Einstmals galt das Auto als das deutsche Statussymbol schlechthin. Das hat sich geändert: Gerade junge Städter setzen lieber auf Carsharing oder den öffentlichen Nahverkehr. Das hat ideologische, aber auch finanzielle Gründe: Autos gelten als teurer als die Alternativen. Aber sind sie das wirklich? Für alle?
Eine erste Annäherung bieten neue Rechnungen der Vergleichsplattform Verivox. Die hat exemplarisch berechnet, wie viel Singles und Familien in einer Stadt für ein Leben mit respektive ohne Auto bezahlen müssten.
Szenario 1: Die vierköpfige Familie
Im ersten Szenario ging es dabei um eine vierköpfige Familie, die in Berlin wohnt. Ein Elternteil nutzt das Auto, um zur Arbeit zu kommen und kleinere Besorgungen zu erledigen sowie für Ausflüge und den gemeinsamen Familienurlaub einmal im Jahr. Hinzu kommen Fahrkarten des öffentlichen Nahverkehrs für das zweite Elternteil und beide Kinder, da das Auto ja tagsüber bei Elternteil eins an der Arbeitsstelle geparkt ist. Die Gesamtkosten dieses Szenarios belaufen sich laut Verivox auf 6256 Euro pro Jahr. Darin enthalten sind Spritkosten, Werkstatt, Wertverlust, Nahverkehr sowie Steuer und Versicherungen.
Möchte auch das zweite Elternteil lieber ein Auto fahren als mit dem Nahverkehr, so steigen die Kosten deutlich an. Da nur der Nahverkehr günstiger wird, alle anderen Punkte jedoch deutlich ansteigen, müsste die Familie hier jedes Jahr 7539 Euro zahlen. Kostenpflichtige Park- oder Tiefgaragenplätze, wie sie in vielen Städten nötig wären, sind hier noch nicht einmal mit eingerechnet.
Am günstigsten kommt die Familie der Berechnung zufolge weg, wenn sie ganz auf Carsharing, Mietwagen und den öffentlichen Nahverkehr setzt. Der Nahverkehr würde für die Arbeits- und Schulwege genutzt, das Carsharing für kleinere Besorgungen und der Mietwagen für Ausflüge und den Urlaub. Insgesamt kommt die Familie hier auf Ausgaben in Höhe von 6132 Euro im Jahr. Rein finanziell betrachtet lohnt sich ein Auto für die Beispiel-Stadtfamilie also nicht.
Die Rechnungen zu Szenario 1 im Detail:
Grundannahmen:
- Familie, zwei Kinder, 8 und 10 Jahre alt
- 10 km einfacher Arbeitsweg pro Elternteil (220 Arbeitstage pro Jahr)
- eine weitere Kurzstrecke pro Woche (Hin- und Rückfahrt je 10 km)
- ein größerer Ausflug pro Monat (Hin- und Rückfahrt je 300 km)
- eine Urlaubsreise (Hin- und Rückfahrt je 1000 km) pro Jahr
Variante 1: ein Auto Mittelklassewagen | |
Posten | Betrag |
Kfz-Steuer & -Versicherung | 1027,42 € |
Spritkosten | 998,64 € |
Werkstatt | 1128,00 € |
Wertverlust pro Jahr | 1896,00 € |
ÖPNV (1 Erw., 2 Kinder) | 1206,00 € |
Gesamt | 6256,06 € |
Variante 2: zwei Autos Mittelklassewagen | ||
Posten | Mittelklassewagen 15.000 km Laufleistung | Kleinwagen 5.000 km Laufleistung |
Kfz-Steuer & -Versicherung | 1027,42 € | 293,60 € |
Spritkosten | 998,64 € | 382,47 € |
Werkstatt | 1128,00 € | 720,00 € |
Wertverlust pro Jahr | 1896,00 € | 648,00 € |
ÖPNV (2 Kinder) | 445,00 € | |
Gesamt | 7539,13 € |
Variante 3: kein Auto ÖPNV (Arbeits- und Schulwege) | |
Posten | Betrag |
ÖPNV (Eltern) | 1522,00 € |
ÖPNV (Kinder) | 445,00 € |
Carsharing | 1456,00 € |
Mietwagen | 2149,89 € |
Spritkosten | 558,77 € |
Gesamt | 6131,66 € |
Szenario 2: Der Single
Bei einem Single fällt der Unterschied noch deutlicher aus. Auch hier hat Verivox wieder ähnliche Grundannahmen gesetzt: den Weg zur Arbeit, kleinere Besorgungen, größere Ausflüge und einen Urlaub im Jahr. Erledigt der Single all diese Dinge mit dem Auto, muss er der Berechnung zufolge 4443 Euro im Jahr zahlen. Mit einer Mischung aus öffentlichen Verkehrsmitteln, Mietwagen und Carsharing käme er hingegen nur auf 3893 Euro. Der Single spart also 550 Euro, wenn er auf ein eigenes Auto verzichtet. Die Kosten für einen Parkplatz blieben auch hier unberücksichtigt. Ist kein kostenloser Parkplatz verfügbar, lohnt sich für den Single ein Auto somit noch weniger.
Die Rechnungen zu Szenario 2 im Detail:
Grundannahmen:
- Single
- 10 km einfacher Arbeitsweg (220 Arbeitstage pro Jahr)
- eine weitere Kurzstrecke pro Woche (Hin- und Rückfahrt je 10 km)
- ein größerer Ausflug pro Monat (Hin- und Rückfahrt je 300 km)
- eine Urlaubsreise (Hin- und Rückfahrt je 1000 km) pro Jahr
Variante 1: Auto Mittelklassewagen | Variante 2: kein Auto ÖPNV (Arbeitsweg) | |||
Steuer | 244,00 € | ÖPNV | 761,00 € | |
Versicherung | 740,58 € | Carsharing | 1372,80 € | |
Sprit | 805,92 € | Mietwagen (inkl. Sprit) | 1353,87 € | |
Werkstatt | 1056,00 € | Bahn | 322,30 € | |
Wertverlust | 1596 € | Fernbus | 82,96 € | |
Gesamt | 4442,50 € | Gesamt | 3892,93 € |
Kosten nach Kilometern
Ein anderer Ansatz ist, die Kosten eines Autos nicht nach Familiensituation, sondern rein nach gefahrenen Kilometern zu ermitteln. Die WirtschaftsWoche hat schon vor einigen Jahren ausrechnen lassen, wie viel ein gebrauchter Klein- bis Mittelklassewagen bei verschiedenen Strecken an Versicherung, Steuer, Reparatur, Wertverlust und Sprit kostet. Das Ergebnis war eindeutig: Bis zu einer gefahrenen Strecke von 11.250 Kilometern war das eigene Auto teurer als die Alternative mit Carsharing oder Mietwagen. Bei einer Strecke von 10.000 Kilometern schlug das Auto mit knapp 270 Euro mehr zu Buche, bei 5000 Kilometern waren es sogar 1085 Euro. Zur Einordnung: Nur etwa jeder zweite Deutsche fährt überhaupt mehr als 10.000 Kilometer im Jahr mit dem Auto, nur jeder Vierte mehr als 15.000 Kilometer. Auch anhand der Strecke bietet sich also ein deutliches Bild – und das lässt das eigene Auto eher schlecht aussehen.
Das Problem ist nur, dass diese Rechnungen so isoliert in den Raum gestellt wenig aussagen. Zum einen ist für viele Deutsche das Auto immer noch ein hochemotionales Thema. Wer sein Auto als zweites Wohnzimmer begreift oder als Statussymbol, dem ist es nicht so wichtig, ob er ohne Auto ein paar Euro sparen kann. Zum anderen, und das ist der gewichtigere Aspekt, haben viele Menschen gar keine Wahl zwischen Auto oder keinem Auto. Carsharing gibt es vor allem in den Großstädten und auch der öffentliche Nahverkehr ist auf dem Land nicht so breit aufgestellt, wie viele es sich wünschen würden. Wer jedoch in einem Dorf wohnt, in dem nur zweimal am Tag ein Bus hält, der wird nicht auf sein Auto verzichten wollen. Der kann es auch gar nicht.