Herr Specovius, über den umstrittenen Windparkfinanzierer Prokon wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Was heißt das?
Detlef Specovius: Zunächst einmal bedeutet die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, dass das vorläufige Verfahren zu Ende ist, das lief, seit Prokon am 22. Januar den Insolvenzantrag gestellt hatte. Allgemein gilt: Wurde das Insolvenzverfahren eröffnet, übernimmt der Insolvenzverwalter die Kontrolle über das Unternehmen und führt den Geschäftsbetrieb in der Regel zunächst bis zum Berichtstermin fort. Zudem prüft er die Sanierungsoptionen und -chancen, und verhandelt mit Interessenten, die das insolvente Unternehmen übernehmen wollen. Das Unternehmen muss die Löhne und Gehälter ab dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wieder selbst bezahlen, da der Zeitraum vorbei ist, in dem die Mitarbeiter das sogenannte Insolvenzgeld erhalten. Es ist möglich, dass der Insolvenzverwalter bereits unmittelbar nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Personalabbau oder die Schließung von Standorten verkündet – allerdings ist dies nicht zwingend der Fall.
Wie geht es jetzt weiter?
Der nächste wichtige Termin ist der erste sogenannte Berichtstermin. Er findet in der Regel in einem Zeitraum von sechs Wochen bis maximal drei Monaten nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens statt. Bestandteil ist der Bericht des Insolvenzverwalters. Er informiert die Gläubiger zum Beispiel über den bisherigen Ablauf des Verfahrens und die wirtschaftliche Lage des Schuldners. Anschließend treffen die Gläubiger formale Entscheidungen – sie bestätigen etwa den Insolvenzverwalter, wählen einen Gläubigerausschuss – und treffen Entscheidungen zum weiteren Verlauf des Insolvenzverfahrens und zur Zukunft des Unternehmens. Konkret bedeutet dies, dass die Gläubiger auch darüber entscheiden, ob der Geschäftsbetrieb des insolventen Unternehmens fortgeführt wird oder nicht.
Muss der Insolvenzverwalter auch Ansprüche gegen den früheren Geschäftsführer Carsten Rodbertus prüfen?
Ja, der Insolvenzverwalter ist im Interesse der Gläubiger dazu verpflichtet, auch Ansprüche gegen den früheren Geschäftsführer von Prokon zu prüfen und gegebenenfalls durchzusetzen.
Prokon hat sich vor allem über so genannte Genussscheine finanziert, die von Anlegern gezeichnet wurden. Wie stehen die Chancen, dass die Anleger ihr Geld zumindest teilweise zurückbekommen?
Da die Genussrechte sehr wahrscheinlich eigenkapitalnah sind, erhalten die Anleger bei einem Verkauf der Vermögenswerte im Rahmen einer so genannten übertragenden Sanierung nur dann Geld, wenn alle anderen Forderungen zu 100 Prozent bedient wurden. Das ist aber in der Regel nicht der Fall. Die Konsequenz: Die Anleger dürften dann nur einen geringen Teil ihres investierten Kapitals wiedersehen oder im Extremfall sogar komplett leer ausgehen.
Gläubiger müssen gleich behandelt werden
Andere Gläubiger wie Lieferanten können mit deutlich mehr Geld rechnen. Warum werden die Anleger benachteiligt?
Grundsätzlich ist der Insolvenzverwalter dazu verpflichtet, alle Gläubiger gleich zu behandeln. Da die Genussrechte der Anleger aber wie bereits erwähnt sehr wahrscheinlich eigenkapitalnah sind, gelten ihre Forderungen als nachrangig gegenüber denen der anderen Gläubiger. Die Stellung der Genussrechteinhaber ist vergleichbar mit der von Gesellschaftern – also etwa Aktionären einer Aktiengesellschaft. Sie erhalten bei einem Verkauf der Vermögenswerte im Rahmen einer Übertragenden Sanierung erst dann Geld, wenn alle anderen Forderungen komplett befriedigt wurden. Andere Gläubiger – wie etwa Lieferanten – haben zudem für ihre Forderungen oftmals Sicherheiten in Form eines Eigentumsvorbehalts vereinbart. Das bedeutet, dass sie dann einen höheren Anteil bekommen, wenn in ihre Sicherungsrechte eingegriffen wird und der Verwalter die Gläubiger folglich abgelten muss.
Sollten Anleger ihre Forderungen trotzdem zur Insolvenztabelle anmelden, oder lohnt der Aufwand nicht?
Ja, Anleger sollten ihre Forderungen auf jeden Fall dann zur Insolvenztabelle anmelden, wenn sich ihr Anspruch gegebenenfalls auch aus einem Schadenersatzgrund ergibt. Denn nur dann, wenn ihre Forderungen angemeldet und vom Insolvenzverwalter geprüft wurden, können die Anleger ihre Rechte wahrnehmen und etwa beim Berichtstermin über den weiteren Verlauf des Insolvenzverfahrens und die Zukunft des Unternehmens entscheiden. Hinzu kommt, dass Anleger auf jeden Fall mit einem Totalverlust ihres investierten Kapitals rechnen müssen, wenn sie ihre Forderung nicht anmelden.
Wie können betroffene Gläubiger ihre Forderungen überhaupt geltend machen?
Die Anleger müssen ihre Forderung beim Insolvenzverwalter anmelden. Die Anmeldung sollte dabei innerhalb der Frist erfolgen, die das Insolvenzgericht festsetzt. Die Frist ist zumeist im Schreiben genannt, mit dem der Insolvenzverwalter die Gläubiger darüber informiert, dass sie ihre Forderung anmelden können. Die Anmeldung der Forderung kann schriftlich oder inzwischen immer öfter auch online erfolgen.
Zu ihrer Forderung sollten Anleger Kopien von Belegen hinzufügen, mit denen sie ihre Investition nachweisen können – etwa Verträge oder Kontoauszüge. Nachdem die Forderungsanmeldung beim Insolvenzverwalter eingegangen ist, wird sie von ihm in die Insolvenztabelle aufgenommen. Zudem wird geprüft, ob der Anspruch berechtigt ist.