Rein rechtlich

Bundesfinanzhof: Mehr Zeit für Erben

Erbt ein Kind zusammen mit anderen ein Familienheim und zieht darin innerhalb angemessener Zeit ein, bleibt das Erbe steuerfrei. Wann sich die Erben über die Aufteilung einigen, ist unerheblich.

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Testament Quelle: dpa

Zwei Geschwister erbten von ihrem im Dezember 2010 verstorbenen Vater je zur Hälfte diverse Grundstücke, darunter auch ein Zweifamilienhaus. Eine Wohnung darin wurde vom Vater vor dessen Tod zusammen mit der Schwester genutzt. Ende 2011 zog der Bruder mit seiner Ehefrau in diese Wohnung ein. Die zweite Wohnung im Haus war fremdvermietet. Bei der Aufteilung des Erbes zwischen den Geschwistern im Rahmen der sogenannten Erbauseinandersetzung im März 2012 – also mehr als ein Jahr nach dem Tod des Vaters - wurden die einzelnen Gegenstände des Nachlasses auf die Erben so verteilt, dass der Bruder das mit dem Zweifamilienhaus bebaute Grundstück, die Schwester andere Grundstücke jeweils als Alleineigentum erhielten.

Das Finanzamt gewährte dem Bruder die vom Gesetz vorgesehene sachliche Steuerbefreiung für das Familienheim, also die selbstgenutzte Wohnung, nur entsprechend seines Erbteils (50 Prozent). Voraussetzung für die Steuerfreiheit ist allerdings, dass der Erbe zehn Jahre nach dem Erbfall dort wohnen bleibt.

Zur Person

Für die fremdvermietete Wohnung gewährten die Beamten den üblichen Wertabschlag von zehn Prozent ebenfalls nur zur Hälfte. Für die andere Hälfte musste jeweils Erbschaftsteuer bezahlt werden. Begründet wurde dies damit, dass die Erbauseinandersetzung nicht zeitnah erfolgt sei, sondern mehr als ein Jahr auf sich warten ließ. Darüber hinaus zweifelten die Finanzbeamten an der unverzüglichen Selbstnutzung des Familienheims durch den Bruder.

Der Sohn klagte daraufhin und forderte jeweils die volle Steuerbefreiung. Nun gab ihm der Bundesfinanzhof (BFH) in einem Urteil recht (Az.: II R 39/13). Die Münchner Richter stellten klar, dass sowohl der Erbteil selbst (50 Prozent) als auch der erst im Rahmen der Aufteilung der Erbengemeinschaft mit der Schwester erworbene, über den Erbteil hinausgehende Anteil (50 Prozent) am Zweifamilienhaus steuerbefreit seien. Letzteres ergibt sich aus einer Spezialregelung, die nicht dem eigentlichen Erben – hier der Schwester -, sondern dem Erwerber bei Nachlassaufteilung - hier dem Bruder - die Steuerbefreiungen für ein Familienheim bzw. eine zu Wohnzwecken vermietete Immobilie zuweist. Insofern wird die Begünstigung übertragen. Der „Begünstigungstransfer“ erfolgt jedoch nur dann, wenn der Zweiterwerber selbst die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung erfüllt. 

Tanja Creed Quelle: PR

Damit muss das erworbene Familienheim unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt werden. Der Erbe muss also innerhalb angemessener Zeit nach dem Erbfall die Absicht fassen, das Familienheim selbst für eigene Wohnzwecke zu nutzen. Diese Absicht hat er durch seinen Einzug auch tatsächlich umzusetzen und gegenüber dem Fiskus zu dokumentieren. Angemessen ist dabei laut BFH regelmäßig ein Zeitraum von sechs Monaten; dem Erbe wird insofern eine Prüfungs- und Überlegungszeit zugestanden sowie eine weitere Phase für die notwendige Gestaltung des Heims für eigene Wohnzwecke und den Umzug.

Aber auch nach Ablauf von sechs Monaten kann die Begünstigung noch gelten, wenn die verzögerte Nutzung gut begründet ist. Ein solcher Grund können zum Beispiel eine langwierige Erbauseinandersetzung oder offene Fragen zum Erbanfall sein. Vorsicht geboten ist bei Renovierungen. Hier gilt grundsätzlich die Regelfrist, es sei denn, es gibt triftige Gründe dafür, warum sich die Renovierung über sechs Monate hinauszieht (beispielweise wegen gravierender Mängel). Der Fiskus muss Erben also mehr Zeit einräumen, bis über eine Eigennutzung abschließend entschieden ist.

Keine Voraussetzung für den jeweiligen Begünstigungstransfer ist laut BFH, dass die Erbauseinandersetzung zeitnah zum Erbfall erfolgt. Der Vertrag zur Aufteilung des Erbes muss also nicht innerhalb von sechs Monaten geschlossen und vollzogen werden. Damit war es im entschiedenen Fall unerheblich, dass die Erbauseinandersetzung erst mehr als ein Jahr nach dem Erbfall erfolgte. Angesichts der Komplexität von Erbfällen eine begrüßenswerte Entscheidung.

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