Geklagt hatte eine ehemalige Nokia-Mitarbeiterin gegen die Bevorzugung von Mitgliedern der IG Metall bei der Restrukturierung von Nokia Networks. Diese war aber rechtmäßig, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden (Az.: 4 AZR 796/13). Nach Ansicht der Erfurter Richter entsprechen die zwischen Nokia, der IG Metall und dem Betriebsrat seinerzeit ausgehandelten exklusiven Sonderzahlungen ausschließlich für Gewerkschaftsmitglieder geltendem Recht. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liege nicht vor.
Im vom BAG zu entscheidenden Fall plante der tarifgebundene Arbeitgeber zu Beginn des Jahres 2012 eine Betriebsschließung in München. In Verhandlungen mit dem Betriebsrat und der IG Metall konnte eine vollständige Schließung abgewendet werden. Stattdessen verständigte man sich auf einen Personalabbau bei gleichzeitiger Standortsicherung.
Zur Person
Rechtsanwalt Dr. Christoph Kurzböck ist als Associate in der Arbeitsrechtspraxis der Nürnberger Niederlassung von Rödl & Partner tätig. Er berät mittelständische und größere Unternehmen umfassend zu allen Fragestellungen des individualen und kollektiven Arbeitsrechts.
Zu diesem Zweck wurde unter anderem ein Transfer- und Sozialtarifvertrag abgeschlossen, der Abfindungen und Lohnzahlungen in bestimmter Mindesthöhe für diejenigen Arbeitnehmer vorsieht, die ihr bisheriges Arbeitsverhältnis mit Nokia zugunsten eines Transferarbeitsverhältnisses mit der Transfergesellschaft aufgeben. Darüber hinaus schlossen Nokia und die IG Metall einen weiteren, ergänzenden Tarifvertrag (ETV), der nach seinem persönlichen Geltungsbereich nur für diejenigen Gewerkschaftsmitglieder galt, „die bis einschließlich 23.03.2012, 12.00 Uhr Mitglied der IG Metall geworden sind“. Der ETV regelt eine weitere Abfindung von 10.000 Euro sowie ein höheres Gehalt bei der Transfergesellschaft.
Die Klägerin unterzeichnete daraufhin den dreiseitigen Transferarbeitsvertrag, in dem für den Abfindungsanspruch und die Monatsvergütung auf die beiden vorgenannten Tarifverträge Bezug genommen wurde. Die exklusiven Sonderzahlungen für Gewerkschaftsmitglieder erhielt sie jedoch nicht, da diese erst in der Zeit von Juli 2012 bis Januar 2013, also nach Abschluss obiger Vereinbarungen und somit auch dem relevanten Stichtag, Mitglied der IG Metall geworden war. Die Klägerin verlangte von Nokia und der Transfergesellschaft als Beklagten die im ETV vorgesehenen weiteren Leistungen und klagte.
Sie unterlag in allen Instanzen. Das Arbeitsgericht München (Az.: 25 Ca 8656/12) und das Landesarbeitsgericht München wiesen die Klage ab (Az.: 4 Sa 166/13). Auch die Revision der Klägerin vor dem Vierten Senat des Bundesarbeitsgerichts blieb ohne Erfolg.
Die Klägerin verlangte die Leistungen des ETV für Mitglieder der IG Metall, ohne zum ausschlaggebenden Zeitpunkt des Vertragsabschlusses Mitglied der Gewerkschaft gewesen zu sein. Zur Begründung stützte sie sich auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz sowie eine Verletzung der negativen Koalitionsfreiheit.
Kein Verstoß gegen Gleichbehandlungsgrundsatz
Nach Ansicht des BAG handelt es sich bei der Regelung im ETV jedoch um gar keine sogenannte einfache Differenzierungsklausel, also eine Klausel, die zwischen Gewerkschaftsmitgliedern und Nicht-Gewerkschaftsmitgliedern (Außenseitern) differenziert. Stattdessen unterscheidet diese Klausel, die den persönlichen Geltungsbereich definiert, vielmehr zwischen Alt-Gewerkschaftsmitgliedern und später eingetretenen Gewerkschaftsmitgliedern. Es handelt sich gleichsam um eine tarifliche „Binnenregelung“. Die Stichtagsregelung formuliert somit lediglich Anspruchsvoraussetzungen für die tariflichen Leistungen. Da es sich bei der Festlegung des persönlichen Geltungsbereichs um keine Differenzierungsklausel handelt, kommt auch ein Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nicht in Betracht.
Des Weiteren konnten die Richter auch keinen Verstoß gegen die negative Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG) der Außenseiter feststellen, da die Regelung im ETV als „Binnenregelung“ lediglich zwischen verschiedenen Gruppen von Gewerkschaftsmitgliedern differenziere. Diese schränke aber weder die Handlungs- noch die Vertragsfreiheit des Arbeitgebers noch die der Außenseiter ein. Auch ein unzulässiger faktisch erhöhter Beitrittsdruck zur Gewerkschaft resultiere daraus nicht.
Das sehr feinsinnige Urteil des BAG ist unter formal-juristischen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt. Die Klägerin hatte versucht, durch einen nachträglichen Beitritt zur IG Metall doch noch höhere Abfindungen zu erhalten, und war auch kurze Zeit nach ihrem Eintritt bereits wieder aus der Gewerkschaft ausgetreten. Dieser Versuch, die Vergünstigungen zu erhalten scheiterte zu Recht. Vielfach verkannt wird auch, dass die Rechtsprechung des BAG zu den sogenannten Differenzierungsklauseln gerade keine Rolle spielt, da die hier vorliegende „Binnenregelung“ nicht zwischen Gewerkschaftsmitgliedern und Außenseitern, sondern nur innerhalb der Gewerkschaftsmitglieder unterscheidet.
Dennoch ist auch eindeutig, dass hier die Tarifverhandlungen von der IG Metall genutzt worden sind, um Vorteile für die eigenen Mitglieder zu erzielen. Dies führte letztendlich zum „verspäteten“ Beitritt der Klägerin. Ob aber Massenentlassungen der geeignete Rahmen sind, um für sich selbst zu werben, erscheint doch fragwürdig und wenig sozialverträglich. Daher gewinnt man wieder einmal den Eindruck, dass hier die Durchsetzung eigener Interessen und die Stärkung der eigenen Bedeutung von der Gewerkschaft über das Wohl der Arbeitnehmer gestellt werden. Ein Bild, das aktuell durch die Verhandlungsführung der GdL in den Tarifverhandlungen mit der Deutschen Bahn bestätigt wird.