Der Online-Handel feiert seit Jahren einen Siegeszug: 48,5 Milliarden Euro wurden im vergangenen Jahr im Versandhandel innerhalb Deutschlands umgesetzt, so eine Studie des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel. Zahlreiche Unternehmen haben sich auf das veränderte Käuferverhalten eingestellt und nutzen das Internet heute entweder als zusätzlichen Vertriebskanal („Multi-Channel“) oder haben ihren Handel sogar komplett ins Netz verlagert. Die Erfolgsgeschichte des Online-Handels hat aber auch ihre Schattenseiten: Den Verbrauchern machen oft unübersichtliche gesetzliche E-Commerce-Vorschriften zu schaffen. Die Unternehmen kämpfen zudem mit hohen Retourenquoten und dadurch mit beträchtlichen Zusatzkosten. Nach Schätzungen werden allein in Deutschland rund 286 Millionen im Internet bestellte Waren jedes Jahr zurückgesendet, fast jedes zweite Kleidungsstück geht zurück an den Händler. Diesen kostet jede Retoure im Schnitt rund 15 Euro.
Online-Händler müssen ihre AGBs anpassen
Nachdem das Fernabsatzrecht, der maßgebliche Rechtsrahmen für den Online-Handel, in den vergangenen Jahren nahezu unverändert geblieben ist, steht ihm nun eine kleine Revolution bevor. Zum 13. Juni 2014 wird die EU-Richtlinie über die Rechte der Verbraucher (genauer: Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011) in nationales Recht umgesetzt. Besonders die Online-Händler müssen spätestens dann ihre Verträge, Allgemeinen Geschäftsbedingungen sowie ihre Internetportale an die neuen Regeln anpassen. Tun sie es nicht, drohen ihnen Abmahnungen durch Wettbewerber und Verbraucherverbände sowie Kostennachteile.
Mehr Information für Verbraucher
Mit der Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie ändern sich zunächst die Informationspflichten der Online-Händler. Spätestens bei Beginn eines Bestellvorgangs müssen sie in Zukunft für den Kunden klar und deutlich anzeigen, ob Lieferbeschränkungen bestehen und welche Zahlungsmittel akzeptiert werden. Beim Vertrieb über mobile Webseiten und Smartphone-Apps werden die Informationspflichten hingegen beschränkt: Hier reicht es künftig aus, wenn der Verbraucher über die wesentlichen Eigenschaften der Waren oder Dienstleistungen, die Identität des Unternehmens, den Gesamtpreis, das Widerrufsrecht, die Laufzeit des Vertrags sowie die Kündigungsbedingungen informiert wird. Einige der neuen Regelungen werden ausdrücklich auch für den stationären Handel gelten (mit Ausnahme von Geschäften des täglichen Lebens), so dass Verkäufer ihre Kunden auch bei Ladengeschäften demnächst genauer informieren müssen. So können Unternehmen auch im stationären Handel zum Beispiel Fracht-, Liefer- oder Versandkosten nur dann vom Verbraucher verlangen, wenn sie ihn darüber vorher informiert haben.
Retouren werden für Verbraucher aufwendiger
Wem eine online bestellte Ware nicht gefällt, der kann sie nach dem Gesetz bis zwei Wochen nach Erhalt ohne Angabe von Gründen an den Händler zurückschicken. Hier stehen zum 13. Juni 2014 wesentliche Änderungen an:
• Verbraucher müssen Rückgabe begründen und Versandkosten tragen: Bisher konnte das gesetzliche Widerrufsrecht durch ein Rückgaberecht ersetzt werden, wenn dieses vertraglich ausdrücklich vereinbart wurde. Dabei musste nur die Ware zurückgesendet werden, die Kosten der Rückgabe übernahm der Händler. Zukünftig ist gesetzlich allein das Widerrufsrecht vorgesehen, zu dem immer eine eindeutige Erklärung des Verbrauchers erforderlich ist. Dies schafft zum einen mehr Rechtssicherheit. Die Rücksendekosten hat zum anderen nun grundsätzlich der Verbraucher zu tragen.
• Mehr Waren werden von der Rückgabe ausgeschlossen: Bereits nach geltendem Recht stand dem Verbraucher in bestimmten Fällen kein Widerrufsrecht zu, zum Beispiel bei Ware, die aufgrund einer individuellen Auswahl hergestellt oder auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten wurde, oder bei schnell verderblicher Ware. Zukünftig wird es zusätzliche beziehungsweise erweiterte Ausnahmen vom Widerrufsrecht geben, beispielsweise beim Kauf von Produkten, die aus hygienischen Gründen versiegelt sind, oder bei bestimmten Verträgen zur Lieferung von Zeitungen oder Zeitschriften.
• Neue Widerrufsfristen: Ab Juni gilt europaweit nur noch eine einheitliche Widerrufsfrist von 14 Tagen. Die verlängerte Frist von einem Monat bei fehlender Widerrufsbelehrung wird es in Deutschland nicht mehr geben. Zudem erlischt das Widerrufsrecht in jedem Fall spätestens zwölf Monate und 14 Tage ab Erhalt der Ware oder nach dem Vertragsschluss.
• Erklärung des Widerrufs auch telefonisch: Verbraucher müssen künftig ihren Widerruf nicht mehr in Textform erklären, es genügt eine eindeutige Erklärung ohne Begründung, so dass zukünftig auch ein Widerruf per Telefon zulässig ist. Nicht mehr möglich ist ein Widerruf durch bloße Rücksendung der Ware, es sei denn, dies ist ausdrücklich vereinbart worden.
• Musterformulare für den Widerruf: Online-Händler müssen dem Verbraucher in Zukunft ein Musterwiderrufsformular zur Verfügung stellen, z.B. auch auf einer Webseite, so dass es online ausgefüllt und elektronisch an den Händler übersendet werden kann. In diesem Fall muss der Unternehmer den Zugang des Widerrufs anschließend unverzüglich bestätigen. Für den Händler hat das Musterformular den Vorteil, dass der Widerruf nahezu automatisiert bearbeitet werden und die Rückabwicklung schneller und kosteneffizienter erfolgen kann. Der Verbraucher ist jedoch nicht verpflichtet, das ihm zur Verfügung gestellte Widerrufsformular tatsächlich zu nutzen.
• Erstattung von Hinsende- und Rücksendekosten: Unternehmen müssen die Hinsendekosten künftig nur noch bis zu einem bestimmten Betrag erstatten. Wählt der Verbraucher eine teurere Versandform als den vom Unternehmer angebotenen Standardversand, bleibt der Verbraucher im Widerrufsfall auf den Mehrkosten sitzen. Die Rücksendekosten hat künftig der Verbraucher zu tragen – und zwar unabhängig vom Warenwert; bislang musste er dies nur bei einer vertraglichen Regelung und einem Warenwert von weniger als 40 Euro.
• Schnellere Abwicklung von Retouren: Retouren müssen künftig innerhalb von 14 Tagen abgewickelt werden, das heißt die empfangenen Leistungen sind von beiden Vertragsparteien spätestens nach 14 Tagen zurückzugewähren. Der Kaufpreis muss grundsätzlich mit demselben Zahlungsmittel erstattet werden wie es für die Zahlung verwendet worden ist.
• Zurückbehaltungsrecht: Der Händler kann die Rückzahlung des Kaufpreises künftig verweigern, bis er die Ware zurückerhalten oder der Verbraucher zumindest deren Rückversand nachgewiesen hat.
Händler dürfen es besser machen
Ob Unternehmen tatsächlich von der Möglichkeit Gebrauch machen werden, den Kunden die Kosten für Retouren aufzuerlegen, bleibt allerdings abzuwarten. Einiges spricht dafür, dass die Marktmacht der Kunden im Online-Geschäft dazu führen wird, dass viele Händler sich aus Sorge vor Umsatzeinbrüchen kulant zeigen und die Versandkosten weiterhin übernehmen. Dann wirkte sich die Verbraucherrichtlinie tatsächlich verstärkt zu Gunsten der Verbraucher aus.