Sowohl für die Leistungen als auch für die Prämienhöhe erhielten die Tarife Punkte. In die Gesamtnote gingen die Leistungen mit 65 Prozent und die Prämienhöhe mit 35 Prozent ein. „Die Konditionen eines Tarifs entscheiden darüber, wann der Versicherer tatsächlich leistet. Das ist bei einem Rechtsstreit, der mehrere Zehntausend Euro kosten kann, wichtiger als zehn Euro, die sich bei der Prämie sparen lassen“, sagt Stephan Schinnenburg, Geschäftsführer von Morgen & Morgen.
So zahlen die im Vergleich der WirtschaftsWoche ausgewählten Tarife auch immer dann, wenn lediglich der Auslöser des Rechtsstreits innerhalb der Vertragslaufzeit liegt. Das ist wichtig: Andere Tarife übernehmen Kosten erst dann, wenn auch die Ursache eines Konflikts nach Abschluss der Versicherung aufgetreten ist. Beispiel: Bei einem Verkehrsunfall entsteht an den beteiligten Autos erheblicher Sachschaden. Die Unfallgegner streiten sich um die Reparaturkosten. Nach Analyse der Unfallursachen steht fest, dass ein Fahrzeugdefekt mitverantwortlich war. Diesen Defekt hatte das Fahrzeug schon, bevor der rechtsschutzversicherte Fahrer seine Police abgeschlossen hatte. Stellt der Versicherer auf das Ereignis ab, wird er die Kosten eines Prozesses übernehmen. Geht er dagegen von der Ursache aus, geht der Autofahrer leer aus.
Wichtig: Bei allen Tarifen gilt eine Wartezeit, in der die Versicherung keine Kosten für Anwalt oder Gericht übernimmt. In der Regel dauert sie zwischen zwei und drei Monaten. Kundenfreundlich sind beispielsweise die Tarife Örag RS und HDI Rundum Sorglos, denn die Wartezeit gilt nur für Arbeitsrecht sowie Wohnungs- und Grundstückrecht. Privat- und Verkehrsrecht sind vom ersten Tag an abgedeckt.
Kunden vor die Tür gesetzt
Wer eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen hat, liegt aber nicht zwangsläufig für alle Zeit auf einem Ruhekissen. Meist läuft der Vertrag nur über ein Jahr und verlängert sich automatisch um weitere zwölf Monate, wenn der Versicherte nicht kündigt. Versicherer können zum Jahresende mit einer Frist von drei Monaten kündigen.
Bei den meisten Policen kann der Versicherer aber auch bereits nach dem zweiten Rechtsstreit aus dem Vertrag aussteigen. 37 von 39 bewerteten Tarifen haben eine solche Ausstiegsklausel. Die Tarife von Auxilia setzen die Versicherten dagegen erst nach dem dritten Prozess vor die Tür.
Wie die WirtschaftsWoche und Morgen&Morgen 113 Rechtsschutztarife analysiert und bewertet haben
Aus den 113 angebotenen Rechtsschutztarifen wurden 39 Tarife ausgewählt, die folgende Mindestkriterien erfüllen:
- Auslandsschutz: Wer beruflich und privat viel außerhalb Europas unterwegs ist, ist abgesichert.
- Kundenfreundliche Schadensregulierung: Der Versicherer prüft nur, ob der Auslöser des Rechtsstreits innerhalb der Vertragslaufzeit eingetreten ist, und nicht, ob die Ursache vielleicht schon vor Abschluss der Versicherung liegt.
- Kostenloses Konfliktmanagement: Ein Versicherer lehnt die Kostenübernahme ab, beispielsweise weil er den Prozess für aussichtslos hält. Der Anwalt des Versicherten kann dann begründen, warum ein Gerichtsverfahren dennoch erfolgreich sein kann (Stichentscheid). Der Stichentscheid ist für beide Seiten bindend, die Kosten trägt der Rechtsschutzversicherer.
- Internet-Schutz: Weltweiter Rechtsschutz für sämtliche über das Internet abgeschlossenen Verträge.
- Opferschutz: Opfer von Straftaten können vor Gericht als Nebenkläger auftreten. Die entsprechenden Kosten sind abgedeckt.
Bewertet wurden die wichtigsten Konditionen der vier Bausteine Privatrecht, Verkehrsrecht, Berufsrecht sowie Wohnungs- und Grundstücksrecht. Zu den bewerteten Leistungen zählten beispielsweise die Höhe der von der Police maximal abgesicherten Summe sowie die Übernahme von Kosten für Mediation und anwaltliche Beratung vor einem Gerichtsverfahren. Grundlage für die Punktzahl sind Musterkonditionen. Wie viel Punkte ein Rechtsschutztarif bekam, hing davon ab, ob die Vorgaben übererfüllt oder verfehlt wurden (siehe Tabelle).
Nicht alle Tarife bieten eine Prämie für Singles. Daher flossen in die Gesamtnote ausschließlich die Beiträge von Familien für alle vier Bausteine ein. Für die Punktzahl ist der Abstand zur Durchschnittsprämie aller bewerteten Tarife entscheidend. Tarife, die preisgünstiger waren als der Durchschnitt, bekamen mehr Punkte. Wer teurer war als der Schnitt, erhielt weniger Punkte.
Ausschlaggebend für die Gesamtnote ist das Preis-Leistungs-Verhältnis der Rechtsschutztarife. Dabei gingen die Punkte für die Konditionen zu 65 Prozent, die Höhe der Prämie zu 35 Prozent ein. Der Schwerpunkt der Note liegt bei den Leistungen, weil sie entscheidend dafür sind, ob und wie viel der Versicherer tatsächlich zahlt, wenn ein Rechtsstreit zu finanzieren ist. Billigtarife schließen viele Leistungen aus. Zudem neigen Versicherer bei Policen mit sehr niedriger Prämie häufig dazu, bei der Regulierung von Prozesskosten restriktiver zu sein. Die addierten Punktwerte für Leistungen und Prämie wurden in Tarif-Noten von +++ (sehr gut) bis –– (sehr schwach) umgerechnet.
Wie kulant zeigt man sich dem Kunden gegenüber?
Ein Rausschmiss kann Folgen haben. „Einmal gekündigt, ist es für Versicherte oft schwer, einen neuen Vertragspartner zu finden“, sagt Peter Grieble, Versicherungsexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Wer zu oft klagt, landet in der Datenbank HIS, in der die Versicherungsbranche auffällig teure Versicherte speichert.
Wer eine Rechtsschutzpolice abschließen will, sollte sich aber nicht allein am Tarifwerk und an der Höhe der Prämien orientieren. Wichtig ist auch, wie der Versicherer Vertragsklauseln auslegt, wie schnell er Anfragen abwickelt und wie kulant er sich gegenüber seinen Kunden zeigt. „Es ist auffällig, dass einige Versicherer ständig Unterlagen anfordern, die sie bereits erhalten haben“, sagt Nicole Mutschke, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht aus Düsseldorf. So werde die Schadensabwicklung verzögert.