Rein rechtlich

Wenn der Staatsanwalt zweimal klingelt

Immer häufiger geraten Unternehmen - zuletzt wieder die Deutsche Bank - ins Visier der Staatsanwälte. Für die Fahnder gelten aber enge Grenzen. Durchsuchungen von Betrieben und Wohnungen auf gut Glück sind verboten.

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Bei der Durchsuchung von Heckler und Koch hat der zuständige Prokurist alles richtig gemacht Quelle: AP

Wenn der Staatsanwalt zweimal klingelt, sind Unternehmen meist in heller Aufruhr. Oftmals sind unzureichende rechtliche Kenntnisse der staatlichen Befugnisse ein Grund, weshalb vorschnell Informationen preisgegeben werden. Dabei brauchen die Fahnder gute Gründe, um eine Durchsuchung zu rechtfertigen, hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt.

Das Rüstungsunternehmen Heckler und Koch war 2010 aufgrund des Artikels eines Nachrichtenmagazins ins Visier der Ermittler geraten. Angeblich wären trotz fehlender Ausfuhrgenehmigungen Waffen nach Mexiko geliefert worden.

Susana Campos Nave ist Rechtsanwältin im Bereich Strafrecht und Compliance bei Rödl & Partner Berlin. Quelle: PR

Der Prokurist des Unternehmens unterrichte daraufhin per E-Mail die Unternehmensleitung über einen Mitarbeiter, der seit 2006 Geschäftsreisen nach Mexiko unternommen hatte. In der Nachricht listete er Fragen auf, die aus Sicht der Staatsanwaltschaft von Interesse bzw. klärungsbedürftig waren. Mit einer weiteren E-Mail teilte er der Unternehmensleitung mit, alle IT-Daten des Mitarbeiters seien auf eine Festplatte gezogen und einer Rechtsanwaltskanzlei zur Auswertung übergeben worden. Von Papierunterlagen habe man Sicherungskopien gefertigt, die sich in der Rechtsabteilung unter Verschluss befänden. Als Vorbereitung auf einen Gesprächstermin mit den beratenden Anwälten würden einige typische Musterfälle erstellt werden, „die als Vorzeigefälle für die Staatsanwaltschaft dienen“ sollten.

Praxistipps zu Durchsuchungen

Wohnung bleibt ohne begründeten Verdacht unverletzlich

Ein anderer Mitarbeiter des Unternehmens sagte gegenüber den Ermittlern aus, im Zusammenhang mit Waffenverkäufen in den Jahren 2005 bis 2010 seien auch Bestechungsgelder an mexikanische Amtsträger gezahlt worden.

Im November 2011 durchsuchte die Staatsanwaltschaft Stuttgart die Wohnräume des Prokuristen. Der Durchsuchungsbeschluss wurde auf die erste E-Mail des Beschwerdeführers gestützt, wonach diese zwar eine „normale rechtliche Vorbereitung“ auf eine anhand der damaligen Presseveröffentlichungen zu erwartende staatsanwaltschaftliche Durchsuchung darstellen könne. Sie könne laut Staatsanwaltschaft aber auch ein „Hinweis auf eine Beweismittelvernichtung, -verschleierung oder -entfernung sein. Gegen dieses Vorgehen wehrte sich der Prokurist erfolgreich. Mit der Durchsuchung seiner Privaträume sei die Staatsanwaltschaft deutlich zu weit gegangen und habe seine Grundrechte verletzt.

Aufgrund der verfassungsrechtlichen Garantie der Unverletzlichkeit der Wohnung erfährt die räumliche und von Öffentlichkeit abgeschirmte Privatsphäre durch eine Durchsuchung einen schwerwiegenden Eingriff. Dieser kann nur mit dem Verdacht einer begangenen Straftat gerechtfertigt werden. Die Einschätzung muss aber auf konkreten Tatsachen beruhen. Vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen reichen nicht aus. Anhaltspunkte für den konkreten Verdacht dürfen sich auch nicht erst bei der Durchsuchung ergeben.

Alles richtig gemacht

In diesen Ländern sind Manager besonders korrupt
Korruptes EuropaViele europäische Manager sind käuflich. Das beweist eine Studie der Wirtschaftsberatung Ernst & Young, die in 36 Ländern zusammen knapp 3500 Top-Manager befragt hat, darunter Finanzvorstände, Compliance-Experten und Mitarbeiter aus der Rechtsabteilung. Laut Ansicht der Berater verschärfe die anhaltende Wirtschaftskrise die Situation, weil die Unternehmen trotzdem unter Druck stünden, mit Umsatz- und Gewinnzuwächsen zu glänzen. Daher könnten sich viele Manager vorstellen, in Notfall-Situationen dem Geschäftserfolg mit unlauteren Mitteln nachzuhelfen. Quelle: dpa
SlowenienIn dem zwei Millionen Einwohner starken Land sind fast alle befragten Manager (96 Prozent) der Ansicht, dass Bestechung dort an der Tagesordnung ist. Damit liegt Slowenien europaweit auf Platz eins. International betrachtet liegt Slowenien in punkto Korruption auf dem gleichen Niveau wie die afrikanischen Länder Kenia und Nigeria. Quelle: dapd
UkraineIm internationalen Vergleich der korruptesten Manager kommt die Ukraine auf Platz fünf, mit Blick auf Europa folgt sie auf Slowenien. Der Studie zufolge halten 85 Prozent der Befragten Bestechlichkeit in ihrem Land für üblich. Quelle: dpa
GriechenlandIn dem krisengeschüttelten Land glauben 84 Prozent der Manager, dass Korruption normal sei. Damit liegt Griechenland im europäischen Vergleich an dritter Stelle, international auf dem siebten Rang. Vor allem der übergroße Staatsapparat gilt als bestechlich. Quelle: dpa
SchweizAm wenigsten verbreitet ist Korruption in der Schweiz. Hier geben nur zehn Prozent der Befragten an, dass Bestechung in ihrem Wirtschaftsleben gängig ist. Quelle: dpa
Vorbild Skandinavien Hinter der Schweiz folgen direkt die skandinavischen Länder. Finnland und Schweden liegen bei jeweils zwölf Prozent, Norwegen bei 17. Quelle: dpa
Deutschland auf den hinteren RängenAuch die Bundesrepublik schneidet bei der Frage nach Korruption im eigenen Land gut ab. Auch wenn es Berichte über Vetternwirtschaft wie jüngst im bayrischen Landtag oder Fälle von Steuerhinterziehung prominenter Personen gibt, so liegt Deutschland bei der Bestechlichkeit mit 30 Prozent unter dem europäischen Durchschnitt. Quelle: dpa/dpaweb

Anders jedoch hier: Die E-Mails an die Geschäftsleitung stellen gerade keine unzulässige Verschleierung oder Vernichtung von Beweismitteln dar. Im Gegenteil: Der Kläger hat als Prokurist und Leiter der Abteilungen „Recht/Sicherheit/Versicherungen“ aus unternehmerischer Sicht alles richtig gemacht.

Rechtsanwalt Hakki Celik leitet die Beratungspraxis für Wirtschaftsstrafrecht bei Rödl & Partner in Berlin. Quelle: PR

Er hat den Sachverhalt intern zusammengetragen, Recherche betrieben, Beteiligte ausgemacht und die weiteren Schritte zur Auf- und Ausarbeitung des strafrechtlichen Vorwurfes eingeleitet. Insbesondere die Maßnahmen, Daten zu kopieren und zu sichern und den Fall einem Rechtberater zu übergeben, zeugen davon, dass sich das Unternehmen den strafrechtlichen Vorwürfen stellt und keine Beweismittel vernichtet.

Auch die Argumentation der Staatsanwaltschaft, der Beschwerdeführer verfüge als Prokurist über Sachnähe, Sachkenntnis und Sachleitungsbefugnisse gehe fehl. Allein die Vermutung, ein abgestimmtes und planmäßiges Vorgehen mehrerer Firmenangehöriger sei wahrscheinlich, könne keinen Anfangsverdacht zu Lasten des Prokuristen begründen.

Staatliche Ermittlungen gehören zu den schwerwiegendsten Eingriffen in die Grundrechte, insbesondere die Persönlichkeitsrechte des Einzelnen. Sie gehen oftmals einher mit einem medienwirksamen Auftritt der Ermittler und gefährden damit die Reputation des Einzelnen und auch des beteiligten Unternehmens nachhaltig und massiv. Unternehmenswerte, oftmals entwickelt in jahrzehntelanger und generationsübergreifender Kleinstarbeit, werden in kürzester Zeit vernichtet. Umso wichtiger ist es für leitende Angestellte und die mittlere Führungsebene, also für diejenigen, die operativ tätig sind, ihre Rechte zu kennen und zu wahren. Vor allem die Durchsuchung – ob im Unternehmen oder in den Wohnräumen einzelner Mitarbeiter – birgt statistisch gesehen die höchste rechtliche Fehlerquote seitens der Ermittlungsbehörden.

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