
Nach Informationen der WirtschaftsWoche prüft Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) derzeit Maßnahmen, um Aktiengeschäfte mit Steuererstattungen schärfer überprüfen zu können. Im Fokus stehen dabei deutsche Banken und Investmentgesellschaften, die ausländischen Investoren beim Umgehen der Kapitalertragsteuer auf deutsche Dividenden helfen, das sogenannte Dividenden-Stripping.
Dadurch entgingen dem Fiskus allein im Jahr 2015 rund fünf Milliarden Euro, schätzt Christoph Spengel, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des Bundesfinanzministers. Unterstützung für Schäubles Vorstoß kommt aus den Bundesländern. „Künstliche Steuergestaltungen durch Dividenden-Stripping sind nicht tolerierbar“, sagte der baden-württembergische Finanzminister Nils Schmid (SPD) der WirtschaftsWoche.
Steuertricks mit Dividenden
Bei den auch „Dividendenstripping“ genannten Geschäften geht es um den raschen Kauf und Verkauf von Aktien rund um den Dividendenstichtag, um Kapitalertragssteuern mehrfach vom Fiskus erstattet zu bekommen. Am Tag vor der Dividendenzahlung ist diese im Aktienkurs mit eingepreist. An der Börse spricht man von einem Kurs „cum Dividende“.
Am Tag nach der Ausschüttung, in der Regel einen Tag nach Hauptversammlung, die die Dividendenzahlung beschließt, ziehen die Börsenbetreiber die Dividende vom Kurs ab, das heißt die Aktie wird „ex Dividende“ gehandelt. Von Banken bekamen die Aktienkäufer und -verkäufer eine Bestätigung, die Kapitalertragsteuer abgeführt zu haben, was sie beim Fiskus mehrfach steuerlich geltend machten - obwohl sie so nicht gezahlt hatten.
Ein Beispiel: Die Banken verkaufen die Aktien leer an einem „cum“-Tag, müssen sie aber wegen der Börsenregelungen erst nach zwei Tagen an den Käufer liefern. Sie beschaffen sich die Papiere also nach dem Dividendenstichtag zum „ex“-Preis – also ohne Dividende – von einem Dritten und liefern diese Aktien an den Käufer. Dabei parallel abgeschlossene Kurssicherungsgeschäfte, die Risiken ausschließen, sichern den Gewinn aus der Transaktion.
Papiere werden rund um den Dividendenstichtag – meist der Tag der Hauptversammlung – schnell hintereinander ge- und wieder verkauft. Leerverkäufer verdienen, wenn der Aktienkurs bis zum Liefertermin gefallen ist und sie so die Aktien billiger kaufen können, als sie sie verkauft haben.
Generell wird auf die gezahlte Dividende Kapitalertragssteuer fällig. Im geschilderten Konstrukt ließen sich sowohl der Käufer als auch der jeweilige Dritte, von dem sich die Banken die Aktien beschafft hatten, die Kapitalertragsteuer vom Finanzamt erstatten. Die Finanzämter zahlten so mehr Steuern zurück, als sie zuvor eingenommen hatten.
Im Wesentlichen nutzten Banken und Profianleger wie Fonds oder Börsenhändler den Steuertrick mittels Dividendenstripping.
Für Privatanleger sind Cum-ex-Geschäfte zu aufwendig, zumal es sich bei kleinen Anlagesummen kaum rechnet. Sie hätten nur geringe bis keine Chancen gehabt, an solchen Deals zu verdienen.
Banken und Investoren nutzten bestimmte Eigenheiten der Abwicklungssysteme an den Börsen, aber auch steuerrechtliche Besonderheiten – und das offensichtlich über Jahre hinweg und mit Wissen von Bund, Ländern und Finanzbehörden. So erklärte der Bundesfinanzhof das Dividendenstripping bereits in einem Urteil aus dem Jahr 1999 für grundsätzlich rechtens. Geschlossen wurde das Schlupfloch aber erst 2012 durch eine Neuregelung der Nachweispflichten.
Nach Einschätzung von Schäuble-Berater Spengel müssen deutsche Banken und Investmentgesellschaften, die in das Dividenden-Stripping involviert sind, mit hohen Steuernachzahlungen und Geldstrafen rechnen: „Rückwirkend können die in Frage stehenden Fälle der letzten 10 Jahre durchleuchtet werden. Hier geht es um Milliardenbeträge.“ Nach überschlägigen Berechnungen des Steuerrechtlers, der an der Universität Mannheim lehrt, könnte sich der gesamte Steuerausfall aus diesen Geschäften in den vergangenen zehn Jahren auf 20 Milliarden Euro summieren.
Der Trick mit dem Dividenden-Stripping funktioniert so: Ausländische Investmentfonds und Großanleger übertragen Aktien von deutschen Unternehmen kurz vor dem Dividenden-Zahltag an eine deutsche Bank oder Investmentgesellschaft. Die deutschen Gesellschaften können sich nämlich, anders als ausländische Anleger, 25 Prozent Kapitalertragsteuer vom Fiskus erstatten lassen. Kurz nach dem Zahltag wandern die Aktien zurück, den Ertrag teilen sich die Beteiligten.