Neue Berechnungsmethode Wann kommt die Reform der Grundsteuer?

Der Druck auf die Politik steigt, sich mit einer Reform der Grundsteuer zu beschäftigen - doch die birgt Sprengstoff. Es drohen massive Erhöhungen - und Proteste.

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Eine gerichtliche Klärung dazu, wie es mit der Grundsteuer weiter gehen soll, naht Quelle: dpa

Politiker haben ein Problem mit der Grundsteuer, das sie seit fast einem Jahrzehnt kennen. Das alte Modell der Berechnung fliegt ihnen durch Gerichte um die Ohren. Aber alle Modelle, die es für eine Neuberechnung gibt, enthalten Kröten für viele Bürger, die diese nicht ohne Protest schlucken werden.

Aus Wahltaktik mag sich aber kaum ein Politiker mit diesen unangenehmen Fragen beschäftigen. Nachdem der Bundesfinanzhof aktuell erneut eine Frage zur Grundsteuer dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt hat, rückt eine gerichtliche Klärung immer näher.

Richter sind keine Politiker

Doch die Richter übernehmen nicht die Arbeit der Politik und der öffentlichen Verwaltung. Werden sie die alte Berechnungsweise für verfassungswidrig halten, weil heute Grundstücke unterschiedlichster Wertigkeit mit uralten Einheitswerten angesetzt werden, liefern sie nicht gleich ein Rechenschema mit, das einen Ausweg darstellen würde.

Bei der Reform der Grundsteuer muss für 35 Millionen Grundstücke eine neue Berechnungsmethode gefunden werden. Schon im Jahr 2011 hatte eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe ausgerechnet, wie sich unterschiedliche Modelle auf die Steuer auswirken würden. Dass davon nichts an die Öffentlichkeit drang, verhinderte Proteste.

Hohe Mietnebenkosten

Denn Immobilieneigentümer und durch die Nebenkostenabrechnung auch die Mieter müssten vielfach das Zehnfache der heutigen Beträge zahlen. Die Arbeitsgruppe steht durch die für Anfang 2015 erwartete Steuerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts unter Zeitdruck.

Als Favorit gilt jetzt ein Mischmodell, bei dem die Steuer anhand aktueller Bodenrichtwerte der Städte und einer Gebäudekomponente berechnet werden könnte. Wie teuer das würde, zeigt unsere Beispielrechnung. Für ein Reihenhaus im Rhein-Main-Gebiet mit 140 Quadratmeter Wohnfläche und 295 Quadratmeter Grundstück könnte die Grundsteuer von 256 Euro auf über 2000 Euro steigen.

Berechnungsbeispiel zur künftigen Grundsteuerbelastung (zum Vergrößern bitte anklicken)

Rund 12,4 Milliarden Euro flossen den Kommunen durch die Abgabe 2013 zu. Deren Berechnung beruht derzeit auf uralten Verkehrswerten - aus den Jahren 1964 für Immobilien im Westen Deutschlands, aus 1935 im Osten. Darauf packen die Kommunen unterschiedliche Hebesätze.

Berlin verlangt mit einem Hebesatz von 810 Prozent besonders viel, am billigsten ist im Schnitt das Saarland. Mit 393 Prozent bleiben die Kommunen dort unter dem Bundesschnitt von 506 Prozent. "Laut Gesetz hätten die Einheitswerte alle sechs Jahre angepasst werden müssen, dies geschah aber nicht, weil es sehr aufwendig ist", sagt Isabel Klocke, Leiterin Steuern beim Bund der Steuerzahler.

Bei Neu- und großen Umbauten behalfen sich die Finanzämter mit Ersatzbemessungsmethoden. Der Bundesfinanzhof stufte das als verfassungswidrig ein. Kippt das Bundesverfassungsgericht das System, muss die Arbeitsgruppe ihre Vorschläge konkretisieren.

Der Bodenrichtwert wird in Kommunen von einem Gutachterausschuss festgelegt. Ihm liegen von Notaren gemeldete Preise aller Immobilienverkäufe zugrunde. Genutzt wird er schon jetzt bei der Erbschaftsteuer. Bei bebauten Grundstücken könnte für die Berechnung der Grundsteuer noch die Bruttogeschossfläche hinkommen, die etwa der Wohnfläche inklusive der Wände entspricht.

In gefragten Stadtteilen mit guter Infrastruktur sind die Bodenrichtwerte hoch und liegen deutlich über veralteten Einheitswerten. Dadurch steigt die Bemessungsgrundlage für die Steuer nahezu für jeden Zahler.

"Die vielfach hoch verschuldeten Kommunen werden kaum mit niedrigeren Hebesätzen auf den Anstieg der Bemessungsgrundlage reagieren", sagt Rechtsanwalt Stefan Walter, Geschäftsführer bei Haus & Grund Deutschland. Im aktuellen Grundsteuergesetz sei allerdings vorgesehen, dass die Länder Höchsthebesätze festlegen könnten, um Mehrbelastungen für die Steuerzahler zu begrenzen, so Walter. Städte wie Düsseldorf, die fast schuldenfrei seien, könnten den Hebesatz senken und attraktiver werden.

Bei großen Grundstücken in Metropolen mit hohen Grundstückspreisen drohen gegenüber der alten Berechnung happige Aufschläge. Im früheren Ostteil Berlins gelten aktuell Einheitswerte von 1935. Würde der hohe Berliner Hebesatz auf heutige Bodenrichtwerte in Vierteln wie Prenzlauer Berg angesetzt, treibt das die Steuerlast hoch. Ob Entlastungen für leer stehende Wohnungen bleiben, ist noch unklar.

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