Die deutsche Sprache hat das Stehen sehr positiv besetzt. Da haben Menschen Steherqualitäten, zeigen aufrechte Haltung, ducken sich nicht weg, stehen zu ihrem Wort. Wer sich hingegen kleinmacht, der kommt schon sprachlich schlecht weg: Nicht nur in der Schule sind Sitzenbleiber wenig geschätzt. Sesselpupser gibt es dann im Büro-Leben. Und wer angetrunken oder betrunken ist, der hat einen sitzen.
Doch deutsche Gerichte sind zwiegespalten, was sie denn nun eigentlich von stehenden Zeitgenossen halten sollen. Erstaunlich, schließlich müsste den Richtern die Bedeutung des Stehens sofort einleuchten, heißt es doch in den Richtlinien zum Straf- und Bußgeldverfahren: "Beim Eintritt des Gerichts zu Beginn der Sitzung, bei der Vereidigung von Zeugen und Sachverständigen und bei der Verkündung der Urteilsformel erheben sich sämtliche Anwesende von ihren Plätzen."
Die Ehre der Steher - zumindest derer männlichen Geschlechts - schien 2015 noch gerettet zu sein. Da hatte das Landgericht Düsseldorf einem Mieter das Recht zugesprochen, auf der Toilette seiner Mietwohnung im Stehen zu urinieren (21 S 13/15). Der Vermieter, der allein knapp 2000 Euro für Schäden am Marmorfußboden durch Urinspritzer gefordert hatte, ging leer aus. Die Richter befanden, dass zwar "selbst beim "sorgfältigen" Urinieren im Stehen kleinste Urinspritzer im Radius um die Toilette auf den Bodenbelag gelangen" könnten, dies aber "für den Mieter nicht ohne weiteres erkennbar" sei. Bei besonders säureempfindlichen Böden müssten Vermieter im Vorhinein warnen. Sie könnten nicht plötzlich, nach Auszug des Mieters, Schadensersatz fordern.
Das Ende des aufrechten Ganges?
Doch ein aktuelles Urteil, das bislang noch unbemerkt von der Öffentlichkeit geblieben ist, scheint unser Rückgrat brechen zu wollen. So entschied das Landgericht Köln – beide Städte sind sich traditionell nicht besonders freundlich gesonnen -, dass Mieter zwar vielleicht im Stehen pinkeln, aber noch längst nicht duschen dürften.
"Diese Art der Benutzung der Badewanne ist rechtlich als vertragswidrig einzuordnen", urteilten die Richter Ende Februar (1 S 32/15). Dabei spiele es keine Rolle, ob das Duschen im Stehen zum "vertragsgemäßen Mietgebrauch" gehöre, vielmehr müsse das jeweilige Badezimmer eben dafür geeignet sein. Weil im konkreten Fall die Wand einer 1984 angemieteten Wohnung oberhalb der Badewanne nur bis in halbe Stehhöhe gefliest war, sei das nicht der Fall gewesen. Das Duschen im Stehen habe dazu geführt, "dass bei jedem Duschen Spritzwasser in die gegen Feuchtigkeitseinflüsse ungeschützten Wandanteile über dem Fliesenspiegel eindringt, mit der weiteren Folge der Schimmelbildung in diesen Bereichen".
Genau gegen diese Schimmelbildung waren die Mieter vorgegangen. Sie verlangten, dass der Vermieter den Schimmel beseitigen lässt. Außerdem wollten sie die Miete über mehrere Jahre um zehn Prozent mindern, weil das verschimmelte Badezimmer ein klarer Mangel gewesen sei. Während die erste Instanz, das Amtsgericht Köln, den Mietern noch den Rücken gestärkt hatte, fiel ihnen mit dem Landgericht Köln die zweite Instanz nun in den selbigen.
Damit ist es also amtlich: Pinkeln im Stehen ist zulässig. Duschen nicht unbedingt.