Kontenabfrage Behörden kennen immer mehr Privatkonten

Seit 2008 hat sich die Zahl der Kontenabfragen bei Privatpersonen mehr als verdoppelt, für immer mehr Behörden entwickelt sie sich zur Routine. Alles dürfen sie zwar nicht, aber Datenschützer kritisieren die gängige Praxis.

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EC-Karten in einem Portemonnaie Quelle: dapd

So privat, wie die Bezeichnung glauben macht, sind Privatkonten gar nicht. Denn insbesondere Finanz- sowie einige weitere Behörden können seit Jahren schnell und einfach prüfen, wer welche Konten wo hat. Und von Jahr zu Jahr machen die Behörden lebhafteren Gebrauch von dieser Möglichkeit, die ihnen 2005 eingeräumt wurde.

Seit 2008 hat sich die Anzahl der Kontoabfragen zu Privatpersonen mehr als verdoppelt. Allein gegenüber dem Vorjahr stieg ihre Zahl um 15,5 Prozent auf mehr als 72.000. Allein im Dezember gingen pro Arbeitstag durchschnittlich 481 Anfragen beim Bundeszentralamt für Steuern ein.

Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar zeigt sich von dieser Entwicklung zunehmend alarmiert. Gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung forderte Schaar, die Kontoabfragen müssten wieder zur Ausnahme werden. Der Umgang mit der Kontodatenabfrage gehöre auf den Prüfstand.

Infos zur Kontoabfrage

Ohne konkrete Anhaltspunkte für Steuerhinterziehung, Sozialbetrug oder erhebliche Straftaten sollten Schaar zufolge Abfragen zu den Kontostammdaten nicht gestattet sein. „Derzeit erfährt der Betroffene häufig noch nicht einmal von der Abfrage“, zitiert die Zeitung den Bundesdatenschutzbeauftragten.

Gesetzlich vorgeschrieben ist jedoch, dass die Behörden zunächst den Betroffenen um Auskunft ersuchen sollen und die automatisierte Kontenabfrage ankündigen. Nachdem die Kontenabfrage erfolgt ist, muss die betroffene Privatperson in jedem Fall informiert werden, etwa im Steuerbescheid. Das scheint jedoch in vielen Fällen nicht zu passieren.

Konten und Depots

Briefkasten eines Finanzamts Quelle: dpa

Anders als beim gezielten Abruf von Kontoinformationen etwa durch Polizei und Staatsanwaltschaften erhalten die Finanzbehörden bei der automatisierten Kontenabfrage lediglich Auskunft darüber, welche Konten und Depots eine Privatperson hat. Die sogenannten Kontostammdaten geben Auskunft über die jeweiligen Konto- und Depotnummern, das Datum der Einrichtung und gegebenenfalls der Auflösung, sowie Namen, Geburtsdaten und Adressen der Kontoinhaber und Verfügungsberechtigten.

Wie viel Geld oder welche Wertpapiere auf dem Konto sind, erfahren die Behörden ebenso wenig wie einzelnen Kontobewegungen. Um an diese Informationen zu gelangen ist der dringende Verdacht auf eine Gesetzwidrigkeit vonnöten. Stellt sich also bei der standardisierten Kontenabfrage heraus, dass Konten und Depots nicht angegeben wurden, wird die Person zunächst um weitere Aufklärung gebeten. Erhärtet sich der Verdacht auf Steuerbetrug, kann das Finanzamt von den jeweiligen Banken die Offenlegung der Guthaben und Geldbewegungen verlangen.

Dabei kann nicht jedes einzelne Finanzamt und nicht jede Sozialbehörde einfach per Knopfdruck - aus purer Neugier - Konto-Stammdaten abfragen. Der Zugriff auf den Datenpool erfolgt über das Bundeszentralamt für Steuern, das von den Banken die Daten zu jeder Kontoeröffnung, -änderung oder -auflösung erhält.

Der weitaus größte Teil der Abfrage von Kontostammdaten erfolgt durch die Finanzbehörden. Im Jahr 2011 stammten lediglich 15 Prozent der Abfragen von Sozialbehörden wie BAföG-Stellen, Sozialämtern und Wohngeldstellen. Inzwischen dürfen allerdings auch das Bundesamt für Justiz und die Arbeitsagenturen ohne Anhaltspunkte auf gesetzwidriges Verhalten die Bürger nach ihren Konten durchleuchten. Neu hinzugekommen sind zum Jahresbeginn 2013 außerdem Gerichtsvollzieher.

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