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Koordinierungswirrwarr Konzerninsolvenzrecht führt zu Chaos

Das geplante Konzerninsolvenzrecht ist gut gemeint, aber schlecht gemacht. Bei Großpleiten droht Koordinierungswirrwarr.

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Das geplante Konzerninsolvenzrecht ist gut gemeint, aber schlecht gemacht. Quelle: Fotolia

Was taugt der Gesetzesentwurf zur Abwicklung von Konzerninsolvenzen? Herzlich wenig. Lange mussten die deutschen Insolvenzverwalter warten, bis sich das Bundesjustizministerium überhaupt mit den spezifischen Problemen von Konzernzusammenbrüchen auseinandergesetzt hat. Das Resultat der Bemühungen, das heute vom Bundeskabinett in Form eines "Gesetzes zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen" auf den Weg gebracht werden soll, ist nicht nur überschaubar, sondern bestens dazu geeignet, für zusätzliche Reibungs- und Zeitverluste zu sorgen, die Verfahrenskosten nach oben zu treiben und das innerdeutsche Forum shopping zu befördern.

In diesen Branchen gehen die meisten Firmen pleite
Platz 10: Finanz- und Versicherungsdienstleistungen2011 wurde in dieser Branche 902 Insolvenzen registriert. Quelle: Fotolia
Platz 9: Grundstücks- und WohnungswesenDie Branche hat im vergangenen Jahr 1152 Unternehmenspleiten gezählt. Quelle: Fotolia
Platz 8: Sonstige DienstleistungenBei diesen Dienstleistungen (Verbände, Interessensvertretungen, Reparatur von Gebrauchsgütern, Frisöre & Kosmetiksalons) wurden im Jahr 2011 1166 Insolvenzen registriert. Quelle: dpa
Platz 7: Verkehr und LagereiDie Transportbranche (Güter & Personen) zählte im vergangenen Jahr 2 162 Insolvenzen. Quelle: dpa
Platz 6: Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden, Verarbeitendes GewerbeDie Branche musste im Jahr 2011 2 267 Insolvenzen erleiden. Quelle: dpa
Platz 5: Sonstige wirtschaftliche DienstleistungenDas Geschäft mit Videotheken, Verleihung von Gebrauchsgütern sowie von Arbeitskräften lief 2011 nicht gut - 2 558 Insolvenzen wurden hier gemessen. Insgesamt hat die gesamte Dienstleistungsbranche den höchsten Anteil von Firmenpleiten im Jahr 2011 - 34,9 Prozent aller zahlungsunfähigen Unternehmen stammen aus diesem Wirtschaftszweig. Quelle: dpa
Platz 4: Freiberufliche, wissenschaftliche und technische DienstleistungenWirtschaftsprüfer, Kanzleien, Ingenieursbüros, usw. - im Jahr gab es in diesem Bereich bis zu 3 128 Pleiten. Quelle: Fotolia

Dabei waren die Grundkonflikte - und damit der Regelungsbedarf - zwischen dem klassischen Insolvenzrecht und den Erfordernissen bei Konzerninsolvenzen klar abgesteckt: Das Insolvenzrecht ist auf Einzelunternehmen zugeschnitten. Für jeder insolvente Gesellschaft wird jeweils ein Verfahren eröffnet und ein Verwalter bestellt. Bricht ein Konzern mit Dutzenden Tochtergesellschaften zusammen, kann sich das Bestellprozedere theoretisch entsprechend oft wiederholen. Die einzelnen Gesellschaften eines Konzerns können in der Praxis aber nur schwer isoliert betrachtet werden, zu eng sind allein schon Zahlungsströme und gegenseitige Dienstleistungen innerhalb einer Unternehmensgruppe verquickt.  Den Verkauf, die Sanierung oder die Abwicklung eines Konzerns sollte also über einen einzigen Verwalter erfolgen, der sämtliche Auswirkungen von Entscheidungen für die Konzerngesellschaften im Blick hat. In der Praxis wurde die Idee bei Großpleiten wie Arcandor, Schlecker oder Neckermann oft umgesetzt. Die Gerichte eröffneten zwar  separate Verfahren für die betroffenen Gesellschaften, bestellten in der Regel aber die gleichen Verwalter oder Kollegen aus einer Kanzlei. Eine klare Gesetzesgrundlage für das Vorgehen fehlte jedoch. Zudem zeigte jüngst das Praktiker-Verfahren, dass die Verwalterkonstellation bei Konzerninsolvenzen durchaus auch anderen Spielregeln folgt.

Genau das sollte das neue Konzerninsolvenzrecht, so die Hoffnung in der Saniererbranche, eigentlich beseitigen und einheitliche Regeln festlegen. Doch statt klarer Ansagen glänzt der Entwurf mit schwammigen Formulierungen, die - sollte das Gesetz dereinst den Bundestag passieren - noch für reichlich Ärger sorgen dürften, jahrelanger Auslegungs- und Umgehungshickhack inklusive. Denn der simple Grundsatz 'ein Konzern, ein Verwalter' wird darin allenfalls als frommer Wunsch formuliert, der Rest den Beteiligten überlassen. Mögliche Anfechtungskonflikte hätten - wie bisher - über Sonderinsolvenzverwalter gelöst werden können. Stattdessen sollen nun allerlei Koordinierungsgremien die zu erwartenden Probleme lösen, dürften neben Kosten aber primär Chaos verursachen. So soll im Zweifel ein Koordinierungsverwalter eingesetzt werden, der eine Art Masterplan erstellt, an dem sich seine beteiligten Kollegen orientieren sollen. Was passiert, wenn Verwalter - deren Ego oft mindestens genauso groß ist, wie ihr Einsatz für den Fall - nicht mitziehen, bleibt offen.

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