Rein rechtlich Warum bei Flügen Vorkasse erlaubt ist

Fluggesellschaften dürfen die Zahlung des vollständigen Flugpreises mit der Buchung verlangen. Ob der Flug lange im Voraus gebucht wird, ist dabei unerheblich. Dies hat der Bundesgerichtshof klargestellt.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Mit diesen Airlines kommen Sie pünktlich ans Ziel
Passagiere der polnischen Fluglinie LOT Quelle: dpa
Hawaiian Airlines Quelle: PR
Bodenpersonal checkt auf dem Flughafen in Wien (Österreich) ein Flugzeug der Austrian Airlines Quelle: dpa
TAm Airlines Quelle: PR
Finnair Quelle: dpa
All Nippon Airways Co. Boeing 787 Dreamliner hebt in Tokio ab Quelle: dpa
Counter von Japan Airlines (JAL) Quelle: dpa

Jeder, der gelegentlich das Flugzeug nutzt, kennt das: Luftfahrtunternehmen verlangen die Zahlung des vollständigen Flugpreises mit der Buchung. Das erlauben entsprechende Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Wer nicht sofort komplett zahlt, bleibt zu Hause. Gegen diese Regelung bei zwei deutschen Luftfahrtgesellschaften und dem Betreiber einer Internetplattform zog ein Verbraucherverband vor Gericht. Mit Verweis auf das Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen (UKlaG) verlangte er, die Vorauszahlungsklauseln zu verbieten.

WirtschaftsWoche, Rödl & Partner, Reiserecht, Flugpreis, Verbraucherschutz

Sie seien nach AGB-Recht unwirksam. Die Karlsruher Richter wiesen die Verbraucherschützer in ihre Schranken. Die Fluggesellschaften dürften sehr wohl Vorkasse verlangen. Dabei käme es weder auf die Höhe des Flugpreises noch auf den zeitlichen Abstand zwischen Buchung und Flugantritt an, so die Richter. Die Vorauszahlungspflicht widerspreche nicht den wesentlichen Grundgedanken des Personen(Luft)beförderungsrechts, da die Fluggäste nicht unangemessen benachteiligt würden. Ihrem Bedürfnis nach Schutz – etwa vor Flugausfällen etc. - stehe das berechtigte Interesse der Unternehmen nach Planungssicherheit entgegen.

Zur Person

Interessant ist, dass die Entscheidung sich lediglich mit einer Interessenabwägung nach der AGB-rechtlichen Generalklausel beschäftigt. Die spezielle Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) wurde dagegen nicht geprüft, nach der eine AGB-Bestimmung unwirksam ist, durch die das Leistungsverweigerungsrecht, das dem Vertragspartner des Verwenders zusteht, ausgeschlossen oder eingeschränkt wird. Indem die Fluggesellschaften eine Vorauszahlungsklausel nutzen, umgehen sie gerade dieses Leistungsverweigerungsrecht. Eigentlich widerspricht die Klausel wesentlichen werkvertraglichen Grundsätzen. So ist nach Werkvertragsrecht die Vergütung nicht vor Abnahme bzw. Vollendung des Werks, also im Falle einer Reise nach Beförderung, fällig. Die dem Werkunternehmer geschuldete Vergütung kann bis zur Erbringung der Leistung verweigert werden. Diese Grundsätze kommen nach Ansicht der Karlsruher Richter jedoch hier nicht ausnahmslos zur Anwendung. Das Leitbild des Personenbeförderungsvertrags entspreche nicht dem üblichen Werkvertrag.

Geschäftszahlen europäischer Fluglinien

Bei der Personenbeförderung bestehe nämlich kein Sicherungsrecht für Vergütungsanspruche des Unternehmers. Ohne Vorauszahlung wäre die Fluggesellschaft ungesichert der Gefahr von Zahlungsausfällen ausgesetzt, obwohl sie kraft Gesetzes zur Beförderung verpflichtet ist. Eine nachträgliche Bezahlung sei im Massengeschäft des Flugbetriebs im Linienverkehr deshalb weder interessengerecht noch praktikabel. Im Gegenteil sei es eben die frühzeitige Flugbuchung, die den Fahrgästen im Gegenzug günstigere Konditionen verschaffe. Auch ihre eigene Rechtsprechung zum Reiserecht wenden die höchsten Zivilrichter nicht an.

Nach einem Urteil zum Reisevertragsrecht aus dem Jahr 2014 (Az.: X ZR 85/12) dürfen Reiseveranstalter zum Zeitpunkt der Buchung eine Anzahlung in Höhe von maximal 20 Prozent des Reisepreises verlangen. Die Restzahlung ist nicht früher als 30 Tage vor Reiseantritt zu leisten. Da der Linienverkehr auch im Allgemeininteresse liege, seien die Nachteile für Reisende bei Flugbuchungen aber nicht von so großem Gewicht, dass die Praxis der Vorkasse umgestellt werden müsste.

BGH: Fluggäste tragen nur Risiko der Airline-Insolvenz

Die weltweit üblichen und einheitlichen Standards sind von der International Air Transport Association (IATA) empfohlen. Anders als im Reiserecht könnten Fluggäste im Anwendungsbereich der EU-Fluggastrechteverordnung unabdingbare Mindestrechte geltend machen, etwa Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen im Fall der Nichtbeförderung und Annullierung. Somit müsse der Fluggast laut BGH ausschließlich das Risiko einer Insolvenz der Fluggesellschaft tragen.

Die wichtigsten Billigflieger in Deutschland

Die unionsrechtlichen und nationalen Zulassungs- und Aufsichtsbestimmungen, denen Luftfahrtunternehmen im Linienverkehr unterliegen, verringerten das Risiko aber deutlich. Soweit bei vollständiger und sofortiger Vorauszahlung ein Liquiditäts- und etwaiger Zinsnachteil des Fluggastes bei einer frühzeitigen Flugbuchung entstehe, gleiche der Preisvorteil des Fluggastes gegenüber einer späteren Buchung den Nachteil aus. Es scheint ein wenig so, als gelte der Grundsatz, was wirtschaftlich für Unternehmen von Vorteil ist, kommt zwangsläufig dem Verbraucher zu Gute.

Als Fluggast kann man sich fragen, ob dieses Argument nicht tatsächlich zirkelschlüssig ist und auch in anderem Zusammenhang entsprechend verwendet werden könnte. Der Rückgriff auf die üblichen und einheitlichen Standards der IATA bei der Abrechnungspraxis klingt so, als ob etwas richtig sein müsse, nur weil es überall so gehandhabt wird. Tatsächlich findet es im deutschen AGB-Recht aber nur schwerlich eine Grundlage. Auch wenn das Insolvenzrisiko somit auf die Reisenden abgewälzt wird: Im Kontext der Globalisierung steigt jedoch die Bedeutung der Luftfahrt. Der Wunsch nach einer weltweiten Vereinheitlichung der rechtlichen Grundlagen in der Luftfahrt ist daher nachvollziehbar.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%