Christoph Gallhöfer weist auf den Baum vor ihm. Der verästelt sich symmetrisch, in der Krone wird es dicht und etwas unübersichtlich. „Das ist der Stammbaum unserer Unternehmerfamilie, über mir und meinem Bruder stehen die neun Erben, die jetzt auf die Übernahme warten“, sagt Gallhöfer. Der Senior führt das gleichnamige Unternehmen im Kölner Vorort Hürth gemeinsam mit seinem Bruder. Um die Jahrtausendwende geriet der Großhandel für den Zimmererbedarf in Schwierigkeiten, man hatte sich mit der Expansion nach Ostdeutschland übernommen. Das Kerngeschäft musste an den französischen Großkonzern Saint-Gobain verkauft werden, bei den Gallhöfers verblieben eine Filiale für den Handel mit Spezialbaustoffen, ein Bodenverlegebetrieb und vor allem: der Immobilienbesitz.
Diese Steuersätze werden im Erbfall fällig
Steuerklasse I: 7 Prozent
Steuerklasse II: 15 Prozent
Steuerklasse III: 30 Prozent
Steuerklasse: Je nach Verwandtschaftsgrad
Quelle: Erbschaftsteuergesetz
Steuerklasse I: 11 Prozent
Steuerklasse II: 20 Prozent
Steuerklasse III: 30 Prozent
Steuerklasse I: 15 Prozent
Steuerklasse II: 25 Prozent
Steuerklasse III: 30 Prozent
Steuerklasse I: 19 Prozent
Steuerklasse II: 30 Prozent
Steuerklasse III: 30 Prozent
Steuerklasse I: 23 Prozent
Steuerklasse II: 35 Prozent
Steuerklasse III: 50 Prozent
Steuerklasse I: 27 Prozent
Steuerklasse II: 40 Prozent
Steuerklasse III: 50 Prozent
Steuerklasse I: 30 Prozent
Steuerklasse II: 43 Prozent
Steuerklasse III: 50 Prozent
Gefräßige Konzerne
Den vermieten sie seitdem an Saint-Gobain, und mit einer Dekade Abstand zieht Gallhöfer ein gemischtes Fazit: „Natürlich ist es schade, dass das Kerngeschäft nicht mehr in Familienhand ist, aber finanziell geht es uns heute ganz gut.“ Das sehen auch die Erben. Einen niedrigen siebenstelligen Ertrag wirft das Restgeschäft ab, das ergibt für jeden eine auskömmliche Grundrente, wenn alles glattläuft. Bisher haben die Brüder 40 Prozent der Besitztümer übergeben, die weiteren Anteile sollten folgen. Doch jetzt warnt Gallhöfer: „Wenn die Verschonungsregeln gekippt würden, müssen unsere Kinder verkaufen, und dann geht wieder ein Familienunternehmen an einen gefräßigen Konzern.“
Das soll bedrohlich klingen, doch so richtig verfängt das Argument nicht. Die Gallhöfers selbst kann man verstehen. Doch wo liegt der Beitrag zum Gemeinwohl, wenn die Erben ihre Immobilien vermieten? Hier scheinen weder Arbeitsplätze in Gefahr zu sein noch die langfristig orientierte Unternehmenskultur. Saint-Gobain hat bei der Übernahme alle Mitarbeiter weiterbeschäftigt.
Auch Christoph Gallhöfers eigene Steuergeschichte spricht eher nicht dafür, dass die Erbschaftsteuer das Unternehmen vernichten könnte. In den Achtzigerjahren hat er genau das erlebt, wovor Unternehmer wie von Eben-Worlée jetzt wortgewaltig warnen. Sein Vater verstarb plötzlich, auf einmal standen er und sein Bruder mit Firma, aber ohne geregeltes Erbe da. Die Erbschaftsteuer konnten die beiden nicht allein über Gesellschafterkredite bezahlen. „Wir mussten einen Teil unseres Privatvermögens verkaufen, um die Steuer zu bezahlen“, erinnert sich Gallhöfer und legt die nötige Andacht in seine Stimme. Doch als er darüber nachsinnt, was genau damals verkauft wurde, kommt die Erinnerung und er gerät ins Schmunzeln. „Die Briefmarkensammlung!“
Was Gallhöfers Anekdote nahelegt, stützen andere mit Gutachten. „Es war nicht möglich, einen konkreten Fall zu benennen, bei dem ein Betrieb aufgrund der Erbschaftsteuer aufgegeben, veräußert oder zahlungsunfähig wurde,“ heißt es in einem Bericht des wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium zur Erbschaftsteuer von 2012. Mitautor Lars Feld, Professor an der Universität Freiburg und Mitglied der Fünf Wirtschaftsweisen, wird deutlicher: „Die Warnung vor Arbeitsplatzverlusten ist absichtliche Panikmache“, meint er. „Die derzeitige Befreiung von Betriebsvermögen ist zu generös. Es gibt zu viele Gestaltungsmöglichkeiten, die dazu führen, dass gerade besonders große Privatvermögen bei Vererbung verschont werden.“ Sein Plädoyer: „Es wäre fairer, Privat- und Betriebsvermögen gleich zu behandeln. Im Gegenzug müssen die Steuersätze verringert und die Freibeträge deutlich erhöht werden.“ Außerdem, so Feld, müssten Stundungsregeln sicherstellen, dass die Steuerlast auf mehrere Jahre verteilt werden könne.