Rein rechtlich
Grundriss Quelle: imago images

Das vorläufige Ende der Preisbindung für Architekten und Ingenieure

Die deutsche Honorarordnung für Architekten und Ingenieure verstößt nach einem Urteil des EuGH gegen europäisches Recht. Damit sind einem neuen Preiswettbewerb bei Planungsleistungen Tür und Tor geöffnet. Billiger und besser wird Bauen aber nicht zwingend, erklärt der Baurechtsexperte Bernd Schneider von der Kanzlei Norton Rose Fulbright.

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Geklagt hatte die Europäische Kommission gegen die Bundesrepublik, weil Deutschland gegen die Dienstleistungsrichtlinie verstoßen hat, indem es verbindliche Honorare für Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren mit Sitz in Deutschland vorgegeben hat. Mindest- und Höchstpreise dürften nach Europäischem Recht nur vorgeschrieben werden, wenn sie keine Diskriminierung darstellen und zur Verwirklichung eines zwingenden Grundes des Allgemeininteresses erforderlich und verhältnismäßig sind.

Das ist bei der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) nicht der Fall, entschied nun Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in einem am 4. Juli 2019 veröffentlichten Urteil (Az.: C-377/17). Die HOAI füge sich nicht in eine einheitliche und nachvollziehbare Gesamtregelung zur Sicherung der Qualität von Planungsleistungen ein. Es gebe auf der einen Seite zwar Mindestpreise, was durchaus erlaubt sein könne, auf der anderen Seite sei aber nicht sichergestellt, dass Planungsleistungen immer von qualifizierten Planern erbracht würden. Somit ist die Preisregelung der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) in ihrer bisherigen Form europarechtswidrig.

Das Urteil hat erhebliche Folgen für die Festsetzung von Preisen für die Leistungen von Architekten und Ingenieuren. Neben einem deutlich verschärften Preiswettbewerb entsteht vor allem Rechtsunsicherheit für laufende Verträge solcher Planungsleistungen.

Zeitenwende für Architekten

Das Urteil bedeutet eine Zeitenwende für Architekten und Ingenieure. Staatlich festgesetzte Preise für ihre Leistungen wird es in Zukunft nicht mehr geben. Es ist nämlich kaum vorstellbar, dass der Staat das Preisrecht und das Berufsrecht für solche Leistungen so umgestalten kann, dass es den Anforderungen des EuGH genügt. Vermutlich wird die Bundesregierung jetzt ein System von Richtwerten für die Vergütung solcher Leistungen schaffen, das dann nur noch sehr eingeschränkt verbindlich sein dürfte.

Der damit einhergehende schärfere Wettbewerb könnte zu besseren Preisen für die Bauherren führen. Für sie dürften die Architekten- und Ingenieurleistungen tendenziell billiger werden, zumindest wenn sich die derzeitige Baukonjunktur irgendwann abkühlt. In der Vergangenheit war zu beobachten, dass solche Leistungen tatsächlich häufig unter den Mindestsätzen erbracht wurden. Nicht umsonst haben die Architektenverbände sich so vehement für die HOAI eingesetzt. Damit ist es nun vorbei.

Das Urteil platzt in eine Zeit, in der sich Planungsbüros einem Strukturwandel ausgesetzt sehen, der durch die derzeit gute Konjunktur etwas verdeckt wird. Dabei geht es um Digitalisierung, zunehmende Spezialisierung, Zusammenschlüsse, und das zunehmende Auftreten großer ausländischer Büros.

Der Wegfall der HOAI dürfte nun den Wandel im mittleren Marktsegment beschleunigen. Das kann aber auch dazu führen, dass der Berufsstand sich teilweise neu erfindet, sich neue Tätigkeitsfelder erschließt und Aufgaben zurückgewinnt, die an „Systemanbieter“ und Bauindustrie verloren wurden. Die Honorarordnung hat den Wandel etwas gebremst, das Urteil könnte also für die Branche belebend wirken.

Für Bauherren droht Rechtsunsicherheit

Rechtsunsicherheit herrscht allerdings mit Blick auf die Übergangszeit, bis die HOAI angepasst oder abgeschafft ist. Zwar bleiben bestehende Architektenverträge wirksam. Über die Höhe der Vergütung sind aber Diskussionen zu erwarten. Klar ist auch, dass Bauherr und Planer die HOAI „freiwillig“ vereinbaren können und eine solche Bezugnahme auf die HOAI in bestehenden Verträgen weiterwirkt. Unklar ist die Situation jedoch bei Fällen, in denen ein Honorar außerhalb des Preisrahmens der HOAI vereinbart wurde und eine Partei versucht, dies unter Berufung auf die HOAI zu ihren Gunsten zu verändern.

Einige Gerichte haben erkennen lassen, dass sie die HOAI zunächst weiter anwenden werden, andere Gerichte haben laufende Verfahren angehalten. Das kann nur so verstanden werden, dass sie eine europarechtswidrige HOAI nicht anwenden wollen.

Diese Frage wird von den Gerichten geklärt werden müssen. Dabei könnte wiederum der EuGH eine Rolle spielen, denn dort liegt neben dem jetzt entschiedenen Fall noch ein zweites Verfahren betreffend der HOAI. Es kann aber auch so kommen, dass der Staat die festen Preise der HOAI ganz schnell für unverbindlich erklärt.

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