Rein rechtlich Korrektur der Umsatzsteuermeldung wird zur Steuerhinterziehung

Wer Umsatzsteuermeldungen ans Finanzamt korrigiert, etwa weil sich Vorsteuererstattungsbeträge geändert haben, macht damit neuerdings – ungewollt - eine strafbefreiende Selbstanzeige. Umso wichtiger sind die Details, damit nicht der Staatsanwalt auf den Plan tritt und Strafen drohen.

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Steuerhinterziehung: Vom Kavaliersdelikt zum Verbrechen
Die schweizer Flagge vor einer Bank Quelle: dpa
Ein Bild vom 11. September 2001 Quelle: REUTERS
Hans Eichel Quelle: REUTERS
Schweizer Käse Quelle: AP
Klaus Zumwinkel Quelle: dpa
Das Logo der UBS Quelle: dapd
Schweizer Fahne auf einer CD Quelle: dpa

In Unternehmen ist es üblich, die schon ans Finanzamt übermittelten Umsatzsteuervoranmeldungen nachträglich zu korrigieren - manchmal auch mehrmals, weil sich im Nachhinein Änderungen ergeben haben, beispielsweise wenn Ausgaben des Unternehmens bei der Vorsteuer nicht berücksichtigt worden waren.

Doch wer das bislang risikolos praktizierte, riskiert jetzt – wegen des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes und Änderungen in der Abgabenordnung – nicht nur bei verspäteter Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen beziehungsweise späterer Korrektur steuerstrafrechtliche Konsequenzen. Denn: Es gibt eine Stolperfalle namens Vollständigkeit. Danach ist die Selbstanzeige eines Unternehmers unwirksam, wenn er nur die Umsatzsteuer korrigiert, aber etwa vergisst, Betriebseinnahmen beziehungsweise –ausgaben aus völlig anderem Zusammenhang zu berücksichtigen. Obwohl beide Sachverhalte grundsätzlich nichts miteinander zu tun haben.

Partnerin Ulrike Grube leitet die Beratung im Bereich Compliance und Steuerstrafrecht bei Rödl & Partner Quelle: Presse

Nach dem Umsatzsteuergesetz müssen Unternehmer ihre Umsatzsteuern bis spätestens zum zehnten Tag des Folgemonats an die Finanzverwaltung melden. Eine vorsätzlich nicht rechtzeitig eingereichte oder inhaltlich fehlerhafte Umsatzsteuervoranmeldung kann der Staatsanwalt grundsätzlich als Steuerhinterziehung werten. Dies ist auch der Fall, wenn die Umsätze, die das Unternehmen erzielt hat, zu niedrig oder der Betrag für die Vorsteuererstattung zu hoch angesetzt sind. Vor allem: Eine zu niedrig erklärte Vorsteuer kann zu niedrig erklärte Umsätze nicht ausgleichen. Es kommt darauf an, dass jeder der beiden Beträge für sich genommen korrekt ist – und nicht nur unterm Strich saldiert.

Zwar kann man fehlerhafte oder unvollständige Voranmeldungen korrigieren oder eine Voranmeldung nachholen. Doch das Finanzamt kann diese Korrektur oder nachgeholte Vorabmeldung als Selbstanzeige werten.

Damit die Selbstanzeige wirksam ist und keine strafrechtlichen Konsequenzen drohen, müssen alle Angaben in der Korrektur oder der nachgeholten Umsatzsteuervoranmeldung vollständig und richtig sein.

Größte Vorsicht ist geboten

Welche Promis schon verurteilt wurden
900.000 Euro hinterzogene Steuern: Der Sänger Freddy Quinn hatte seinen Hauptwohnsitz jahrelang in der Schweiz, lebte aber überwiegend bei seiner Hamburger Lebensgefährtin Lilly Blessmann. Die deshalb in Deutschland fälligen Steuern, zwischen 1998 und 2002 immerhin rund 900.000 Euro, hat der Österreicher nach eigenem Eingeständnis aber nie bezahlt. Er habe sich nie mit finanziellen Dingen beschäftigt, rechtfertigte sich der Musiker vor Gericht. Außerdem beglich er sofort seine Steuerschuld, so dass im Prozess 2004 die verhängte Haftstrafe von zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt wurde. Hinzu kam ein Bußgeld über 150.000 Euro. Quelle: ap
970.000 Euro hinterzogene Steuern: Klaus Zumwinkel verlor wegen einer Steueraffäre seinen Job als Vorstandschef der Deutschen Post. Ermittler der Bochumer Staatsanwaltschaft durchsuchten vor laufenden Fernsehkameras im Februar 2008 das Privathaus des Topmanagers. Die Staatsanwaltschaft warf Zumwinkel vor, über die LGT Bank Geld in eine Stiftung nach liechtensteinischem Recht geschleust und so den deutschen Fiskus um fast eine Million Euro betrogen zu haben. Mitte Februar 2008 trat der Post-Chef zurück und wurde knapp ein Jahr später zu zwei Jahren Haft auf Bewährung plus Zahlung einer Geldstrafe von einer Millionen Euro verurteilt. Quelle: dpa
1,96 Millionen DM hinterzogene Steuern: Der frühere Verfassungsschutzchef und Ex-Verteidigungsstaatssekretär Ludwig-Holger Pfahls war eine Schlüsselfigur der CDU-Spendenaffäre. Er räumte ein, vom Geschäftsmann Karlheinz Schreiber 3,8 Millionen Mark erhalten zu haben. Schreiber habe das Geld für ihn in der Schweiz verwaltet. Ausgehändigt worden seien ihm 873.000 Mark. Das Landgericht Augsburg erklärte ihn 2005 der Vorteilsannahme und Steuerhinterziehung für schuldig und verurteilte ihn zu zwei Jahren und drei Monaten Haft. Pfahls kam nach gut 13 Monaten frei, musste aber Ende 2011 erneut wegen Bankrotts und Betrugs in Haft. Quelle: dapd
1,7 Millionen Euro hinterzogene Steuern: Um weniger Steuern zu zahlen, verlegte Tennis-Star Boris Becker Anfang der 90er-Jahre seinen Wohnsitz von München nach Monaco. Tatsächlich aber lebte er weiter überwiegend in Bayerns Metropole und nicht im Fürstentum. Das Landgericht München verurteilte ihn deshalb 2002 wegen Steuerhinterziehung von 1,7 Millionen Euro zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und 500.000 Euro Geldstrafe. Becker räumte eigene Fehler ein – was das Gericht ebenso strafmildernd berücksichtigte wie die Tatsache, dass Becker vor Prozessbeginn rund 3,1 Millionen Euro Steuern nachgezahlt hatte. Quelle: dapd
22,6 Millionen DM hinterzogene Steuern: Der frühere Springreiter Paul Schockemöhle hatte große Summen über Stiftungen in Liechtenstein am deutschen Fiskus vorbeigeschleust. 1996 wurde er deshalb zu elf Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt und musste 22,6 Millionen Mark Steuern nachzahlen. Schockemöhle wurde zum Verhängnis, dass dem Liechtensteiner Treuhänder Herbert Batliner Teile seiner Kundendatei gestohlen und den deutschen Steuerbehörden zugespielt wurden. Der Ex-Sportler, dem für eine erfolgreiche Selbstanzeige keine Zeit mehr blieb, verklagte Batliner später wegen der Datenpanne – ohne Erfolg. Quelle: dpa
203 Millionen Euro hinterzogene Steuern: Das Landgericht München verurteilte den Geschäftsführer des VIP Medienfonds 3, Andreas Schmid, 2007 wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren. Schmid hatte versucht, den Fiskus um 203 Millionen Euro zu prellen, indem er beim Finanzamt zu Unrecht „gewinnmindernde Aufwendungen“ geltend machte. Der Angeklagte wusste, dass nur 20 Prozent der Aufwendungen für die Filmproduktion verwendet, aber 80 Prozent zugunsten des Fonds angelegt wurden. Kurioserweise war nicht Schmid selbst Nutznießer der Steuerersparnis. Profitiert haben vielmehr zum größten Teil die Anleger des Medienfonds. Quelle: obs

Zudem müssen in der gleichen Erklärung die Umsatzsteuer und die Vorsteuer aller strafrechtlich noch nicht verjährten Besteuerungszeiträume zutreffend aufgeführt sein, damit nicht doch eine Strafe droht. Bei einer Berichtigung, die zu mehr als 50.000 Euro Steuer führt – und dies ist im unternehmerischen Bereich schnell möglich - droht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) sogar eine Freiheitsstrafe, die nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Denn der Gesetzgeber verlangt: Die Berichtigung muss alle noch nicht verfolgungsverjährten Steuerstraftaten in vollem Umfang enthalten. Und zwar sämtliche Steuerarten von der Einkommen- bis zur Umsatzsteuer. Ganz wichtig: Sind unterschiedliche Finanzämter für die unterschiedlichen Steuerarten zuständig, müssen sie alle Informationen zeitgleich erhalten.

Die – ungewollt abgegebene - Selbstanzeige wirkt also nicht strafbefreiend, wenn jemand bei der Korrektur eines Voranmeldungszeitraumes vergisst, eventuelle weitere Voranmeldungen aus demselben Jahr oder sogar Jahressteuererklärungen der vorangegangenen Jahre ebenfalls zu berichtigen.

Die Umsatzsteuerjahreserklärung hat hier auch noch eine weitere Bedeutung: Sie kann eine Selbstanzeige bezüglich aller unrichtigen Voranmeldungen des jeweils betroffenen Jahres darstellen. Deshalb muss das Unternehmen in der Umsatzsteuerjahreserklärung dem Finanzamt die Differenzen zu den abgegebenen unrichtigen Voranmeldungen plausibel machen. Da in der Jahreserklärung keine Zuordnung zu bestimmten Monaten in den Umsatzsteuervoranmeldungen erfolgt, sollte man eine Aufstellung mit den korrigierten Monatsangaben übermitteln. Dadurch kann das zuständige Finanzamt alleine anhand der Berichtigungserklärung den Sachverhalt steuerlich überprüfen.

Zwar hat der Gesetzgeber mehrfach angekündigt, diese - unbeabsichtigten - Auswirkungen der Reform der Abgabenordnung für Unternehmer anzugehen, da er dieses neue Dilemma zuvor nicht realisiert hatte. Passiert ist aber bislang wenig.

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