
Im Fokus der Karlsruher Richter standen gleich zwei Fälle. Ein Grundstücksbesitzer hatte ein von ihm erworbenes Gelände verpachtet und den Pächter vertraglich verpflichtet, die Stromkosten zu tragen. Basis dafür war ein eigener Vertrag des Grundstückeigentümers mit einem Versorgungsunternehmen. Dieser Verpflichtung kam der Pächter jedoch nicht nach. Er verbrauchte aber erhebliche Mengen an Strom, ohne mit dem Energieversorger einen entsprechenden Vertrag abzuschließen. Die Rechnung des Versorgers zahlte der Pächter nicht.
Zu Unrecht, entschied nun der Bundesgerichtshof (BGH). Zwischen Pächter und Versorger sei ein Energieversorgungsvertrag zustande gekommen. Denn die sogenannte Realofferte eines Energieversorgungsunternehmens richtet sich typischerweise an denjenigen, der die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Anschluss ausübt – also den Mieter oder Pächter.

Die Eigentümerstellung an sich ist hierfür nicht allein maßgeblich. Indem der Pächter Strom verbraucht, nimmt er aus objektiver Sicht des Energieversorgungsunternehmens die an ihn gerichtete Realofferte an - und ist damit Vertragspartner des Stromlieferanten. Da dieses Urteil auch auf andere Versorgungssparten und Mietverhältnisse übertragbar ist, hat es eine sehr weitgehende Wirkung für die gesamte Versorgungsbranche.
Zur Person
Thomas Wolf berät zu juristischen und regulatorischen Fragen in den Bereichen Anreizregulierung, Missbrauchsaufsicht sowie zu energiewirtschaftlichen Umstrukturierungs- und Transaktionsprozessen. Daneben vertritt Wolf Energieversorgungsunternehmen umfassend zu energierechtlichen und regulatorischen Fragestellungen in Behörden- und Gerichtsverfahren.
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Wer einen Mietvertrag unterschreibt, zahlt
Ähnlich große Auswirkungen dürfte die zweite Entscheidung der obersten Bundesrichter haben. Die Mitmieterin eines Einfamilienhauses in Berlin hatte sich geweigert, für den jahrelangen Gasverbrauch aufzukommen. Sie verwies darauf, den Vertrag hätte sie nur aus "Bonitätsgründen" als zweite Mieterin unterschrieben, in dem Haus habe sie aber nie gewohnt. Das sei aber unerheblich, stellten die BGH-Richter klar (Az.: VIII ZR 313/13). Als Unterzeichnerin des Mietervertrags hätte sie nach außen erkennbar die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt ausgeübt. Das Vertragsangebot des Versorgungsunternehmens richte sich regelmäßig an alle Mieter und werde mit dem Abschluss des Mietvertrags angenommen.
Mit den Urteilen sind die Zeiten vorbei, in denen sich Mieter und Eigentümer gegenseitig die Verantwortung für die Energiekosten zulasten des Versorgers zugeschoben haben. Auch wenn ein schriftlicher Vertrag mit dem Versorger fehlt, müssen Pächter oder Mieter für Energiekosten aufkommen.
Selbst eine ganz geringfügige Energieentnahme durch den Eigentümer, zum Beispiel in einem kurzen Zeitraum von wenigen Tagen zwischen Eigentumserwerb und Übergabe des Grundstücks an den Pächter oder Mieter, führt nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs zu keiner anderen Beurteilung der vertraglichen Beziehungen. Unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen an stabilen Vertragsbeziehungen sind derartige kurzfristige und geringfügige Energieentnahmen zu vernachlässigen.