Neues EU-Erbrecht Sie wohnen im Ausland? Machen Sie Ihr Testament!

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Noterbrechte, Nießbrauch und andere Tücken

Nach deutschem Erbrecht ist es beispielsweise möglich, schon zu Lebzeiten auf seinen Pflichtteil des Erbes zu verzichten. Meist geht dies mit einer Schenkung – sozusagen der Auszahlung des Erbteils – einher. Solche Vereinbarungen sind jedoch beispielsweise in Frankreich, Italien und Spanien unwirksam. Einige Staaten kennen anders als in Deutschland zum Beispiel Noterbrechte, die etwa in Frankreich dafür sorgen, dass erbende Kinder mehr als nur den Pflichtteil erhalten. In Belgien haben Ehegatten zwingend Anspruch auf Nutzung und Erträge aus dem Erbe – juristisch Nießbrauch genannt. Kinder, die nach belgischem Erbrecht beispielsweise eine vermietete oder von der hinterbliebenen Gattin bewohnte Immobilie erben, profitieren dann nicht von Mieteinnahmen und dürfen die Witwe auch nicht vor die Tür setzen.

Was in keinem Testament fehlen darf
HandschriftWer sein Testament selber erstellen will, muss das handschriftlich machen. Denn ein maschinell geschriebenes Exemplar ist nicht gültig und wird von den Gerichten nicht anerkannt. Der Verfasser muss anhand der Handschrift identifizierbar sein. Viele machen den Fehler, und benutzen einfach maschinelle Vordrucke aus dem Internet. Alternativ kann einem ein Notar das Testament als Urkunde erstellen. Auch die muss aber handschriftlich unterschrieben werden. Außerdem sollte das Testament mit einer eindeutigen Überschrift versehen werden, damit es nicht verwechselt wird. Die genaue Bezeichnung ist aber frei wählbar, beispielsweise "Testament" oder "Mein letzter Wille". Quelle: dpa
UnterschriftEgal ob Sie das Testament allein anfertigen oder mit Hilfe des Notars - vergessen Sie nie die Unterschrift. Ohne die ist das Schreiben nicht gültig. Sie sollte immer am Ende des Dokuments stehen. So verdeutlicht sie, dass der letzte Wille hier zu Ende ist. Sobald das Testament mehrere Seiten lang ist, sollte jedes Blatt einzeln unterschrieben sein. Auch wenn das Dokument zu einem späteren Zeitpunkt ergänzt wird, ist wieder eine Unterschrift nötig, damit der Zusatz auch gültig ist. Im Idealfall sollte der Verfasser des Testaments mit seinem Vor- und Nachnamen unterschreiben. Wurde anders unterschrieben, beispielsweise mit "Euer Vater", ist das Testament trotzdem gültig, wenn der Verfasser sicher ausfindig gemacht werden kann. Quelle: AP
Datum und Unterschrift Quelle: dpa
Nicht verlieren! Ist das Testament fertig erstellt, sollte es nicht zu Hause zwischen den heimischen Papier- und Aktenbergen verschwinden. Auch der Nachtschrank oder Schreibtisch ist kein guter Aufbewahrungsort. Die Gefahr, dass keiner der Hinterbliebenen das Testament findet, ist zu groß. Sicherer ist es, den letzten Willen gleich beim Nachlassgericht zu hinterlegen. Dort wird das Testament dann auch eröffnet. Anfang 2012 wurde zudem das Zentrale Testamentsregister bei der Bundesnotarkammer in Berlin eingeführt. Dort werden Testamente registriert und ihr Verwahrungsort hinterlegt. Im Todesfall kann die Kammer so überprüfen, ob ein Testament vorliegt und gegebenenfalls das zuständige Nachlassgericht informieren. Quelle: Fotolia
Pflichtteil beachten! Auch mit einem Testament muss die gesetzlich vorgeschriebene Erbfolge eingehalten werden. Das gilt insbesondere für den Pflichtteil. Wird der vom Verfasser nicht beachtet, können die Betroffenen ihn einklagen. Einen Anspruch auf ihren Pflichtteil haben die in der Erbfolge nächsten Angehörigen – die Kinder und Enkel des Verstorbenen, der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner sowie die Eltern. Der Pflichtteil umfasst die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Quelle: Fotolia
Alles verteilen!Legen Sie in Ihrem Testament möglichst genau fest, wer am Ende was bekommt - nur so lassen sich nervige Streitereien vermeiden. Schreiben Sie also detailliert, wer Schmuck, Ferienhaus, Wertpapierdepot oder Auto erben soll. Nennen Sie dabei möglichst den vollständigen Namen des jeweiligen Erben, keine Spitznamen. Je detaillierter und genauer das Testament geschrieben ist, desto leichter haben es die Erben und der Notar. Quelle: dpa
Berliner TestamentOft wird auch ein sogenanntes Berliner Testament abgeschlossen. So nennt die Fachwelt ein gemeinsames Testament von zwei Verheirateten oder Lebenspartnern. Beide Unterzeichner setzen sich für den Fall des Todes gegenseitig als Erben ein. So erbt der Hinterbliebene zunächst alles, während bei einem normalen Testament auch die Kinder ihren Anteil bekämen. Beim Berliner Testament sind die Kinder Schlusserben, sie bekommen das Vermögen erst, wenn beide Elternteile gestorben sind. Wer sich für ein solches gemeinsames Testament entscheidet, muss allerdings bedenken, dass es auch nur gemeinsam wieder geändert werden kann. Wenn einer der Partner bereits verstorben ist, kann der Hinterbliebene das Testament nur ändern, wenn es eine entsprechende Freistellungsklausel enthält. Quelle: dpa

Problematisch können auch Erbverträge oder gemeinschaftliche, sogenannte Berliner Testamente sein, in denen sich Ehegatten gegenseitig zu alleinigen Erben und die Kinder zu Schlusserben nach dem Tod der Eltern erklären. Ein solches Testament beziehungsweise so ein Erbvertrag ist in Italien unwirksam. „Ein deutsches Ehepaar, das in Deutschland ein Berliner Testament gemacht hat und nach Italien gezogen ist, hat seit dem 17. August keine Garantie mehr, dass seine Wunschverteilung des Nachlasses auch wirklich umgesetzt wird“, warnt der auf deutsch-italienisches Recht spezialisierte Rechtsanwalt Jürgen Reiss aus Frankfurt. Das Pflichtteilsrecht sei in Italien wesentlich stärker ausgeprägt als in Deutschland, selbst nach deutschem Recht Enterbte könnten sich in Italien einklagen und ihren Pflichtteil fordern, erläutert Reiss.

Zu Lebzeiten deutsches Erbrecht wählen

Wer dauerhaft ins Ausland zieht, sollte sein Erbe daher genauestens regeln, am besten mittels Testament. Dabei sieht das neue EU-Erbrecht auch die Wahlmöglichkeit vor, sich entweder für das Erbrecht des Staates zu entscheiden, dem er angehört, oder in dem er sich gewöhnlich aufhält. Wer sein Testament vor Inkrafttreten des neuen EU-Erbrechts gemacht hat, sollte es daraufhin prüfen und gegebenenfalls mit Hilfe eines Anwalts und Notars anpassen. Diese helfen auch bei der Beurteilung, welches Erbrecht im individuellen Fall vorteilhafter ist.

In vielen Fällen ist es sicher sinnvoll, das deutsche Erbrecht zu wählen. Dazu muss das Testament eine sogenannte „Rechtswahlklausel“ enthalten. Darin erklärt der Erblasser, dass er die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und für seine gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen nach Art. 22 EU-ErbVO die ausschließliche Geltung deutschen Erbrechts wählt. "Für deutsche Staatsangehörige wird sich vielfach die Rechtswahl für deutsches Erbrecht empfehlen", erklärt Siemers. Für das Testament gilt: Je klarer und einfacher das Testament verfasst ist, umso eindeutiger ist es auch in einer fremden Sprache. Notare helfen bei einer rechtssicheren Formulierung des Testaments. Wichtig: Nach deutschen Vorschriften muss das Testament eigenhändig ge- und mit vollem Namen unterschrieben sein, es sei denn, ein Notar erstellt es..

Spezielle Nachlassvollmachten erleichtern dabei die Abwicklung des Erbfalls. Das neue EU-Erbrecht führt zudem ein europäisches Nachlasszeugnis ein. Damit können Erben wie auch Testamentsvollstrecker ihre rechtliche Stellung nachweisen und sich die grenzüberschreitende, mehrfache Beantragung von Erbscheinen ersparen.

Wer sich so in seinem Testament – für die Wahl des anzuwendenden Erbrechts ist ein solches zwingend erforderlich – für das deutsche Erbrecht entscheidet, hat aber in jedem Fall den Vorteil, dass er sich in juristisch bekanntem Terrain bewegt – auch wenn Vermögensteile im europäischen Ausland liegen. So kann er sicher sein, dass sein Erbe seinen Wünschen entsprechend unter den Hinterbliebenen aufgeteilt wird.

Ein Problem bleibt den Erben dennoch erhalten. "Das Erbschaftsteuerrecht bleibt von der neuen Regelung unberührt", sagt Siemers. "Eine Doppelbesteuerung durch in- und ausländische Vorschriften zur Besteuerung des Erbes und eine in vielen Fällen unzureichende Steueranrechnung dürfte auch weiterhin Erben, Finanzämter und Anwälte beschäftigen."

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