Deutsche Anleger haben sich daran gewöhnt, dass ihre Finanzberater üppige Provisionen einstecken – so sehr, dass sie kaum glauben können, wenn es anderswo anders läuft. Schon 2012 hat das Schweizer Bundesgericht in Lausanne entschieden, dass Vermögensverwalter ihren Kunden Provisionen weitergeben müssen, die sie zum Beispiel von Großbanken bei Investitionen in deren Fonds erhalten haben (Urteile unter Aktenzeichen 4A 127/2012 und 4A 141/2012). Denn die Bank könnte allein der Provisionen wegen Papiere in die Depots drücken, die für Kunden ungeeignet wären.
Diese Urteile des höchsten Schweizer Gerichtshofs gelten auch für die zahlreichen in der Schweiz aktiven deutschen Anleger. Weil die meisten von ihnen wegen der abweichenden Rechtslage hierzulande noch immer nichts davon wissen, wirbt nun der Anbieter Liti-Link lautstark damit, das Geld im Auftrag der Kunden einzuklagen oder die Bank zu einem Vergleich bringen zu können. Das sei einfacher, als auf eigene Faust und auf eigenes Risiko einen Anwalt zu beauftragen. Im Erfolgsfall gehen allerdings 35 Prozent des Nettoertrags der Klage an den Dienstleister.
Typische Provisionshöhen der Versicherungsbranche
Der Berater erhält eine Abschlussprovision von 3 bis 5 Prozent der Beitragssumme. Eine Lebensversicherung mit 100 Euro Monatsbeitrag, die über 30 Jahre angelegt ist, beispielsweise eine Beitragssumme von 36.000 Euro. Die fünfprozentige Provision kostet den Kunden somit gleich zu Vertragsbeginn 1800 Euro. Allerdings muss der Vermittler die Provision bei Storno innerhalb der ersten fünf Jahre anteilig zurückzuerstatten.
Zusätzlich zur Abschlussprovision gibt eine Betreuungsprovision von ca. einem Prozent des Jahresbeitrags für den Berater, im Beispiel wären das also weitere 12 Euro.
Für die Vermittlung einer privaten Krankenversicherung gibt es eine gesetzliche Provisionsobergrenze. Die Versicherer dürfen maximal neun Monatsbeiträge bei Abschluss zahlen. Zusätzlich bekommt der Versicherungsberater maximal vier Prozent des Jahresbeitrags als laufende Betreuungsprovision. Beispiel: Kostet eine PKV etwa monatlich 300 Euro (Beitragsrückerstattungen unberücksichtigt), kann der Vermittler bei Abschluss auf eine Provision von 2700 Euro hoffen. In den Folgejahren bekommt er dann für jedes weitere Vertragsjahr weitere 144 Euro.
Bei Sachversicherungen, etwa privater Haftpflicht-, Hausrat- oder Kfz-Versicherung, sind oftmals 20 Prozent des Jahresbeitrags im ersten Jahr nach Abschluss fällig. Danach zahlen die Kunden aus ihren Beiträgen eine geringere Bestandprovision, zum Beispiel zehn Prozent vom Jahresbeitrag. Es gibt auch Verträge, bei denen nur eine jährliche Bestandsprovision von etwa 20 bis 25 Prozent des Jahresbeitrags an den Vermittler gezahlt wird. Vor allem in der Sachversicherung zahlt sich ein großer Kundenstamm für die Berater auf Dauer aus.
Eine Sonderstellung unter den Sachversicherungen hat der stark umworbene Kfz-Bereich inne. Hier erhält der Vermittler in der Regel nur eine Bestandsprovision von 7 bis 9 Prozent des Jahresbeitrags.
Uneinheitliche Rechtlage in Deutschland
„In Deutschland dagegen ist die Rechtslage bei Provisionen gerichtlich ungeklärt“, sagt der Münchner Rechtsanwalt Klaus Rotter, der mit Liti-Link kooperiert. Zwar ordnete das Landgericht München I 2010 die Herausgabe von 2832 Euro Provision an einen Kunden an. Die Richter begründeten das mit der Gefahr, dass der Verwalter Wertpapiere nur wegen der dafür kassierten Bestandsprovision halte, obwohl ein Verkauf vorteilhafter wäre (34 S 9960/09).
Ein Jahr später jedoch entschied das Oberlandesgericht Düsseldorf in einem ähnlichen Fall gegen die Herausgabe von Provisionen über 5384 Euro (I 14 U 18/11). Grund war hier, dass der Anlageberater seinen Kunden im Kontoeröffnungsantrag aus Sicht des Gerichts deutlich genug über die Provisionspraxis informiert hatte. Aber auch bei Provisionen, die ohne Wissen des Anlegers fließen, sahen die Düsseldorfer Richter keinen Handlungsbedarf, sofern sie unter der kritischen Grenze von 10 bis 15 Prozent der Anlagesumme lägen.
Selbst der Bundesgerichtshof, das oberste deutsche Zivilgericht, schlängelte sich in einer Entscheidung aus dem Jahr 2012 elegant um die Frage herum, ob eine Bank die vom Emittenten des Wertpapiers erhaltene Vertriebsprovision an den Anleger weitergeben muss (XI ZR 316/11).
Deutschland will Beraterprovision gesetzlich schützen
Wie schwer es ist, das in Deutschland übliche Provisionsgebaren zu ändern, zeigt das Beispiel des Kölner Finanz-Start-ups moneymeets. Die Plattform will zum Beispiel bei Versicherungen die Bestandsprovisionen mit den Kunden teilen, gibt also immerhin die Hälfte der Vergütung weiter. Prompt reagierte der Maklerverband IGVM mit einer Klage, gestützt auf ein noch aus den Dreißigerjahren stammendes Verbot der Abgabe von Provisionen. Das Verfahren endete in erster Instanz allerdings zugunsten des Finanzportals.
Bei den Provisionen, egal, ob für Anlageprodukte oder Versicherungen, geht es um Pfründe, mit denen sich der klassische deutsche Finanzvertrieb auch auf Kosten der Anleger finanziert. Die Bundesregierung will das Provisionsabgabeverbot zum 1. Juli 2017 im Gesetz verankern, der Bundestag berät im Juni darüber. Ausgerechnet dann tritt die europäische Versicherungsvertriebsrichtlinie in Kraft, mit der die Europäische Union Provisionen eigentlich den Kampf angesagt hatte.
Provisionsabgabeverbot verhindert Transparenz
Die Abgabe von Provisionen zu unterbinden, ist ein umstrittener Markteingriff, der von seinen Befürwortern umständlich begründet wird. Aus Sicht der großen Versicherungen und deren Vertriebsarmen dient ein Verbot dem Verbraucherschutz, weil es einen Preiswettlauf zu Lasten der Produkt- und Beratungsqualität verhindere. Das Gegenargument der Angreifer und der Verbraucherverbände lautet, dass nur Transparenz dem Kunden helfen könne. Provisionen sollten danach offen gelegt und geteilt werden können.
Nur die Abschaffung des Abgabeverbots kann undurchschaubare Finanzprodukte für Verbraucher leichter verständlich machen. Wenn der Kunde sieht, wie viel ein Berater an der von ihm empfohlenen Versicherung oder einem Anlageprodukt verdient, lässt das die Empfehlung in ganz anderem Licht erscheinen.
Daher ist es aus Kundensicht schwer zu verstehen, warum Deutschland als nahezu einziges europäisches Land am Provisionsabgabeverbot festhalten will.