Rein rechtlich

Anziehen ist Arbeitszeit

Die Zeit zum Anlegen von Dienstkleidung gehört zur Arbeitszeit. Dies müssen Arbeitgeber bei der Stundenabrechnung berücksichtigen, entschied das Landesarbeitsgericht Düsseldorf.

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Die spannendsten Arbeitsrechturteile
Ein Bonbon vom Karnevalsumzug Quelle: dpa
Die zuständige Behörde:Landesarbeitsgericht Rheinland-PfalzDer Fall: Ein Mitarbeiter einer Chemiefirma hatte sich nach einem Personalgespräch, bei dem er von seinem Vorgesetzten aus dem Zimmer geworfen worden war, im Kollegenkreis Luft gemacht. Beim Rauchen in einer kleinen Gruppe nannte er den Chef einen Psychopathen. Der Vorgesetzte bekam das mit und schickte die Kündigung.Das Urteil: Eine solche grobe Beleidigung sei zwar eine „erhebliche Ehrverletzung“ des Vorgesetzten und „an sich“ ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung. Im konkreten Fall hätte aber eine Abmahnung des Mitarbeiters genügt. Der Mann hatte seinen Chef nicht direkt beleidigt, sondern hatte im Kollegenkreis über ihn hergezogen. Und das ist zwar nicht die feine Art, aber nicht verboten (Az.: 5 Sa 55/14). Quelle: Fotolia
Die zuständige Behörde:Arbeitsgericht LeipzigDer Fall: Eine Reinigungskraft hat ihre Vorgesetzte als "Krücke" bezeichnet und wurde daraufhin gekündigt. Das Urteil:Wenn innerhalb des Teams ein eher rauer Umgangston herrscht, ist die Bezeichnung Krücke kein Grund für eine außerordentliche oder ordentliche Kündigung. Es stellt außerdem keine grobe Beleidigung dar, wenn der Ausdruck eine Grundhaltung des Reinigungsteams gegenüber der offenbar nicht anerkannten Vorgesetzten ist (Aktenzeichen: 10 Ca 8391/04). Quelle: Fotolia
Die zuständige Behörde:Arbeitsgericht Frankfurt/MainDer Fall: Ein Arbeitgeber hielt den Kleidungsstil eines Angestellten offenbar für unpassend und mahnte ihn deshalb wegen "urlaubsmäßiger" Kleidung ab. Das Urteil:Kleidung ist grundsätzlich Privatsache. Eine Kleiderordnung, beispielsweise Uniformpflicht, kann aber über das sogenannte Direktionsrecht erlassen werden. Wer das nicht tut, muss die Aufmachung der Mitarbeiter hinnehmen. Andernfalls muss konkreter abgemahnt werden, beispielsweise wegen zu knapper Röcke, oder weil der Arbeitnehmer in Badekleidung im Büro erscheint. "Urlaubsmäßige Kleidung" ist dagegen kein Grund. (9 Ca 1687/01). Quelle: dpa
Die zuständige Behörde:Landgericht KölnDer Fall: Eine Frau, die befristet - als Schwangerschaftsvertretung - in einem Unternehmen arbeiten sollte, wurde selber schwanger. Daraufhin kündigte ihr der Arbeitgeber.Das Urteil: Frauen soll durch eine Schwangerschaft kein beruflicher Nachteil entstehen. Wird die Vertretung ebenfalls schwanger, darf sie nicht aus diesem Grund gekündigt werden (Az. 6 Sa 641/12). Quelle: dpa
Die zuständige Behörde:Landesarbeitsgericht HammDer Fall: Ein Unternehmen fand es gar nicht komisch, dass einer der Mitarbeiter einen Roman mit dem Titel "Wer die Hölle fürchtet, kennt das Büro nicht" verfasst hatte. Der Arbeitgeber war überzeugt, dass in dem Roman echte Kollegen beschrieben und negativ dargestellt worden sind, worauf der Autor fristlos entlassen wurde.Das Urteil: Die Richter kassierten die Kündigung: Handlung und Charaktere des Romans seien fiktiv, das Werk des Angestellten unterliege der Kunstfreiheit. Quelle: Screenshot
Die zuständige Behörde:Landgericht KölnDer Fall: Ein Angestellter in der Kundendienstabteilung wurde beauftragt, Adressen aus dem Telefonbuch abzuschreiben und wurde dafür mehr oder weniger eingesperrt. Selbst zur Toilette durfte er nur in Begleitung des Betriebsleiters. Das Urteil:Auch wenn sich Arbeitgeber und -nehmer nicht mögen, müssen dem Mitarbeiter vertragsgerechte Aufgaben und ein funktionales Arbeitsumfeld gestellt werden. Weil das nicht der Fall war und sich der Arbeitgeber schikanös verhielt, durfte der Kläger kündigen, wurde aber bis zum Ablauf der Kündigungsfrist weiter bezahlt. Quelle: Fotolia

Geklagt hatte ein Kfz-Mechaniker gegen seine Arbeitgeberin, ein städtisches Verkehrsunternehmen. Der Mitarbeiter war angewiesen, Dienstkleidung in Form einer Bund-oder Latzhose, einer Jacke und/oder Weste sowie T-Shirt oder Poloshirt, alles versehen mit dem Logo der Arbeitgeberin, zu tragen. Eine dazugehörige Betriebsvereinbarung regelt zudem, dass eine private Nutzung der Kleidung nicht gestattet ist. Diese verblieb im Betrieb und werden dort auch gereinigt. Trotzdem sah das Unternehmen die Umkleidezeiten vor und nach der Arbeit nicht als vergütungspflichtige Arbeitszeit an. Auch die Zeit zum Duschen im Unternehmen nach Verrichtung der Arbeit, bei der eine Verschmutzung eintrat, wurde den Mitarbeitern nicht vergütet.

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Der Kläger vertrat nun die Rechtsauffassung, dass beides, sowohl die Umkleidezeiten als auch die Waschzeiten (10 Minuten pro Dusche) zur Arbeitszeit gehören und demnach zu vergüten seien. Er forderte entsprechend eine Gehaltsnachzahlung. 

Ina-Kristin Hubert Quelle: Presse

Mit Erfolg. Die 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf gab dem Kläger in einer vorläufigen Rechtsauffassung zumindest teilweise Recht (Az.: 9 Sa 425/15).

Die Umkleidezeiten gehören zur Arbeitszeit, denn die Dienstkleidung darf nicht privat getragen werden. Sie gilt daher als „fremdnützig“. Umkleidezeiten sind also dann Arbeitszeit, wenn das Umziehen im Interesse des Arbeitgebers steht. Dies setzt voraus, so die Düsseldorfer Richter, dass die Dienstkleidung während der Arbeitszeit aufgrund einer Weisung des Arbeitgebers zu tragen und die private Nutzung ausgeschlossen sei. Das war hier der Fall.

Zu den Waschzeiten äußerte sich das Gericht dagegen kritisch. Möglicherweise würde es sich bei den Waschzeiten dann um Arbeitszeit handeln, wenn das Waschen hygienisch zwingend notwendig sei. Eine solche Notwendigkeit sahen die Richter im vorliegenden Fall aber nicht. Eine zehnminütige Dusche sei aber wohl ohnehin zu lang, um noch als Arbeitszeit zu gelten.

Das Gericht schlug nun einen Vergleich vor: Die Umkleidezeiten zu je 5 Minuten zu Arbeitsbeginn und Arbeitsende sind als Arbeitszeit zu vergüten, nicht hingegen die Zeit für das Duschen. Dies hätte eine Gehaltsnachzahlung allein für den Kläger für die Monate März bis Oktober 2014 in Höhe von 375,04 Euro brutto zur Folge.

Beide Parteien können diesen Vergleich noch bis zum 24.8.2015 widerrufen. Wie das Landesarbeitsgericht Düsseldorf entscheiden würde, ist jedoch relativ eindeutig. Unabhängig davon, welchen Weg die Parteien wählen, hat das vorliegende Verfahren zur Folge, dass sich die Arbeitgeberin erheblichen Gehaltsnachforderungen diverser Mitarbeitergruppen ausgesetzt sieht.

Insofern sollte der Frage, was eigentlich alles zur Arbeitszeit gehört, in der Praxis mehr Beachtung geschenkt werden. Sonst kann es für den Arbeitgeber teuer werden.

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