Rein rechtlich

Vorsicht beim Abschluss von Werkverträgen

Werkverträge sind derzeit en vogue. Statt eigenes Personal einzustellen werden Leistungen über Mitarbeiter auf Werkvertragsbasis eingekauft. Dies erhöht die Flexibilität, Verpflichtungen wie bei einem Arbeitsvertrag werden vermieden. Doch das Vorgehen birgt hohe Risiken.

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Werkverträge bergen hohe Risiken. Quelle: Fotolia

Stellt sich im Nachgang heraus, dass ein „verdecktes Beschäftigungsverhältnis“ vorgelegen hat, kann es zu entsprechenden Nachforderungen seitens des Finanzamtes sowie der Sozialversicherungsträger kommen. Dies hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden (Az.: 10 AZR 282/12).

Die Tricks der schwarzen Schafe
Ab 1. November 2012 erhalten Zeitarbeitskräfte, die mehr als sechs Wochen in der Metall- oder Chemieindustrie eingesetzt sind, mehr Geld. Mit 15 Prozent Zuschlag auf den normalen Zeitarbeitstarif fängt es an, mit 50 Prozent ist die höchste von fünf Zuschlagsstufen nach neun Monaten erreicht. Viele Zeitarbeitsunternehmen verstehen das als Chance, die Zeitarbeit auch für Fachkräfte attraktiver zu machen – gut so. Schwarze Schafe aber .... Quelle: dpa
..... werden wieder versuchen, die Mehrkosten zu vermeiden. Mit dem Ziel Kunden zu halten, die nicht an der Qualität der Dienstleistung interessiert sind, sondern einzig und allein auf billigste Arbeit setzen. 1. Trick: Branchenzuteilung umgehen Die erste Idee, auf die die Trickser vermutlich kommen: Sie werden vermeiden wollen, in eine der Zuschlags-Branchen eingeteilt zu werden – etwa mit dem Hinweis, zwar ein metallverarbeitendes Unternehmen zu sein, jedoch keinen Metall-Tarif anzuwenden. Ist aber leider irrelevant, der Dreh. Denn die Zugehörigkeit zu einer im Tarifvertrag genannten Branche geht vor. Welchen Tarifvertrag ein Betrieb für die Stammbelegschaft anwendet, ist sekundär. Gleiches gilt für den Trick, aufgrund einer Logistikabteilung im Betrieb plötzlich zum Handel zählen zu wollen. Denn ob Zuschläge zu zahlen sind, hängt davon ab, welcher Branche die überwiegend geleisteten Arbeitsstunden eines Betriebes zuzurechnen sind. Am Ende sind alle dann plötzlich Handwerker und damit zuschlagsfrei? Geht auch nicht, weil schon eine Anfrage bei der Handwerkskammer die Lüge entlarven wird. Dieses Schlupfloch ist nur scheinbar genial – und leicht durchschaubar. Quelle: dpa
2. Trick: Dienstleistungs-GmbHDann eben eine andere Idee? „Praktisch wäre es doch, plötzlich eine „Dienstleistungs-GmbH“ als Untergesellschaft des Produktionsbetriebes zu haben, die keiner Branche angehört, keinen Tarifvertrag anwendet und dort alle Zeitarbeitnehmer einstellt, die dann am Ende doch in der Produktion arbeiten. Dies aber ist juristisch betrachtet ein Umgehungstatbestand, denn auch Neben- und Dienstleistungsbetriebe sind von der Geltung des Branchenzuschlag-Tarifvertrags für die Muttergesellschaft erfasst. Ganz gefährlich also!“ Quelle: Fotolia
3. Trick VergleichsentgeltSchlupfloch Nummer drei scheint eine Alternative zu sein: das Vergleichsentgelt. Ein entleihender Betrieb kann die Lohnzuschläge deckeln oder ganz verhindern – nämlich dann, wenn die eingesetzten Zeitarbeitskräfte dadurch mehr verdienen würden als die Stammkräfte des entleihenden Betriebs für dieselbe Tätigkeit. Gibt der Betrieb Vergleichsentgelte von 8,00 Euro an, kommt niemals ein Branchenzuschlag zur Auszahlung, da schon die unterste Entgeltstufe für den Zeitarbeiter in Westdeutschland bei 8,19 Euro liegt. Aber Vorsicht: Vergleichsentgelte müssen belastbar, schriftlich, mit Unterschrift und Stempel vom Kunden (!) dokumentiert werden. Macht der entleihende Betrieb vorsätzlich falsche Angaben, um die Lohnzuschläge zu vermeiden, so ist dies das vorsätzliche Vorenthalten von Arbeitsentgelt und Sozialversicherungsabgaben. Mit ausgesprochen unangenehmen Konsequenzen für Einsatzunternehmen und Personaldienstleister: Es drohen empfindlich Geldbußen, und nachzuzahlen sind die erschwindelten Einsparungen natürlich auch. Quelle: Fotolia
4. Trick: WerkvertragZu riskant, denkt sich der Trickser, und kommt auf Idee Nummer vier: Dann übertrage wir doch alle Zeitarbeitnehmer in einen Werkvertrag und machen weiter wie bisher – ohne Tarifvertrag. „Stopp! Die rechtlichen Voraussetzungen für einen Werkvertrag sind klar beschrieben und werden sehr eng ausgelegt. Ist der Werkvertrag rechtlich nicht haltbar, so gilt die Vermutung der Arbeitnehmerüberlassung. Hat der Dienstleister dann keine Lizenz zur Arbeitnehmerüberlassung, hat er sich der illegalen Arbeitnehmerüberlassung schuldig gemacht. Den Mitarbeitern steht auch in diesem Fall rückwirkend das Entgelt zu, das sie als Zeitarbeitnehmer bekommen hätten, einschließlich der Sozialversicherungsabgaben an die Krankenkassen. Die Fahnder des Zolls werden das sehr genau prüfen. Also Finger weg!“ Quelle: dpa/dpaweb
5. Trick: MitarbeiterrotationNoch gibt das schwarze Schaf nicht auf und entdeckt Trick fünf: Dann lassen wir eben alle Mitarbeiter rotieren! Jeden Einsatz melden wir einen Tag vor der Stufe zwei ab – also nach knapp drei Monaten - und holen uns neue Mitarbeiter ins Haus. „Rechtlich ist das schwer angreifbar. Aber der Markt wird das regeln. Denn erstens reden wir über Menschen, die eine solche unfaire Behandlung sicher thematisieren werden – Futter für die Zeitarbeitskritiker in den Gewerkschaften. Zweitens liegen die Mitarbeiter der Zeitarbeitsunternehmen nicht wie Ersatzteile in einem Lager, sondern werden natürlich an andere Unternehmen überlassen, die Ihnen die Zuschläge nicht nehmen wollen. Wer sollte nach einem gut bezahlten Einsatz Lust haben, sich auf einen Dumpingtarif einzulassen? Drittens wird eine solche „schmutzige“ Rotation den Ruf des Unternehmens und den Frieden in der Belegschaft sicher nicht fördern." Marcus Schulz: "Ich warne deshalb dringend davor, solche Szenarien auch nur zu besprechen". Quelle: Fotolia
Und nun, sind alle schwarzen Schafe weiß? Findet ein Kunde, der auf Teufel komm raus den Preis drücken will, nicht trotzdem einen Personaldienstleister, der Schummeleien und Sauereien mitmacht, um sich ein Geschäft zu sichern? Wenn, dann müssen Mitbewerber und Verbände knallhart reagieren. Denn das Unterlaufen von Tarifverträgen mit der Absicht, sich oder dem Kunden einen nicht rechtmäßigen Vorteil zu verschaffen, ist unlauterer Wettbewerb und verstößt gegen Gesetze, Compliance-Regeln und Ethik Kodex. Will die Zeitarbeit eine anerkannte Branche sein, dann darf sie die schwarzen Schafe in ihren Reihen nicht dulden, sondern muss ihnen den Kampf ansagen. "Ich erwarte", sagt Marcus Schulz, Chef von USG People Germany, "Die Mehrheit der Personaldienstleister wird eine tarifvertragskonforme Umsetzung bieten. Durch die Branchenzuschläge werden sich Einsatzunternehmen zu dem Wert der Flexibilisierung bekennen, die ihnen Zeitarbeit ermöglicht. Die "billige Leiharbeit" hat ein Ende, und die oft fälschlich unterstellte Verdrängung der Stammbelegschaft durch Zeitarbeitnehmer ist damit endlich vom Tisch. Das bringt die Zeitarbeit und ihre Nutzer nach vorne!" Quelle: dapd

Geklagt hatte ein Mitarbeiter im Bereich der öffentlichen Verwaltung in Bayern, der mit Unterbrechungen auf der Basis von neun Werkverträgen Aufträge erfüllt hatte – zuletzt erledigte er „Vorarbeiten für die Nachqualifizierung der Denkmalliste für die kreisfreie Stadt und den Landkreis Fürth sowie für den Landkreis Nürnberger Land“. Dafür musste er in den Dienststellen des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege (BLfD) Bodendenkmäler in einem EDV-gestützten System erfassen und nachqualifizieren. In allen drei Instanzen wurde bestätigt, dass der Kläger eine Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit ausführte und damit ein Arbeitsverhältnis bestand. Schon die Gestaltung des „Werkvertrages“ ließ laut Bundesarbeitsgericht erkennen, dass nicht die Herstellung einer Sache oder eines Erfolgs, sondern eine bestimmte Tätigkeit geschuldet war.

Rechtsanwältin Aziza Yakhloufi Quelle: Presse

In der Praxis ist die Unterscheidung zwischen Werkvertrag und Dienstvertrag oftmals nicht eindeutig vorzunehmen. Gegenstand des Werkvertrages ist die Herstellung oder Veränderung einer Sache oder anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg. Dagegen wird bei einem Arbeitsverhältnis lediglich die vereinbarte Tätigkeit weisungsgebunden, d.h. in persönlicher Abhängigkeit geleistet.

Die Unterscheidung zwischen Arbeitnehmer und Dienstleister ist notwendig, weil Vorschriften wie der Kündigungsschutz, Mutterschutz, Arbeitszeitgesetz etc. gerade nur gegenüber Arbeitnehmern bestehen!

Der Arbeitnehmer wird also durch das Arbeitsrecht geschützt.

Die wichtigsten Fakten zu Werkverträgen

Welches Rechtsverhältnis letztendlich vorliegt, ist anhand einer Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls zu ermitteln.

Dabei kommt es nicht auf die vertragliche Vereinbarung an sich an, sondern auf die tatsächliche Durchführung. Widersprechen sich die vertragliche Vereinbarung und die tatsächliche Durchführung, gilt im Zweifel letztere.

Auf diesem Grundsatz basierend hat das BAG im aktuellen Fall entschieden. Der Kläger hatte trotz Abschluss eines Werkvertrages seine Aufgabe nur in den Dienststellen des BLFD erbracht, regelmäßig von 7:30 bis 17:00 gearbeitet und über einen PC-Arbeitsplatz mit persönlicher Benutzerkennung verfügt. Diese „tatsächlichen“ Gegebenheiten waren Indiz genug für die Vermutung eines weisungsgebundenen Arbeitsverhältnisses.

Da die Unterscheidung von Werk- und Dienstvertrag in der Praxis Unsicherheiten aufwirft und damit rechtliche Konsequenzen verbunden sind, ist größte Vorsicht geboten. Arbeitgeber sollten deshalb bereits vor Vertragsschluss eindeutig klären, ob ein Arbeitsverhältnis oder eine selbstständige Tätigkeit vorliegt. Dabei kann bei der Rentenversicherungsanstalt Bund über ein sogenanntes Statusfeststellungsverfahren eine verbindliche Entscheidung erreicht bzw. eingeholt werden.

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