Kündigungswelle bei Bausparkassen Was Bausparer wissen müssen

Immer mehr Bausparkassen kündigen langjährigen Kunden die Verträge. Schuld sind die anhaltenden Niedrigzinsen. Was Bausparer und solche, die es werden wollen, jetzt wissen müssen.

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Bausparvertrag Quelle: dpa

Dass Finanzdienstleister langjährige Kunden loswerden wollen, gehört zu den ungewöhnlichen Entwicklungen, die die Niedrigzinsen mit sich bringen. Seit einem Jahr machen hierbei neben den Lebensversicherern vor allem die Bausparkassen Schlagzeilen, weil sie zunehmend Kunden die Verträge kündigen, die ihren Bausparvertrag vorrangig als hochverzinstes Sparvehikel nutzen, anstatt damit eine Immobilie zu finanzieren.

Wem solch ein Schreiben der Bausparkasse ins Haus flattert, muss das nicht klaglos hinnehmen. Worauf Bausparer jetzt achten sollten und in welchen Fällen sie sich gegen eine Vertragskündigung durch die Bausparkasse wehren können, haben wir für Sie zusammengestellt:

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Wie ist die Lage derzeit?

Dieser Tage bekommen erneut Tausende Bausparer Post von ihrer Bausparkasse. Derzeit sind das etwa Kunden der Bausparkasse Wüstenrot. Nach deren Angaben handelt es sich um ein Prozent der Kunden - das sind immerhin rund 30.000 Verträge.

Auch die Landesbausparkasse (LBS) Baden-Württemberg wies Ende des Jahres 22.000 Kunden schriftlich darauf hin, dass sie kündigen will, wie ein Sprecher bestätigt. Ihm zufolge handelt es sich dabei um Verträge, die seit zehn oder mehr Jahren zuteilungsreif sind - für die also längst ein Darlehen in Anspruch genommen werden kann. Die LBS Bayern und Nordrhein-Westfalen handelten ähnlich.

Die Bausparkasse BHW hatte kürzlich ebenfalls 25.000 Verträge gekündigt, bei denen Kunden seit mehr als zehn Jahren kein Darlehen in Anspruch genommen hatten.

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Wie viele Bausparer trifft die Kündigungswelle?

Die kursierenden Zahlen zu den betroffenen Bausparern schwanken gehörig: von mehr als 40.000 gekündigten zuteilungsreifen Verträgen seit 2013 spricht etwa das Fachmedium „Der Versicherungsbote“. Nach Zählung der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" sind es bislang mehr als 120.000 Kündigungen und Kündigungsandrohungen, laut Finanzberatermagazin "Procontra" erhielten mehr als 150.000 Bausparer ein Kündigungsschreiben oder die Aufforderung, sich bei ihrer Bausparkasse zu melden. Bei den Bausparkassen, von deren Kündigungen die Öffentlichkeit erfahren hat, waren bisher zwischen 0,2 und 1,0 Prozent der Kunden betroffen. Aber es ist davon auszugehen, dass künftig noch mehr Kunden von den Bausparkassen Post bekommen werden.

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Warum kündigen Bausparkassen langjährigen Kunden?

Alte Bausparverträge mit einer im Vergleich zu heute hohen Verzinsung sind vielen Anbietern inzwischen schlicht zu kostspielig. In den Neunzigerjahren bekamen Bausparer auf ihr angespartes Guthaben durchaus vier Prozent Zinsen und mehr. Bei neuen Verträgen liegen die Zinsen heute im Durchschnitt nur noch um 0,25 Prozent.

Das Problem der Bausparkassen: Für das angelegte Kapital bekommen die Anbieter selbst kaum Zinsen, da sie zum Schutz der Sparguthaben nur in besonders risikoarme Wertpapiere investieren dürfen. Die Ausgaben für die Verzinsung alter Verträge sind somit höher als Einnahmen am Kapitalmarkt.

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Welchen Bausparern droht die Kündigung?

Betroffen sind vor allem Kunden, die das vorgesehene Darlehen nicht nutzen oder die vereinbarte Sparsumme schon überschritten haben und nun das Geld in ihrem Bausparvertrag stehen lassen, um von den hohen Guthabenzinsen zu profitieren. Als hierzulande im Zuge der Finanzkrise die Zinsen – insbesondere für Bauspardarlehen – deutlich sanken, lockten die Bausparkassen sogar vermehrt Sparer, die gar nicht zwingend ein günstiges Baudarlehen wollten, sondern nur eine gut verzinste und sichere Sparmöglichkeit suchten. Vereinzelt warben die Bausparkassen sogar mit einer Rückerstattung der Abschlussgebühr von einem Prozent, wenn das Baudarlehen nicht abgerufen wird.

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Ist eine Kündigung durch die Bausparkasse rechtens?

Die Experten sind sich in dieser Frage uneins. Gemeinhin gelten die Kündigungen als rechtlich sauber, wenn die gesamte Bausparsumme bereits angespart wurde, aber nicht zum Immobilienkauf genutzt wird. Sinn und Zweck des Bausparens ist gemeinhin die Inanspruchnahme eines Bauspardarlehens nach der Sparphase. Ist die gesamte Bausparsumme jedoch schon angespart, ist das Darlehen obsolet, die Bausparkasse kann das beabsichtigte Kreditgeschäft nicht machen. Die meisten Kommentatoren gehen daher davon aus, dass eine Kündigung durch die Bausparkasse in solchen Fällen rechtens ist. Eine höchstrichterliche Rechtsprechung dazu fehlt bislang.

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Darf die Bausparkasse auch kündigen, wenn die Bausparsumme noch nicht komplett angespart wurde?

Zumindest die Bausparkasse Schwäbisch Hall erklärte, nur zu kündigen, wenn das angesparte Guthaben die Bausparsumme überschritten habe. Andere Bausparkassen lassen diese Fairness bislang vermissen. Die Kündigung von Verträgen, die bereits seit langem zuteilungsreif sind, aber bei denen die Kunden auf Inanspruchnahme des Baudarlehens verzichten, ist allerdings umstritten. Zuteilungsreif ist ein Bausparvertrag, wenn das Sparguthaben 40 bis 50 Prozent der vereinbarten Bausparsumme erreicht. Das Oberlandesgericht Stuttgart hat entschieden (9 U 151/11), dass die Kündigung von Verträgen rechtswidrig ist, wenn der Bausparer das Darlehen in Anspruch nehmen könnte (zuteilungsreifer Vertrag), die Bausparsumme aber noch nicht zu 100 Prozent erreicht ist. Letzten Endes ist jedoch der Einzelfall entscheidend.

Mit welchem Argument kündigen Bausparkassen noch nicht voll angesparte Bausparverträge?

Die Bausparkassen berufen sich auf Paragraf 489 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Demnach sind alle Darlehensverträge grundsätzlich nach zehn Jahren durch den Darlehensnehmer kündbar. Die Bausparkasse argumentieren, sie seien Darlehensnehmer, weil sie für die Überlassung des Sparguthabens dem Sparer Zinsen zahlen. Erst wenn die Sparer den Immobilienkredit abrufen, wechseln die Vertragsparteien die Rollen. Ist der Vertrag seit zehn Jahren zuteilungsreif, ohne dass der Bausparer das Darlehen abruft, sei die Kündigung rechtens, argumentiert die Branche. Selbst die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) – die zuständige Aufsichtsbehörde – hat die Kündigungswelle der Bausparkassen verteidigt. "Von Abzocke kann keine Rede sein", sagte BaFin-Chefin Elke König Anfang Januar gegenüber der Tageszeitung "Bild".

Wie können sich Betroffene wehren?

Wessen Sparguthaben noch nicht die Bausparsumme erreicht hat, kann sich auf das Stuttgarter Urteil berufen und verlangen, dass der Vertrag weiterläuft, bis die volle Summe angespart sei. Noch ein Argument: Die hohen Guthabenzinsen dienten in der Vergangenheit Bausparkassen durchaus als Verkaufsargument. Wer Werbung oder Beratung in dieser Richtung in irgendeiner Form belegen kann, verbessert seine Chancen. Verbraucherschützer sehen zumindest eine rechtliche Grauzone, wenn die Bausparsumme noch nicht überschritten ist. Im Zweifel müssen Gerichte entscheiden, ob die Kündigungen rechtens sind.

Ist ein Bausparvertrag überhaupt noch zu empfehlen?

„Bausparen an sich ist eine prima Idee“, heißt es bei der Stiftung Warentest. Wer in sieben oder zehn Jahren bauen wolle, sichere sich schon heute einen Kredit mit niedrigen Zinsen - auch wenn er für seine Sparraten kaum Zinsen von der Bausparkasse bekommt. Beim Sparkonto gibt es auch nicht mehr. Zum Teil schließen auch heutige Bauherren Bausparverträge ab, um mit dem Bauspardarlehen in zehn Jahren einen Kredit abzulösen.

Wie gut sind die Angebote?

Das hängt sehr stark von der Beratung ab, wie ein Test aller 20 Bausparkassen in Deutschland durch Stiftung Warentest ergab. Manche Verträge sind zu schmal bemessen, viele zu üppig, kritisieren Tester. Viele Berater setzten Bausparsumme, Guthaben oder Darlehensraten zu hoch an. Gleichzeitig enthielten sie ihren Kunden Informationen vor, um Angebotsvergleiche zu erschweren.

Warum beraten manche Institute schlecht?

Der falsche Vertrag kann mehrere tausend Euro Mehrkosten bedeuten, wenn dem Kunden nicht sogar die Finanzierung um die Ohren fliegt. Das zu viel bezahlte Geld bleibt der Bausparkasse - hier sieht die Stiftung Warentest einen der Gründe für die Missstände.

Was sagen die Bausparkassen zu den Vorwürfen?

Sie wollen der Kritik auf den Grund gehen. In einzelnen Beratungen seien offenbar Fehler gemacht worden, räumt der Verband der privaten Bausparkassen ein. Mit dem Gesamtbild könne man nicht zufrieden sein, betonen auch die Landesbausparkassen (LBS). Sie verweisen auf eigene Testkäufe, die regelmäßig bessere Ergebnisse zutage förderten.

Mit Material von dpa

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