Krankheits- und Prozesskosten Großer Steuervorteil durch neue Rechenregel

Ein aktuelles Urteil des Bundesfinanzhofs sorgt für eine große Entlastung vieler Steuerzahler. Dabei geht es etwa um Krankheits- oder Prozesskosten.

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Gerichtsverfahren sind oft langwierig und teuer - Unterstützung vom Fiskus gibt es selten. Quelle: dpa

Es kommt nicht alle Tage vor, dass der Bundesfinanzhof – und damit die oberste Instanz in steuerlichen Streitfragen – ein Urteil fällt, dass große Breitenwirkung hat und zudem noch zu Gunsten der Steuerzahler ausgeht. Umso größer dürfte die Freude vieler Betroffener sein.

Im aktuellen Fall geht es um alle Steuerzahler, die außergewöhnliche Belastungen in ihrer Steuererklärung angeben. Dank des aktuellen Urteils können sie nun deutlich mehr abziehen. Zu den außergewöhnlichen Belastungen zählen Krankheits- oder Prozesskosten, wenn diese nicht anderweitig steuerlich berücksichtigt werden müssen, etwa wegen eines beruflichen Zusammenhangs als Werbungskosten. Solche, eigentlich rein privat bedingten Ausgaben können dann als außergewöhnliche Belastung verrechnet werden.

Dafür gelten nur drei Bedingungen:
1. Die Ausgaben müssen tatsächlich außergewöhnlich sein, dürfen also nicht von sehr vielen Steuerzahlern zu tragen sein.
2. Sie müssen zwangsläufig entstanden sein, sodass der Steuerzahler sie nicht vermeiden konnte.
3. Außerdem müssen sie – auch von der Höhe her - notwendig und angemessen sein. Bei Krankheitskosten ist daher zum Beispiel ein ärztliches Attest nötig, um zu belegen, dass die Ausgaben wirklich notwendig sind. Bei umstrittenen Behandlungen, etwa alternativen Heilmethoden, ist ein vorab ausgestelltes, amtsärztliches Gutachten oder eine Bescheinigung des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse nötig. Sind Krankheitskosten als zwangsläufig anerkannt, kann das Finanzamt die Höhe der Ausgaben in der Regel nicht als unzulässig einstufen.

Von den als außergewöhnliche Belastung akzeptierten Ausgaben wird allerdings immer ein selbst zu tragender Anteil abgezogen, die „zumutbare Belastung“. Und genau an dieser Stelle setzt das neue Urteil des Bundesfinanzhofs an.

Bislang war deren Berechnung eindeutig: Sie errechnete sich als fester Prozentsatz der Gesamteinkünfte. Der Prozentwert hängt von Familienstand, Anzahl der Kinder und Höhe der Einkünfte ab und ist gesetzlich festgelegt. Steuerzahler mit einem oder zwei Kindern und über 51.130 Euro an Einkünften mussten bislang zum Beispiel außergewöhnliche Belastungen von bis zu vier Prozent ihrer Einkünfte komplett selbst tragen. Erst danach ergab sich ein Steuervorteil.

Nun entschied der Bundesfinanzhof (BFH) jedoch, dass anders gerechnet werden müsse – und das ist durchaus ein Paukenschlag. Die Richter gaben den Finanzämtern vor, dass künftig schrittweise die Prozentwerte je nach Einkommenshöhe angesetzt werden müssten (VI R 75/14). So seien von den ersten 15.340 Euro nur zwei Prozent aufzubringen (306,80 Euro), von den nächsten 35.790 Euro drei Prozent (1073,70 Euro) und erst darüber vier Prozent. Bei Einkünften von 51.835 Euro – wie im konkreten Fall – sind daher statt der bislang mit pauschalen vier Prozent errechneten 2073,40 Euro nur noch 1408,70 Euro selbst zu tragen.

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Die Folgen des Urteils sind weitreichend und positiv. Im geschilderten Fall ergäben sich bei 30 Prozent Grenzsteuersatz knapp 200 Euro Steuervorteil. In vielen Fällen können nun auch außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht werden, die bislang steuerlich gar keine Auswirkungen hatten, weil die zumutbare Belastung nach der alten Berechnungsmethode noch nicht überschritten wurde.

Betroffene sollten bei allen Steuerbescheiden, die noch nicht bestandskräftig sind, daher Einspruch einlegen und auf die neue Berechnungsmethode hinweisen. Normalerweise bleibt dafür nach Erhalt des Steuerbescheids nur ein Monat Einspruchsfrist. Unter Umständen ist der Steuerbescheid hinsichtlich der außergewöhnlichen Belastung aber vom Finanzamt selbst nur vorläufig ergangen – das steht in den Anmerkungen unter dem Steuerbescheid. Dann können Steuerzahler versuchen, auf diesem Wege auch bei einem älteren Steuerbescheid über einen „Antrag auf Änderung“ noch die Korrektur vornehmen zu lassen.

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