Lohntransparenz Was das neue Auskunftsrecht bringt

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In der Praxis ein Problem

Wie setzt sich die Vergleichsgruppe zusammen?

Die Vergleichsgruppe muss wenigstens aus sechs Personen des anderen Geschlechts bestehen. Das kann zum Beispiel für Männer ein Problem sein: Dadurch dass Frauen in einigen Branchen unterrepräsentiert sind, könnte es häufiger keine ausreichend große Vergleichsgruppe mit wenigstens sechs Frauen geben. In diesem Fall würde der Auskunftsanspruch ins Leere laufen. Bei weniger als sechs Beschäftigen in der Vergleichsgruppe bezieht sich die Auskunft laut Bundesfamilienministerium nur auf die Angabe der Kriterien und das Verfahren der Entgeltfindung.

Was sind überhaupt vergleichbare Kollegen?

Die Vergleichbarkeit dürfte in der Praxis ein Problem sein, die Abgrenzung zwischen vergleichbaren und nicht vergleichbaren Kollegen mitunter schwierig. Laut Bundesfamilienministerium müssen anhand objektiver Faktoren alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden. Als Faktoren werden die Art der Arbeit, die Ausbildungsanforderungen sowie die Arbeitsbedingungen genannt. Quantität und Qualität der Arbeit dürfen genauso wenig eine Rolle spielen wie bestimmte Persönlichkeitsmerkmale.

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Kann ich erfahren, aus welchen Kollegen die Vergleichsgruppe besteht?

Nein. "Dies würde in einem elementaren Widerspruch zum Arbeitnehmerdatenschutz stehen", sagt Anwalt Ritz. "Der Gesetzgeber hat die Hürden für den Auskunftsanspruch bewusst relativ hochgelegt."

Kann ich das erfragte Gehalt der Vergleichsgruppe auch für mich einfordern?

Einfordern kann man alles. Ob man es bekommt, steht auf einem anderen Blatt. Sollte das Entgelt unter dem Wert der Vergleichsgruppe liegen, können Arbeitnehmer auf Zahlung des gleichen Entgelts klagen. Sie können sich dabei auf den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz oder § 15 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG, auch Antidiskriminierungsgesetz genannt) berufen. „Der Vorteil durch das Entgelttransparenzgesetz ist, dass dem betroffenen Arbeitnehmer der Nachweis der Ungleichbehandlung durch die Auskunft erleichtert wird“, sagt Anwalt Gennert.

Muss ich Gehaltsunterschiede rückwirkend ersetzt bekommen?

Tatsächlich wäre das so, aber eben nur wenn ein Anspruch auf den Ausgleich von Gehaltsunterschieden wirklich besteht. "Die Nachzahlung kann grundsätzlich rückwirkend bis zur Grenze der Regelverjährung von drei Jahren geltend gemacht werden", sagt Anwalt Ritz. Zusätzlich seien noch Sozialversicherungsbeiträge vom Arbeitgeber abzuführen. Mit Ausschlussfristenregelungen könnten Arbeitgeber aber versuchen, diese Risiken zu minimieren.

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Ist es das Ziel des Gesetzes, dass vergleichbare Kollegen gleich viel verdienen?

Dieser Eindruck kann entstehen. Und in der Tat dürfte der Druck auf Arbeitgeber zunehmen, bei vergleichbarer Tätigkeit auch ähnlich viel zu zahlen. Ziel des Gesetzes und des neuen Auskunftsanspruchs ist das nicht. Natürlich dürfe beim Vergleich von Leistungsunterschieden zum Beispiel die Produktivität der Beschäftigten berücksichtigt werden, stellt das Bundesfamilienministerium hierzu klar. Nur die dafür verwendete Methode müsse diskriminierungsfrei sein, die Bewertungskriterien also zum Beispiel von Männern und Frauen gleichermaßen erfüllbar sein: "Unterschiedliche Entlohnung aufgrund unterschiedlicher Leistung ist weiterhin zulässig und auch gewollt."

Anwalt Ritz nennt zusätzlich zum Beispiel unterschiedliche Qualifikationen, Berufserfahrungen, individuelle Erwartungen des Arbeitgebers an die Entwicklung einzelner Mitarbeiter oder eine zum Einstellungszeitpunkt entspannte oder aber angespannte Situation auf dem Bewerbermarkt als mögliche Ursachen für ungleiche Entgelte, die nichts mit dem Geschlecht zu tun haben.

Diese Branchen zahlen die höchsten Einstiegsgehälter
Einstiegsgehälter Quelle: dpa
Platz zehn: Anlagenbau Quelle: dpa
Platz neun: Versicherung Quelle: dpa
Platz acht: Elektrotechnik Quelle: dpa/dpaweb
Platz sieben: Chemie / Verfahrenstechnik Quelle: obs
Platz sechs: Finanzdienstleistungen Quelle: obs
Platz fünf: Luft- und Raumfahrtindustrie Quelle: dpa

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