Rein rechtlich

Taugt die Frauenquote als Vergabekriterium?

Werden deutsche Unternehmen zukünftig bei öffentlichen Aufträgen im EU-Ausland benachteiligt, wenn sie die dort geltende Frauenquote nicht einhalten? Möglich wäre das, sagt unser Rechtsexperte.

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Frau und Männer Quelle: dapd

Eigentlich hat das europäische Vergaberecht ein klares Ziel: Über transparente Kriterien für freien Wettbewerb bei öffentlichen Aufträgen zu sorgen. Doch europaweite Ausschreibungen verbieten es nicht, preisfremde Aspekte in die Auswahl mit einfließen zu lassen. Man sollte daher nicht zu schnell „Foul“ rufen, wenn das Auswärtige Amt vor Nachteilen bei der Vergabe in einigen EU-Mitgliedstaaten für deutsche Unternehmen warnt, die nicht genügend Frauen in der Führungsetage vorweisen können.

Grundprinzipien der EU

Die Berücksichtigung sozialer, ökologischer oder auch innovativer Aspekte ist im Rahmen europaweiter Vergaben nicht nur zulässig. Sie wird von den Unionsstaaten auch sehr gefördert. Voraussetzung für die Berücksichtigung ist aber, dass sie im sachlichen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen und sich aus der Leistungsbeschreibung ergeben.

Holger Schröder, Leiter der Vergaberechtspraxis der Kanzlei Rödl & Partner

Häufig muss der Auftragnehmer im Rahmen der Vergabe beispielsweise nachweisen, dass er weiblichen und männlichen Arbeitskräften den gleichen Lohn bezahlt. Denn die Entgeltgleichheit von Frauen und Männern zählt zu den international über das EU-Recht vereinbarten Grundprinzipien, deren Beachtung zu der erforderlichen Zuverlässigkeit des auszuwählenden Auftragnehmers zählt.

In Branchen wie der Gebäudereinigung, die dem Arbeitnehmerentsendegesetz unterfallen, kann eingefordert werden, dass sie tariftreu agieren, damit sich der öffentliche Auftraggeber kein Lohndumping vorwerfen lassen muss.

Eine beschäftigungspolitische Vorgabe kann es darüber hinaus sein, Langzeitarbeitslose oder Auszubildende zu beschäftigen, wenn sich dies durch den konkret zu vergebenden Auftrag rechtfertigen lässt.

Frauenförderung in öffentlichem Auftrag

Und Kommunen versuchen häufig über die Pflicht zur Einhaltung sozialer Standards zu verhindern, dass ihre Straßen mit Steinen aus kinderarbeitsverdächtigen Steinbrüchen im Ausland gepflastert werden. Der Auftragnehmer muss dann sicherstellen, dass bei der Herstellung im Ausland die sogenannten Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation beachtet werden (z.B. Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit, 1999). Die Kriterien der Vergabe können sich somit bei Importen auf die ganze Lieferkette bis in das Fertigungsland hin erstrecken.

Weitergehende Anforderungen an die Unternehmens- und Geschäftspolitik ohne konkreten Bezug zum öffentlichen Auftrag hingegen dürfen von einem öffentlichen Auftraggeber in Deutschland aber nur gestellt werden, wenn dies gesetzlich verankert ist. EU-Mitgliedstaaten, die eine Frauenquote gesetzlich beschlossen haben, dürften also grundsätzlich entsprechende Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Aufträge machen. Dafür braucht man gar nicht ins Ausland zu blicken.

Bestehen Regeln vor dem Europäischen Gerichtshof?

So gilt in Nordrhein-Westfalen ab dem 1. Mai 2012 das „Gesetz über die Sicherung von Tariftreue und Sozialstandards sowie fairen Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge (TVgG-NRW)“. Danach „sollen“ (nicht: müssen) öffentliche Aufträge nur an solche Unternehmen vergeben werden, die sich bei der Angebotsabgabe schriftlich verpflichten, bei der Ausführung des öffentlichen Auftrages Maßnahmen zur Frauenförderung und zur Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie im eigenen Unternehmen durchzuführen oder einzuleiten sowie das geltende Gleichbehandlungsrecht zu beachten. Die Details der Maßnahmen werden in einer – wohl noch zu erlassenden – Rechtsverordnung konkretisiert. In Berlin etwa existiert schon seit längerem eine Frauenförderverordnung (FVV), die ähnliche Regelungen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vorsieht.

Offen bleibt, ob solche Regelungen letztlich auch vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Bestand hätten. Vor einigen Jahren ist schon einmal eine Tariftreueregelung aus Niedersachsen vor dem EuGH zu Fall gekommen.

Aber des einen Nachteil kann des anderen Vorteil sein. Unternehmen mit einem hohen Frauenanteil in der Führungsspitze wie beispielsweise Siemens könnten durchaus von entsprechenden Regelungen profitieren. Und der deutsche Mittelstand hat bei diesem Thema, zumindest wenn man aktuellen Studien Glauben schenkt, ohnehin die Nase vorn.

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