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Rein rechtlich

Dilemma für Steuerhinterzieher

Nach einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung lehnen Finanzämter in Nordrhein-Westfalen die Selbstanzeigen von Credit Suisse-Kunden reihenweise ab. Spätestens mit der Veröffentlichung von Medienberichten, dass den Steuerfahndern in NRW eine Liste der Zeichner von Versicherungsmänteln der Credit Suisse Life Bermuda Ltd. vorliege, sei die Tat entdeckt bzw. hätten die Anleger mit der Tatendeckung rechnen müssen. Doch der Fiskus bewegt sich dabei – wie die Praxis zeigt – auf dünnem Eis. Weder sind selbst abgelehnte Selbstanzeigen nutzlos, noch muss sich die vorgebliche Tatendeckung vor Gericht als richtig erweisen.

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Finanzämter in Nordrhein-Westfalen lehnen die Selbstanzeigen von Credit Suisse-Kunden ab. Quelle: dapd

Eine Selbstanzeige ist dann unwirksam, wenn die Steuerhinterziehung den Behörden schon bekannt war (Tatentdeckung) und der Täter dies wusste oder damit rechnen musste, ferner wenn die Steuerfahnder schon vor der Tür standen, oder bereits ein Straf- oder Bußgeldverfahren bekannt gegeben wurde. Entscheidend ist für die Tatentdeckung, dass sowohl die objektive Komponente, also der Abgleich der beispielsweise auf einer Steuer-CD enthaltenen Daten mit der Steuerakte, als auch die subjektive Komponente, dass der Steuerpflichtige mit einer Entdeckung rechnen können muss, zutreffen.

Die objektive Komponente setzt in der Regel voraus, dass ein Abgleich mit der Steuerakte des Betroffenen ergeben hat, dass die Erträge der Steuerquelle nicht oder unrichtig angegeben worden sind. Stellt sich dabei heraus, dass Kapitaleinkünfte nicht oder nicht in voller Höhe erklärt worden sind, gilt die Tat in der Regel als entdeckt. Es ist meistens zum Zeitpunkt der Selbstanzeige aber völlig unklar, inwieweit ein Abgleich mit den Steuerakten schon stattgefunden hat. Selbst Hausdurchsuchungen können erst einmal dazu dienen den Anfangsverdacht zu konkretisieren und lösen nicht per se die Tatentdeckung aus.

Dr. Christine Varga

Darüber hinaus tritt eine Tatentdeckung aber auch dann ein, wenn der Steuerpflichtige von nahestehenden Personen beim Finanzamt „angeschwärzt“ wurde, oder bei verschleierten Steuerquellen, wenn die Art und Weise der Verschleierung nach kriminalistischer Erfahrung ein signifikantes Indiz für unvollständige oder unrichtige Angaben ist. Dies ist bei Nummernkonten- und Treuhandgestaltungen anzunehmen. Nach wie vor ist allerdings ungeklärt, inwieweit diese Annahme bei den in der Diskussion stehenden Versicherungsmänteln zutrifft.

Obgleich die in Rede stehenden Lebensversicherungsmäntel durch die Übertragung des Anlagevermögens an die Versicherungsgesellschaft im Einzelfall für Verschleierungszwecke geeignet sein mögen, handelt es sich nicht um Verschleierungsmodelle „per se“, die auch ohne einen Abgleich mit der Steuerakte die Tatentdeckung auslösen würden.

In subjektiver Hinsicht kann daran gezweifelt werden, dass allein die Angabe, dass es sich um bei den bei der Credit Suisse entwendeten Daten um Lebensversicherungsmäntel handelt, die Folge auslöst, dass der Steuerpflichtige damit rechnen muss, dass genau sein Datensatz bei den entwendeten Daten dabei ist. Daher ist die subjektive Komponente der Tatentdeckung nach wie vor fraglich – daran ändern auch die Schreiben der nordrhein-westfälischen Finanzämter nichts.

Anlegern ist daher nach wie vor anzuraten, den Weg der Selbstanzeige zu beschreiten, auch wenn die Rechtslage unklar ist. Die Verfolgungsbehörden werten die Selbstoffenbarung gegenüber dem Fiskus in aller Regel wie ein Geständnis als strafmildernd, weil durch die Selbstanzeige der Täter Reue zeigt und die Steuerschuld nebst Zinsen begleicht. Die Warnschüsse der nordrhein-westfälischen Kavallerie, um im Bild des ehemaligen Finanzministers Peer Steinbrück zu bleiben, sollten niemanden davon abhalten, reinen Tisch zu machen.

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