Deutschlands Raucher sind empört. Friedhelm Adolfs, bekennender Quarzer aus Düsseldorf, soll seine Wohnung räumen, weil er zu viel qualmt. Doch Adolfs ist noch nicht verloren: Gerade hat das Düsseldorfer Landgericht dem 74-jährigen Rentner Prozesskostenhilfe bewilligt. Adolfs kann sich also gegen das Räumungsurteil des Amtsgerichts wehren. Einen Prozess ohne Unterstützung hätte er mit seiner schmalen Rente nicht durchstehen können. Jetzt aber wird am 24. Juli erneut vor dem Amtsgericht verhandelt.
Prozesskostenhilfe erhalten Bedürftige, deren Einkommen und Erspartes nicht reichen, die Kosten für Anwalt und Gericht zu tragen. Adolfs hat Glück: Denn bei 1,2 Millionen Amtsgerichtsverfahren pro Jahr wird in nur etwa 64.000 Fällen Hilfe vom Staat bewilligt. Alle übrigen Kläger müssen ihre Prozesskosten selbst tragen.
Das wird vor allem dann teuer, wenn Kläger durch alle Instanzen gehen. Die Bereitschaft bis zur letzten Instanz, etwa dem Bundesgerichtshof (BGH), zu gehen, steigt. Von 2008 bis 2012 erhöhte sich die Zahl der Verfahren vor dem BGH um 31 Prozent. Vielen Klägern geht auf dem Weg durch die Instanzen jedoch finanziell schnell die Puste aus.
Erst elementare Risiken abdecken
Leichter haben es Kläger, die eine Rechtsschutzversicherung im Rücken haben. „Eine Rechtsschutzpolice ist kein Muss. Nur wer elementare Risiken schon über Versicherungen abgedeckt hat, etwa Haftpflicht oder Berufsunfähigkeit, und noch Geld übrig hat, sollte eine Police abschließen“, rät Sabine Nikel, Versicherungsberaterin aus Aachen. Eine Rechtsschutzpolice ist immer dann sinnvoll, wenn es um viel Geld geht: verweigerte Abfindungen oder zu niedrige Renten etwa.
Deutsche Gerichte müssen sich allerdings auch mit alltäglichem Streit zwischen Nachbarn oder Verwandten befassen. Bei 93 Prozent aller Verfahren vor dem Amtsgericht geht es um einen Streitwert von maximal 5000 Euro. Solche Konflikte lassen sich meist schneller und kostengünstiger mithilfe eines Schlichters lösen. Mediatoren sind jedoch vom guten Willen der Streitparteien abhängig. Ohne Bereitschaft zum Kompromiss ist ein Gerichtsverfahren unausweichlich.
Gute Rechtsschutzversicherung
Weil vom 1. August an die Gebühren von Anwälten und Gerichten wegen des geänderten Kostenrechts steigen, wird eine gute Rechtsschutzversicherung wichtiger. „Diese Reform ist einschneidend, weil die Versicherer die gestiegenen gesetzlichen Gebühren erstatten müssen“, sagt Gertraud Bauer, Rechtsanwältin in der Kanzlei RölfsPartner in München. Die Rechtsschutzversicherer selbst rechnen mit Mehrkosten von 375 Millionen Euro pro Jahr, das wäre ein Plus von 16 Prozent gegenüber 2012. Ihre Kunden müssen mit höheren Versicherungsprämien rechnen.
Um die besten Angebote für Rechtsschutzpolicen herauszufiltern, hat die WirtschaftsWoche mit dem Analysehaus Morgen & Morgen 113 Tarife von 35 Anbietern analysiert und bewertet (siehe Tabelle unten). Es wurden nur Tarife berücksichtigt, die die vier Bausteine Verkehrs-, Privat-, und Berufsrechtsschutz sowie Wohnungs- und Grundstücksrechtsschutz abdecken.
Leistungen wichtiger als Prämie
Sowohl für die Leistungen als auch für die Prämienhöhe erhielten die Tarife Punkte. In die Gesamtnote gingen die Leistungen mit 65 Prozent und die Prämienhöhe mit 35 Prozent ein. „Die Konditionen eines Tarifs entscheiden darüber, wann der Versicherer tatsächlich leistet. Das ist bei einem Rechtsstreit, der mehrere Zehntausend Euro kosten kann, wichtiger als zehn Euro, die sich bei der Prämie sparen lassen“, sagt Stephan Schinnenburg, Geschäftsführer von Morgen & Morgen.
So zahlen die im Vergleich der WirtschaftsWoche ausgewählten Tarife auch immer dann, wenn lediglich der Auslöser des Rechtsstreits innerhalb der Vertragslaufzeit liegt. Das ist wichtig: Andere Tarife übernehmen Kosten erst dann, wenn auch die Ursache eines Konflikts nach Abschluss der Versicherung aufgetreten ist. Beispiel: Bei einem Verkehrsunfall entsteht an den beteiligten Autos erheblicher Sachschaden. Die Unfallgegner streiten sich um die Reparaturkosten. Nach Analyse der Unfallursachen steht fest, dass ein Fahrzeugdefekt mitverantwortlich war. Diesen Defekt hatte das Fahrzeug schon, bevor der rechtsschutzversicherte Fahrer seine Police abgeschlossen hatte. Stellt der Versicherer auf das Ereignis ab, wird er die Kosten eines Prozesses übernehmen. Geht er dagegen von der Ursache aus, geht der Autofahrer leer aus.
Wichtig: Bei allen Tarifen gilt eine Wartezeit, in der die Versicherung keine Kosten für Anwalt oder Gericht übernimmt. In der Regel dauert sie zwischen zwei und drei Monaten. Kundenfreundlich sind beispielsweise die Tarife Örag RS und HDI Rundum Sorglos, denn die Wartezeit gilt nur für Arbeitsrecht sowie Wohnungs- und Grundstückrecht. Privat- und Verkehrsrecht sind vom ersten Tag an abgedeckt.
Kunden vor die Tür gesetzt
Wer eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen hat, liegt aber nicht zwangsläufig für alle Zeit auf einem Ruhekissen. Meist läuft der Vertrag nur über ein Jahr und verlängert sich automatisch um weitere zwölf Monate, wenn der Versicherte nicht kündigt. Versicherer können zum Jahresende mit einer Frist von drei Monaten kündigen.
Bei den meisten Policen kann der Versicherer aber auch bereits nach dem zweiten Rechtsstreit aus dem Vertrag aussteigen. 37 von 39 bewerteten Tarifen haben eine solche Ausstiegsklausel. Die Tarife von Auxilia setzen die Versicherten dagegen erst nach dem dritten Prozess vor die Tür.
Wie die WirtschaftsWoche und Morgen&Morgen 113 Rechtsschutztarife analysiert und bewertet haben
Aus den 113 angebotenen Rechtsschutztarifen wurden 39 Tarife ausgewählt, die folgende Mindestkriterien erfüllen:
- Auslandsschutz: Wer beruflich und privat viel außerhalb Europas unterwegs ist, ist abgesichert.
- Kundenfreundliche Schadensregulierung: Der Versicherer prüft nur, ob der Auslöser des Rechtsstreits innerhalb der Vertragslaufzeit eingetreten ist, und nicht, ob die Ursache vielleicht schon vor Abschluss der Versicherung liegt.
- Kostenloses Konfliktmanagement: Ein Versicherer lehnt die Kostenübernahme ab, beispielsweise weil er den Prozess für aussichtslos hält. Der Anwalt des Versicherten kann dann begründen, warum ein Gerichtsverfahren dennoch erfolgreich sein kann (Stichentscheid). Der Stichentscheid ist für beide Seiten bindend, die Kosten trägt der Rechtsschutzversicherer.
- Internet-Schutz: Weltweiter Rechtsschutz für sämtliche über das Internet abgeschlossenen Verträge.
- Opferschutz: Opfer von Straftaten können vor Gericht als Nebenkläger auftreten. Die entsprechenden Kosten sind abgedeckt.
Bewertet wurden die wichtigsten Konditionen der vier Bausteine Privatrecht, Verkehrsrecht, Berufsrecht sowie Wohnungs- und Grundstücksrecht. Zu den bewerteten Leistungen zählten beispielsweise die Höhe der von der Police maximal abgesicherten Summe sowie die Übernahme von Kosten für Mediation und anwaltliche Beratung vor einem Gerichtsverfahren. Grundlage für die Punktzahl sind Musterkonditionen. Wie viel Punkte ein Rechtsschutztarif bekam, hing davon ab, ob die Vorgaben übererfüllt oder verfehlt wurden (siehe Tabelle).
Nicht alle Tarife bieten eine Prämie für Singles. Daher flossen in die Gesamtnote ausschließlich die Beiträge von Familien für alle vier Bausteine ein. Für die Punktzahl ist der Abstand zur Durchschnittsprämie aller bewerteten Tarife entscheidend. Tarife, die preisgünstiger waren als der Durchschnitt, bekamen mehr Punkte. Wer teurer war als der Schnitt, erhielt weniger Punkte.
Ausschlaggebend für die Gesamtnote ist das Preis-Leistungs-Verhältnis der Rechtsschutztarife. Dabei gingen die Punkte für die Konditionen zu 65 Prozent, die Höhe der Prämie zu 35 Prozent ein. Der Schwerpunkt der Note liegt bei den Leistungen, weil sie entscheidend dafür sind, ob und wie viel der Versicherer tatsächlich zahlt, wenn ein Rechtsstreit zu finanzieren ist. Billigtarife schließen viele Leistungen aus. Zudem neigen Versicherer bei Policen mit sehr niedriger Prämie häufig dazu, bei der Regulierung von Prozesskosten restriktiver zu sein. Die addierten Punktwerte für Leistungen und Prämie wurden in Tarif-Noten von +++ (sehr gut) bis –– (sehr schwach) umgerechnet.
Wie kulant zeigt man sich dem Kunden gegenüber?
Ein Rausschmiss kann Folgen haben. „Einmal gekündigt, ist es für Versicherte oft schwer, einen neuen Vertragspartner zu finden“, sagt Peter Grieble, Versicherungsexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Wer zu oft klagt, landet in der Datenbank HIS, in der die Versicherungsbranche auffällig teure Versicherte speichert.
Wer eine Rechtsschutzpolice abschließen will, sollte sich aber nicht allein am Tarifwerk und an der Höhe der Prämien orientieren. Wichtig ist auch, wie der Versicherer Vertragsklauseln auslegt, wie schnell er Anfragen abwickelt und wie kulant er sich gegenüber seinen Kunden zeigt. „Es ist auffällig, dass einige Versicherer ständig Unterlagen anfordern, die sie bereits erhalten haben“, sagt Nicole Mutschke, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht aus Düsseldorf. So werde die Schadensabwicklung verzögert.
Unklare Tarifklauseln
Das Bundesjustizministerium (BMJ) hat eine Umfrage bei Justizbehörden, Verbraucherverbänden und Versicherern ausgewertet. Es ging um den Verdacht, dass Versicherer (auch Rechtsschutz) Leistungen an die Versicherten systematisch kürzen oder verzögern. Die Justiz fand keine Belege für den Verdacht, Verbraucherverbände sehen weiterhin Indizien.
Zuletzt hat sich das Verhältnis zwischen Rechtsschutzversicherern und ihren Kunden zugespitzt: 2008 bis 2012 erhöhte sich die Zahl der Beschwerden beim Versicherungsombudsmann in der Sparte Rechtsschutz um ein Fünftel.
Häufig gibt es Ärger zwischen Versicherer und Kunde, wenn Tarifklauseln so formuliert sind, dass sich die Bedingungen sowohl zugunsten als auch zulasten des Versicherten auslegen lassen. Seit 1994 gibt es keine gesetzlich normierten Vertragswerke für Rechtsschutzpolicen mehr. „Versicherte müssen sich daher mit einer Vielzahl an Tarifvarianten herumschlagen“, sagt Versicherungsberaterin Nikel. Nicht alles, was die Versicherer ins Kleingedruckte hineinschrieben, halte einer gesetzlichen Überprüfung stand.
Jüngstes Beispiel ist der Streit um die „Effektenklausel“, mit der die meisten Rechtsschutzversicherer ihre Haftung für Kosten, die bei Prozessen wegen Kapitalanlagen anfallen, regeln. Der Bundesgerichtshof entschied, dass diese Klausel zweier Versicherer für den Durchschnittskunden nicht nachvollziehbar und daher unwirksam sei (IV ZR 84/12, IV ZR 174/12). Im Original steht, dass kein Rechtsschutz bestehe „für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in ursächlichem Zusammenhang mit der Anschaffung von Effekten (beispielsweise Anleihen, Aktien, Investmentanteile) sowie der Beteiligung an Kapitalanlagemodellen, auf welche die Grundsätze der Prospekthaftung anwendbar sind (beispielsweise Immobilienfonds)“.
Die Begriffe „Effekten“ und „Grundsätze der Prospekthaftung“ gäben keine ausreichenden Hinweise, welche Kapitalanlagen nicht abgedeckt seien, fanden die Richter.
Anlegerfreundliche BGH-Urteile
„Die BGH-Urteile haben auch Auswirkungen auf andere Versicherer, weil es sich um Klauseln handelt, die den Musterbedingungen des GDV entsprechen. Wenn wir die Fälle, die verjährt sind, ausklammern, kommen auf uns Mehrkosten von etwa sechs Millionen pro Jahr zu“, sagt Klaus Heiermann, Generalbevollmächtigter des Versicherers Arag.
Auch Thomas Hansen*, 53, aus Itzehoe, könnte von den anlegerfreundlichen BGH-Urteilen profitieren. Nach dem Tod seiner Frau steckte er 100.000 Euro, die eine Risikolebensversicherung wegen des Todesfalls an ihn ausschüttete, in den offenen Immobilienfonds CS Euroreal der Schweizer Bank Credit Suisse. Sein Anlageberater hatte ihm den Fonds als sicheres Investment empfohlen. Während der Finanzkrise jedoch setzte der Anbieter Credit Suisse die Rücknahme zeitweise aus. Am Ende hatte Hansen gut 35.000 Euro verloren.
Versenktes Geld
Hansen wollte den Anlageberater wegen Falschberatung belangen, sein Rechtsschutzversicherer wollte dafür jedoch nicht einstehen. Nach dem Tod seiner Frau hätten sich die Vertragsbedingungen geändert, so der Versicherer. Folge: Anders als im ursprünglichen Vertrag, der für das Ehepaar galt, würden Klagen wegen Kapitalanlagen nun nicht mehr abgedeckt.
Nachdem der BGH die Effektenklausel gekippt hatte, knickte der Rechtsschutzversicherer aber ein. Derzeit wartet Hansen auf dessen Zusage, die Prozesskosten zu übernehmen. Spielen bald noch die Richter mit, würde Hansen sein im CS Euroreal versenktes Geld wiedersehen.
Kein Geld bei Anlegerklagen
Dass Rechtsschutzversicherungen lange Zeit keine Prozesse wegen Kapitalanlagen finanzierten, lag an der Klagewelle gegen die Deutsche Telekom. Nach dem zweiten Börsengang 1999 wollten Tausende Aktionäre Schadensersatz vom Dax-Konzern wegen vermeintlicher Fehler im Emissionsprospekt. Von 2002 an änderten die Rechtsschutzversicherer bei Neuverträgen die Klauseln so, dass sie bei Anlegerklagen nicht mehr zahlen mussten.
Inzwischen ist die Telekom-Prozesswelle abgeebbt, und viele Rechtsschutz-Tarife übernehmen wieder Kosten für Anlegerklagen. Morgen & Morgen hat bei den besten Angeboten den Anlegerschutz unter die Lupe genommen. Ergebnis: Anleger sind wieder besser geschützt, allerdings gibt es jede Menge Fußangeln.
Arag beispielsweise deckt im Tarif „Aktiv-Rechtsschutz Basis“ Giro-, Spar-, Festgeld- und Tagesgeldkonten, Sparverträge, Lebens- und Rentenversicherungen sowie staatlich geförderte Geldanlagen ab. Wertpapiere bleiben außen vor. Aktien und Anleihen sind nur im Tarif „Aktiv-Rechtsschutz Premium“ abgesichert, der pro Jahr etwa doppelt so viel kostet wie die Spar-Variante. Die Prozesskosten sind zudem bei 10.000 Euro gedeckelt. Auch Continentale und HUK-Coburg deckeln die Prozesskosten. Andere Versicherer, darunter HDI und D.A.S. sichern nur Anlagebeträge bis zu einer bestimmten Höhe ab. Ein so eingeschränkter Schutz macht nur Sinn für Anleger, die kleinere Summe investieren.
Anleger ausgebremst
Der Fall Telekom ist kein Einzelbeispiel. „Wenn sich die Prozesse nicht mehr aus der Prämie finanzieren lassen, streichen die Versicherer solche Fälle aus ihrem Leistungskatalog“, sagt Arndt Tetzlaff, Fachanwalt für Versicherungsrecht der Kanzlei SKW Schwarz in Berlin.
So verschwand wenige Jahre nach ihrer Einführung die Kostenübernahme für Studienplatzklagen aus den Tarifen. Zu viele Studenten hatten zunächst von 2002 an gegen Absagen ihrer Universitäten geklagt. Auch die Prozesse wegen völlig überteuerter Häuser und Wohnungen (Schrottimmobilien) wurden Versicherern zu teuer. Spätestens 2008 wurden die Klauseln so geändert, dass bei Klagen wegen Schrottimmobilien kein Rechtsschutz mehr bestand.
Ältere Versicherungsbedingungen sind in der Regel besser als die neueren
Ältere Versicherungsbedingungen sind in der Regel besser als die neueren, weil sie mehr Leistungen einschließen. Wer noch eine alte Rechtsschutzpolice besitzt, sollte sie daher nicht ohne Not kündigen. Allerdings ist nicht jeder Versicherte mit einem alten Rechtsschutztarif auf der sicheren Seite. So passen die Versicherer Bedingungen bei älteren Policen an, was laut Gesetz nur geht, wenn der Versicherte zustimmt. Wer also ein Schreiben seines Rechtsschutzversicherers erhält, sollte sich sehr genau anschauen, was er da unterschreibt.
Anderenfalls könnte es ihm so gehen wie Rainer und Edith Wegmann* aus der Nähe von Gelsenkirchen. Das Ehepaar kaufte 2006 für 137.000 Euro eine Eigentumswohnung in Hamburg. Die Wohnung sollte als Teil der Altersvorsorge vermietet werden. Bereits 2009 ging jedoch die Verkäuferin der Immobilie, die auch die Mieteinnahmen garantierte, in die Insolvenz. Als die Eigentümer vergeblich versuchten, die Immobilie wieder loszuwerden, stellten sie fest, dass sie sich eine völlig überteuerte Wohnung hatten andrehen lassen.
Immobiliengeschäfte und Arbeitsrecht
Im April 2012 stellte das Ehepaar einen Antrag bei seinem Rechtsschutzversicherer, die Kosten eines möglichen Prozesses gegen die Verkäufer der Schrottimmobilie zu übernehmen. Der Versicherer lehnte ab. Immobiliengeschäfte seien von den seit 2004 geltenden Rechtsschutzbedingungen nicht mehr gedeckt. Der Anwalt der Versicherten wandte ein, dass die Police bereits seit 1977 bestehe. Zu diesem Zeitpunkt hätten Bedingungen gegolten, die Prozesse wegen Immobiliengeschäften abdeckten. Der Versicherer blieb hart und verwies auf die 1998 und 2005 geänderten Vertragsbedingungen der Mandanten.
Die Wegmanns fühlen sich hinters Licht geführt. Für sie sei aus den Schreiben der Versicherung nicht erkennbar gewesen, dass sich die Vertragsbedingungen zu ihren Lasten änderten. Da die Rechtsschutzversicherung nicht zahlen wollte und dem Ehepaar die Prozesskosten von 26.000 Euro zu hoch waren, blieben sie auf dem Verlust aus ihrer Schrottimmobilie sitzen.
Ärgerlich für Kunden ist auch, sollte ihr Versicherer behaupten, mit unnötigen Anwaltskosten sei Geld verschwendet worden. Für diesen Vorwurf reicht es schon, dass ein Versicherter einen Anwalt bittet, mit der gegnerischen Partei einen außergerichtlichen Vergleich zu schließen. Scheitert der Vergleich und kommt es zu einem Prozess, wollen einige Versicherer das Honorar des Anwalts, das vor dem Gerichtsverfahren angefallen ist, nicht zahlen. Sie berufen sich dabei häufig auf folgende Klausel:
„Der Versicherungsnehmer hat, soweit seine Interessen nicht unbillig beeinträchtigt werden, alles zu vermeiden, was eine unnötige Erhöhung der Kosten … verursachen könnte.“
Vor allem im Arbeitsrecht
Die Klausel wird vor allem im Arbeitsrecht angewendet. Geht ein Arbeitnehmer gegen eine Kündigung vor, bleiben ihm drei Wochen für eine Klage. Versucht der Anwalt innerhalb der drei Wochen eine außergerichtliche Einigung mit dem Arbeitgeber zu erreichen, stellt sich die Rechtsschutzversicherung quer. Ihr Argument: Sich innerhalb von drei Wochen zu einigen sei unrealistisch. Der Anwalt wolle lediglich unnötige Kosten verursachen.
Die Verbraucherzentrale Hamburg hat die umstrittene Klausel abgemahnt. Das Oberlandesgericht München hat sie für unwirksam erklärt (29 U 1360/11). Solange es jedoch noch kein höchstrichterliches Urteil gibt, dürfen die Versicherer diese Klausel weiter verwenden.
Alternativen zum Gericht
Im Sommer 2012 wurde das erste Mediationsgesetz eingeführt. Mediatoren sollen danach unparteiisch sein und der Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Zudem müssen sie ihre berufliche Qualifikation offenlegen. Konkrete Ausbildungsvorschriften gibt es nur für zertifizierte Mediatoren, die eine gesetzlich anerkannte Ausbildung abgeschlossen haben. Mediatoren können nur vermitteln, wenn beide Streitparteien zustimmen. Die Kosten für die Vermittlung teilen sich die Betroffenen je zur Hälfte. Der Stundensatz eines Mediators liegt bei etwa 200 Euro je Stunde.
Das Schiedsgericht ist ein privates Gericht. Für ein Verfahren schließen die Streitparteien einen Vertrag. Am Schiedsgericht entscheiden Juristen über zivilrechtliche Streitfälle. Beide Parteien sind an den Schiedsspruch gebunden, der einem rechtskräftigen Urteil eines staatlichen Gerichts entspricht. Vor allem Unternehmen nutzen Schiedsgerichte, um sich im Stillen einigen zu können. Die Kosten für ein Verfahren am Schiedsgericht hängen vom Streitwert ab. Beispiel: Die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) berechnet für ein Verfahren mit einem Einzelrichter und einem Streitwert von 50.000 Euro Gebühren in Höhe von 5675 Euro.
Kommunen beauftragen unabhängige Schiedspersonen, bei privaten Streitigkeiten zu vermitteln. Sie sollen die Gerichte entlasten. Es geht um Nachbarschaftsstreit, Beleidigungen oder Sachbeschädigungen. Anders als beim Schiedsgericht gibt es keinen Schiedsspruch, sondern eine einvernehmliche Einigung. Die Kosten für ein Schiedsverfahren liegen meist unter 100 Euro.
Bauherren sind ungeschützt
Die Rechtsschutzversicherung zahlt nur für einzelne Rechtsgebiete. Ausgeschlossen sind meist Prozesse für folgende Fälle:
- Immobilie: Nicht versichert ist der Hausbau, der Kauf und Verkauf von Immobilien sowie die Baufinanzierung. Versichert sind dagegen Klagekosten von Nachbarn, die sich vom Bau eines Hauses beeinträchtigt fühlen.
- Familienstreitigkeiten: Zoffen sich die Eltern um Unterhalt für die Kinder, zahlt die Versicherung meist nur die Kosten für die erste Beratung beim Anwalt.
- Erbrecht: Streiten sich Erben um Anteile und die Gültigkeit eines Testaments, müssen sie mögliche Prozesskosten aus eigener Tasche zahlen.
Gibt es viel zu erben, kann ein Prozess richtig teuer werden. In solchen Fällen können Prozessfinanzierer aushelfen. Sie übernehmen die Kosten für Anwalt und Gericht. Im Gegenzug werden sie dafür am Erfolg eines Prozesses beteiligt.
Anteil am Erbe
Auch Anette Frey*, 55, aus Kaiserslautern, kam so an ihr Geld. Als ihre Tante im September 2011 starb, rechnete sie nicht damit, etwas zu erben. Laut Testament sollte ein Ehepaar, das die alte Dame zeitweise gepflegt hatte, das Erbe antreten. Als Frey kurz nach der Testamentseröffnung erfuhr, wie der letzte Wille ihrer Tante zustande gekommen war, wurde sie jedoch misstrauisch. Ihr 2010 verstorbener Onkel – der Ehemann der Tante – hatte 2008 das Testament aufsetzen lassen. Seine Frau war seinerzeit aber bereits pflegebedürftig und lag im Wachkoma. Aus Sorge, sie bliebe unversorgt, falls er sterbe, hatte der Onkel das Ehepaar als Erben eingesetzt. Er hoffte, dass es sich um die gebrechliche Dame kümmern würde. Die Zustimmung der Frau zum Testament wurde beim Notartermin lediglich anhand des Blinzelns ihrer Augen abgelesen, obwohl sie gar nicht in der Lage war, sich so zu verständigen.
Zunächst versuchte sich die Nichte der Verstorbenen mit den durch das umstrittene Testament eingesetzten Erben zu einigen. Die früheren Pflegekräfte beharrten jedoch auf ihrem Anspruch. Schließlich ließ die geprellte Erbin das Testament durch ihren Anwalt anfechten. Es ging um geschätzte 330.000 bis 410.000 Euro. Da sie aber die Prozesskosten von bis zu 75.000 Euro scheute, falls sie vor Gericht verlieren sollte, schaltete sie den Prozessfinanzierer Foris ein. Nachdem ein Arzt den schlechten Gesundheitszustand der Tante bestätigte, fügten sich die Erben im Januar dieses Jahres in das Anerkenntnisurteil des Gerichts zugunsten der Nichte. Foris übernahm die Prozesskosten und bekam im Gegenzug 30 Prozent des Erbes.
Es geht auch günstiger als bei einem Prozessfinanzierer. Mediatoren und kommunale Schiedsämter helfen schon für deutlich weniger Geld – ganz ohne Prozess. Mediatoren sind derzeit gefragt, weil Rechtsschutzversicherer ihre Kunden zu außergerichtlichen Einigungen drängen, um Kosten zu vermeiden. Zudem schreibt das 2012 eingeführte Mediationsgesetz Klägern vor, in ihrer Klageschrift anzugeben, warum eine außergerichtliche Einigung nicht möglich war oder gescheitert ist. Die Rechtsschutzversicherungen übernehmen die Kosten einer Mediation – allerdings mit Einschränkungen. Die meisten Anbieter deckeln die Gesamtkosten: Allrecht, Arag, DMB, HDI und WGV beispielsweise bei 1500 Euro.
Wie sich Anwalts- und Gerichtskosten steuerlich absetzen lassen
Kläger dürfen Zivilprozesse nicht mutwillig oder ohne Aussicht auf Erfolg lostreten. Nach neuester Rechtsprechung muss ein Prozess für den Kläger nicht existenziell wichtig sein, um die Kosten absetzen zu können.
Hängen die Kosten für einen Prozess direkt mit dem Job zusammen, lassen sie sich als Werbungskosten absetzen. Das gilt beispielsweise bei Rechtsstreitigkeiten mit dem Arbeitgeber.
Beim Zoff im Mietshaus, beispielsweise um Mängel in der Wohnung, kann der Vermieter die vollen Kosten eines Rechtsstreits als Werbungskosten absetzen. Der Mieter dagegen kann seine Auslagen für Anwalt und Gericht nur als außergewöhnliche Belastung geltend machen. Nachteil: Er muss sich eine zumutbare Eigenleistung anrechnen lassen, die vom Einkommen abhängt
Bei Konflikten ums Erbe gibt es keinen Bonus bei der Einkommensteuer. Ausnahme: Der Erbe könnte ohne Prozess seinen Unterhalt nicht bestreiten, weil er vom Nachlass finanziell abhängig ist. Dann gelten die Kosten eines Rechtsstreit als außergewöhnliche Belastung. Die Kosten einer Scheidung lassen sich dagegen grundsätzlich geltend machen (außergewöhnliche Belastung). Das gilt auch dann, wenn sich die zerstrittenen Ehepartner wieder versöhnen.
Wer einen Unfall auf dem Arbeitsweg hat, der kann die Ausgaben dafür als Werbungskosten absetzen. Wer beim Autokauf betrogen wird und einen Anwalt einschaltet, kann die Gebühren als außergewöhnliche Belastung absetzen.
Sachlichkeit durch Mediator
Anders als Richter kümmern sich Mediatoren auch um das gekränkte Ego von Streitparteien. „Oft schalten die Beteiligten auf stur, weil sich der Konflikt zu einer privaten Fehde entwickelt hat“, sagt Mediator Frank Schmidt aus Nürnberg. Ein Mediator helfe den Kontrahenten, wieder sachlich miteinander umzugehen.
Geht es um Zoff in der Nachbarschaft, sind kommunale Schiedsämter die richtige Adresse. „Als Nichtjuristen schalten wir den gesunden Menschenverstand ein, um Konflikte zu lösen“, sagt Barbara Materne-Blunk, ehrenamtliche Schiedsfrau in Düsseldorf. Materne moderiert das Gespräch und macht Lösungsvorschläge. Die Streitparteien müssen selbst einen Kompromiss finden, es gibt keine Verlierer.
Selbst wenn der Rechtsschutzversicherer zahlt, am Ende bleibt oft ein Betrag übrig, den die Streitparteien selbst tragen müssen. Unter bestimmten Voraussetzungen können sie diese Kosten steuerlich geltend machen.
Unter Umständen als Werbungskosten absetzbar
Sind die Prozess- oder Mediationskosten mit einer Einkunftsart verknüpft, beispielsweise Mieteinnahmen, sind sie als Werbungskosten absetzbar. Gibt es keinen Bezug zu Einkünften, lassen sich die Kosten als außergewöhnliche Belastung geltend machen. „Mediation oder Prozess müssen dann allerdings unvermeidbar gewesen sein“, sagt Steuerberater Oliver Braun bei Ecovis in Grafing bei München. Die Beweislast liege beim Steuerzahler.
2011 versuchte das Bundesfinanzministerium (BMF) ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) zu kippen. Der BFH hatte entschieden, dass Kosten für einen Zivilprozess als außergewöhnliche Belastung absetzbar sind, solange die Klage Aussicht auf Erfolg hatte (VI R 42/10). Das BMF wies die Finanzämter an, das Urteil nicht anzuwenden. In diesem Jahr entschied jedoch das Finanzgericht Düsseldorf, dass die Kosten für eine Scheidung abzugsfähig sind, soweit sie die Trennung und den Ausgleich von Rentenansprüchen betreffen (10 K 2392 12 E).
Hartnäckigkeit zahlt sich aus, egal, ob das Finanzamt oder der Rechtsschutzversicherer zahlen soll.