Jeder, der gelegentlich das Flugzeug nutzt, kennt das: Luftfahrtunternehmen verlangen die Zahlung des vollständigen Flugpreises mit der Buchung. Das erlauben entsprechende Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Wer nicht sofort komplett zahlt, bleibt zu Hause. Gegen diese Regelung bei zwei deutschen Luftfahrtgesellschaften und dem Betreiber einer Internetplattform zog ein Verbraucherverband vor Gericht. Mit Verweis auf das Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen (UKlaG) verlangte er, die Vorauszahlungsklauseln zu verbieten.
Sie seien nach AGB-Recht unwirksam. Die Karlsruher Richter wiesen die Verbraucherschützer in ihre Schranken. Die Fluggesellschaften dürften sehr wohl Vorkasse verlangen. Dabei käme es weder auf die Höhe des Flugpreises noch auf den zeitlichen Abstand zwischen Buchung und Flugantritt an, so die Richter. Die Vorauszahlungspflicht widerspreche nicht den wesentlichen Grundgedanken des Personen(Luft)beförderungsrechts, da die Fluggäste nicht unangemessen benachteiligt würden. Ihrem Bedürfnis nach Schutz – etwa vor Flugausfällen etc. - stehe das berechtigte Interesse der Unternehmen nach Planungssicherheit entgegen.
Zur Person
Partner Frank Jürgen Bernardi leitet den Bereich internationales Handels- und Vertriebsrecht von Rödl & Partner in Eschborn. Er hat sich auf die umfassende Beratung von Unternehmen des produzierenden Gewerbes, auf die rechtliche Begleitung von Technologietransfers und des nationalen und internationalen Baus von Industrieanlagen spezialisiert. Daneben hat er umfassende Expertise im Hinblick auf die Prozessführung vor Gerichten und Schiedsgerichten.
Interessant ist, dass die Entscheidung sich lediglich mit einer Interessenabwägung nach der AGB-rechtlichen Generalklausel beschäftigt. Die spezielle Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) wurde dagegen nicht geprüft, nach der eine AGB-Bestimmung unwirksam ist, durch die das Leistungsverweigerungsrecht, das dem Vertragspartner des Verwenders zusteht, ausgeschlossen oder eingeschränkt wird. Indem die Fluggesellschaften eine Vorauszahlungsklausel nutzen, umgehen sie gerade dieses Leistungsverweigerungsrecht. Eigentlich widerspricht die Klausel wesentlichen werkvertraglichen Grundsätzen. So ist nach Werkvertragsrecht die Vergütung nicht vor Abnahme bzw. Vollendung des Werks, also im Falle einer Reise nach Beförderung, fällig. Die dem Werkunternehmer geschuldete Vergütung kann bis zur Erbringung der Leistung verweigert werden. Diese Grundsätze kommen nach Ansicht der Karlsruher Richter jedoch hier nicht ausnahmslos zur Anwendung. Das Leitbild des Personenbeförderungsvertrags entspreche nicht dem üblichen Werkvertrag.
Geschäftszahlen europäischer Fluglinien
Wachstum: –1,0%
Betriebskosten (in Cent/ Passagierkilometer): 7,0
Marktanteile Deutschland: 13,0%
Marktanteile Europa: 2,0%
Operative Rendite: –7,0 %
Quelle: CH-Aviation, Stand: 30. November
Wachstum: 1,0%
Betriebskosten (in Cent/ Passagierkilometer): 9,5
Marktanteile Deutschland: 1,0%
Marktanteile Europa: 4,0%
Operative Rendite: –0,5%
Wachstum: 3,0%
Betriebskosten (in Cent/ Passagierkilometer): 8,0
Marktanteile Deutschland: 1,0%
Marktanteile Europa: 4,0%
Operative Rendite: 7,0 %
Wachstum: 8,0%
Betriebskosten (in Cent/ Passagierkilometer): 6,1
Marktanteile Deutschland: 3,0%
Marktanteile Europa: 7,0%
Operative Rendite: 14,6%
Wachstum: 4,0%
Betriebskosten (in Cent/ Passagierkilometer): 9,0
Marktanteile Deutschland: 32,0%
Marktanteile Europa: 7,0%
Operative Rendite: 1,5%
Wachstum: 18,0%
Betriebskosten (in Cent/ Passagierkilometer): 6,0
Marktanteile Deutschland: 0,5%
Marktanteile Europa: 2,0%
Operative Rendite: 6,0 %
Wachstum: 18,0%
Betriebskosten (in Cent/ Passagierkilometer): 4,0
Marktanteile Deutschland: 4,5%
Marktanteile Europa: 11,0%
Operative Rendite: 22,3%
Wachstum: 15,0%
Betriebskosten (in Cent/ Passagierkilometer): 5,8
Marktanteile Deutschland: 0,5%
Marktanteile Europa: 3,0%
Operative Rendite: 11,0 %
Wachstum: 25,0
Betriebskosten (in Cent/ Passagierkilometer): 3,8
Marktanteile Deutschland: 0,5%
Marktanteile Europa: 1,0%
Operative Rendite: 23,0%
Bei der Personenbeförderung bestehe nämlich kein Sicherungsrecht für Vergütungsanspruche des Unternehmers. Ohne Vorauszahlung wäre die Fluggesellschaft ungesichert der Gefahr von Zahlungsausfällen ausgesetzt, obwohl sie kraft Gesetzes zur Beförderung verpflichtet ist. Eine nachträgliche Bezahlung sei im Massengeschäft des Flugbetriebs im Linienverkehr deshalb weder interessengerecht noch praktikabel. Im Gegenteil sei es eben die frühzeitige Flugbuchung, die den Fahrgästen im Gegenzug günstigere Konditionen verschaffe. Auch ihre eigene Rechtsprechung zum Reiserecht wenden die höchsten Zivilrichter nicht an.
Nach einem Urteil zum Reisevertragsrecht aus dem Jahr 2014 (Az.: X ZR 85/12) dürfen Reiseveranstalter zum Zeitpunkt der Buchung eine Anzahlung in Höhe von maximal 20 Prozent des Reisepreises verlangen. Die Restzahlung ist nicht früher als 30 Tage vor Reiseantritt zu leisten. Da der Linienverkehr auch im Allgemeininteresse liege, seien die Nachteile für Reisende bei Flugbuchungen aber nicht von so großem Gewicht, dass die Praxis der Vorkasse umgestellt werden müsste.
BGH: Fluggäste tragen nur Risiko der Airline-Insolvenz
Die weltweit üblichen und einheitlichen Standards sind von der International Air Transport Association (IATA) empfohlen. Anders als im Reiserecht könnten Fluggäste im Anwendungsbereich der EU-Fluggastrechteverordnung unabdingbare Mindestrechte geltend machen, etwa Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen im Fall der Nichtbeförderung und Annullierung. Somit müsse der Fluggast laut BGH ausschließlich das Risiko einer Insolvenz der Fluggesellschaft tragen.
Die wichtigsten Billigflieger in Deutschland
Transavia
Starts pro Woche: 64
Sitze: 9616
Strecken: 19
Vueling
Starts pro Woche: 67
Sitze: 12.160
Strecken: 11
Aer Lingus
Starts pro Woche: 71
Sitze: 12.354
Strecken: 8
Norwegian Air Shuttle
Starts pro Woche: 106
Sitze: 19.929
Strecken: 33
flybe
Starts pro Woche: 130
Sitze: 10.800
Strecken: 16
Wizz
Starts pro Woche: 208
Sitze: 38.590
Strecken: 73
Easyjet
Starts pro Woche: 531
Sitze: 86.868
Strecken: 90
Ryanair
Starts pro Woche: 1058
Sitze: 199.962
Strecken: 243
Euro-/Germanwings
Starts pro Woche: 2595
Sitze: 390.692
Strecken: 516
Die unionsrechtlichen und nationalen Zulassungs- und Aufsichtsbestimmungen, denen Luftfahrtunternehmen im Linienverkehr unterliegen, verringerten das Risiko aber deutlich. Soweit bei vollständiger und sofortiger Vorauszahlung ein Liquiditäts- und etwaiger Zinsnachteil des Fluggastes bei einer frühzeitigen Flugbuchung entstehe, gleiche der Preisvorteil des Fluggastes gegenüber einer späteren Buchung den Nachteil aus. Es scheint ein wenig so, als gelte der Grundsatz, was wirtschaftlich für Unternehmen von Vorteil ist, kommt zwangsläufig dem Verbraucher zu Gute.
Als Fluggast kann man sich fragen, ob dieses Argument nicht tatsächlich zirkelschlüssig ist und auch in anderem Zusammenhang entsprechend verwendet werden könnte. Der Rückgriff auf die üblichen und einheitlichen Standards der IATA bei der Abrechnungspraxis klingt so, als ob etwas richtig sein müsse, nur weil es überall so gehandhabt wird. Tatsächlich findet es im deutschen AGB-Recht aber nur schwerlich eine Grundlage. Auch wenn das Insolvenzrisiko somit auf die Reisenden abgewälzt wird: Im Kontext der Globalisierung steigt jedoch die Bedeutung der Luftfahrt. Der Wunsch nach einer weltweiten Vereinheitlichung der rechtlichen Grundlagen in der Luftfahrt ist daher nachvollziehbar.