiftung Warentest nach klaren Regeln und einem festgelegten Prozedere. Das Testverfahren ist außerdem durch Deutsche Industrie-Normen geregelt. Aus diesem Grund bezeichnete auch der Rechtsanwalt Roland Schimmel die Stiftung Warentest in einem Artikel als starken Gegner vor Gericht. Gegenüber dem Legal Tribune sagte er, dass Klagen gegen die Stiftung Warentest keine Chance hätten. „Die Stiftung Warentest wird seit ihrer Gründung im Jahr 1964 immer wieder gerichtlich in Anspruch genommen. Bislang ist es keinem Unternehmen gelungen, Schadensersatz zu erstreiten“, so der Experte für Wirtschaftsprivatrecht und Bürgerliches Recht.

Diese Erfahrung mussten bereits einige Unternehmen machen. So hatte die Stiftung in der Juli-Ausgabe 2008 ihrer Zeitschrift test das Kinderlaufrad Puky LR1 mit „mangelhaft“ bewertet, weil in den Reifen des Rades krebserregende Stoffe (polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe) gefunden worden waren. Die Firma Puky hatte daraufhin vor dem Landgericht Berlin geklagt. Ohne Erfolg: Die Einschätzung der gemessenen Werte als zu hoch sei gerechtfertigt und die Bewertung der Schadstoffbelastung in Reifen des Kinderlaufrades nicht zu beanstanden. Auch die Schauspielerin Uschi Glas musste eine Schlappe im Kampf gegen ein Urteil der Stiftung Warentest hinnehmen. Sie hatte 2005 gegen die Stiftung geklagt, weil diese die Hautcreme "Hautnah Face Cream" als "mangelhaft" eingestuft hatte. Die Creme könne Pusteln, Juckreiz oder schuppige Haut verursachen. Daraufhin war der Umsatz an den über einen TV-Sender vertriebenen Produkten deutlich zurückgegangen. Das Landgericht Berlin hatte die Klage zurück gewiesen.

Und auch in jüngster Zeit haben Unternehmen zumindest überlegt, die Stiftung vor den Kadi zu zerren: Zuletzt spielten die E-Bike-Hersteller Derby Cycle, Biketec und Bosch mit dem Gedanken, weil ihre Produkte in der Juni-Ausgabe der Warentest-Zeitschrift schlecht abschnitten. In dem Test waren insgesamt neun Räder mit mangelhaft und zwei mit gut bewertet worden. Die Betroffenen behaupteten, dass die Versuchsanordnungen sowie die Ergebnisse und deren Interpretation fehlerhaft gewesen seien. Der Schweizer Hersteller Biketec gab Ende Oktober 2013 bekannt, dass er sich wegen eines Schadens in zweistelliger Millionenhöhe Schadenersatzklagen gegen die Tester vorbehalte. Wie bei Ritter Sport stehen auch für den E-Bike-Produzenten die Chancen eher schlecht. „Mittlerweile warnt auch der BDI vor Klagen gegen die Stiftung Warentest“, weiß von Laak.

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