Die Bargeldfahnder beim deutschen Zoll sind bisweilen nicht zu beneiden. Immer wieder müssen sie ihren Verdächtigen sehr nahe kommen; zu den beliebtesten Verstecken von Schwarzgeldanlegern, die ihr Geld zurück in die Heimat schmuggeln, gehören schließlich Unterhosen und Dekolletés.
Manchmal werden die Kontrolleure aber auch eine Etage tiefer fündig. Wie im November an der Grenze zu Luxemburg, wo ein Rentner bei einer Kontrolle durch ausgebeulte halbhohe Lederschuhe auffiel. Und siehe da: Als der 73-jährige Bayer die Treter auszog, kamen auf jeder Seite 50.000 Euro zum Vorschein.
Solche Funde sind derzeit an der Tagesordnung. „Wir stellen ein hohes Bargeldaufkommen an der luxemburgischen Grenze fest“, sagt Diana Weis vom Hauptzollamt Saarbrücken. Zudem steigt nach einhelligen Angaben von Steuerstrafanwälten die Zahl derer, die ihr Luxemburger Vermögen nicht heimlich heimschaffen, sondern per Selbstanzeige legalisieren wollen.
Während alle Welt noch über die Schweiz diskutiert, hat also ein Exodus deutscher Schwarzgeldanleger aus dem Großherzogtum begonnen. Kein Wunder – schließlich will Luxemburg sein Bankgeheimnis, das bereits in mehreren Schritten aufgeweicht wurde, faktisch endgültig abschaffen. Aber was ändert sich genau? Und wie berechtigt ist die Nervosität der Schwarzgeldanleger kurz vor dem Jahreswechsel?
Was Steuerhinterzieher bei Selbstanzeigen jetzt beachten sollten
Der Fall des Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß hat eindrucksvoll gezeigt: Schon jetzt ist es schwierig, eine wirksame Selbstanzeige abzugeben. Denn der Gesetzgeber stellt an diese Selbstanzeige strenge Anforderungen. Werden die nicht erfüllt, ist es vorbei mit der Straffreiheit. Zudem droht eine weitere Verschärfung der Kriterien. Laut Koalitionsvertrag erwägt Schwarz-Rot eine Verlängerung der Verjährung. Was ist im Detail zu beachten?
Wer Schwarzgeld in Luxemburg bunkert, muss zunächst die Kapitalerträge des unverjährten Zeitraums – in der Regel die vergangenen zehn Jahre – penibel auflisten. Das ist oft schwierig, vor allem, wenn Anleger – wie Uli Hoeneß – fleißig mit Wertpapieren gezockt und viele steuerpflichtige Spekulationsgewinne erzielt haben. Da die Koalition darüber nachdenkt, die Verjährungsfristen bei diesen „Auslandssachverhalten“ zu verlängern, könnte es künftig noch aufwendiger werden, sich reinzuwaschen. Steuerberater und Rechtsanwälte klatschen schon in die Hände, ihnen winken neue Einnahmen.
Zudem müssen Betroffene Beträge auflisten, die sie durch andere Delikte hinterzogen haben. Denn seit 2012 sind „Teil-Selbstanzeigen“ verboten. Kommt also später raus, dass Anleger nicht nur Zinsen in Luxemburg hinterzogen, sondern auch anderswo illegal getrickst haben – etwa durch Schwarzeinnahmen in der Firma –, ist die Selbstanzeige unwirksam. Und Steuerpflichtige werden nachträglich bestraft.
Immerhin: Zu melden sind nur Delikte, die ein und dieselbe Steuerart betreffen. Da mit einem Schwarzgelddepot in Luxemburg Einkommensteuer – auch die Abgeltungsteuer gehört formal in diese Steuerkategorie – hinterzogen wurde, müssen Anleger die Vergangenheit also ausschließlich auf weitere Einkommensteuersünden abklopfen.
Bislang müssen Anleger bei der Suche nach weiteren Delikten neben dem Luxemburger Schwarzgelddepot nur fünf Jahre zurückgehen – und nicht zehn. Doch Schwarz-Rot in Berlin erwägt laut Koalitionsvertrag, in diesem Bereich künftig detaillierte Angaben für die vergangenen zehn Jahre zu fordern: „Der Steuerpflichtige sollte, um Straffreiheit für die letzten fünf Jahre zu erlangen, auch für die weiter zurückliegenden fünf Jahre alle Angaben berichtigen, ergänzen oder nachholen“, heißt es darin. Es wäre also ein noch besseres Erinnerungsvermögen gefragt.
Superstichtag 1. Januar 2014
In der Tat: Für alle, die nach Silvester noch geheimes Geld in Luxemburg liegen haben, steigt das Risiko – und zwar aus zwei Gründen.
- Der Kleinstaat kooperiert bald enger mit deutschen Finanzbeamten. „Das neue Steuerabkommen mit Luxemburg, das Ende September in Kraft getreten ist, wird ab dem 1. Januar angewendet“, erklärt Jesco Idler, Partner der Kanzlei Flick Gocke Schaumburg in Bonn.
Das bedeutet: Wenn Fahnder einen Verdächtigen im Visier haben und in Luxemburg nach Konten fragen, werden sie in aller Regel die Daten bekommen. Womöglich sind sogar die effektiven „Gruppenanfragen“ zulässig. Dabei nennen Beamte keinen Verdächtigen, sondern definieren ein Verhalten, das für Hinterzieher typisch ist – und erhalten dann die Namen all derer, die ins Raster passen.
So könnten Beamte zum Beispiel nach den Namen von Anlegern fragen, die nicht selbst Depotinhaber sind, sondern eine diskrete Stiftung zwischengeschaltet haben. „Es ist zwar umstritten, ob Gruppenanfragen vom Abkommen gedeckt sind“, sagt Idler. „Aber die deutschen Behörden dürften es in jedem Fall versuchen, zumal solche Anfragen seit 2012 dem OECD-Standard entsprechen, an den auch Luxemburg gebunden ist.“
- Doch um manche Daten müssen sich Fahnder in Zukunft gar nicht mehr bemühen – Luxemburg liefert sie automatisch. Das ist der zweite Grund, warum die Nervosität vor dem Jahreswechsel steigt. Betroffen sind Anleger mit Lebensversicherungen, Anleihen und Sparkonten.
Lebensversicherungen, Anleihen und Sparkonten
Lebensversicherungen
Luxemburg ist laut „EU-Amtshilfegesetz“ verpflichtet, andere EU-Staaten von 2015 an ungefragt über mehrere Arten von Einkünften zu informieren, die deren Einwohner im Kleinstaat einstreichen. Dies betrifft etwa Renten und Mieten – und im Bereich der Geldanlage Lebensversicherungen.
Wichtig: 2015 wird Luxemburg Angaben über Erträge im Jahr 2014 liefern. Damit sind also bereits Anleger betroffen, deren Police 2014 abläuft.
Der neue Austausch dürfte auch viele Versicherungsmäntel treffen – Modelle also, bei denen Wertpapierdepots als Lebensversicherung getarnt werden. „Das ist bei Schwarzgeldanlegern beliebt, weil während der Laufzeit der Police keine steuerpflichtigen Erträge anfallen und nach zehn bis zwölf Jahren Verjährung eintritt“, sagt Gerd Kostrzewa, Steueranwalt bei Heuking in Düsseldorf.
Auch hiesiges Vermögen tarnen Anleger häufig auf diese Weise, um sich Steuervorteile über die Lebenspolicen zu erschleichen. Darum ging es bei der Razzia Anfang Dezember bei der Commerzbank, die solche Konstrukte der Generali-Versicherung vertrieben hat.
Anleihen und Sparkonten
Darüber hinaus hat Luxemburg im April zugesagt, von 2015 an die „EU-Zinsrichtlinie“ anzuwenden. „Das bedeutet, dass Banken den deutschen Fiskus automatisch informieren, wenn sie einem Kunden aus Deutschland Zinsen gutschreiben“, sagt Idler. Auch hier spielt der Stichtag 1. Januar 2014 eine Rolle, weil oft erst im Folgejahr gutgeschrieben wird. Sobald Vermögen nach dem Jahreswechsel noch in Luxemburg liegt, steigt somit die Entdeckungsgefahr.
Kein Wunder also, dass viele ihr Geld rechtzeitig rausholen wollen – trotz der Gefahr, dem Zoll in die Arme zu laufen. Andere zögern noch: Derzeit würden viele Anleger fragen, ob ihnen die Zinsen bei einer Kontoauflösung 2014 sofort gutgeschrieben werden, erzählt ein Kenner des Finanzplatzes.
Aktien, Fonds und Banken
Streit um Aktien und Fonds
Wieder andere, heißt es, denken über eine Vermögensumschichtung nach. Schließlich weigert sich Luxemburg bislang, auch Informationen über Dividenden und Spekulationsgewinne zu liefern. Aktien und Fonds sind also vorerst unkritisch.
Doch Vorsicht: Die EU will den Informationsaustausch auf alle Kapitalerträge ausweiten – und zwar ebenfalls ab 2015. Zwar blieb die neue Luxemburger Regierung aus Liberalen, Sozialdemokraten und Grünen auf dem EU-Finanzministertreffen am vergangenen Dienstag bei ihrer vorläufigen Blockade.
Doch die Bedingung des neuen Premiers Xavier Bettel – er will nur mitmachen, wenn auch die Schweiz umfassend Daten liefert – könnte bald erfüllt sein: Im November hat die Schweizer Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf Kompromissbereitschaft signalisiert. „Wir müssen jetzt nach vorne gehen, Richtung automatischen Informationsaustausch“, sagt sie. Die Verhandlungen mit der EU sollen Anfang 2014 beginnen.
Banken machen Druck
Viel spricht also dafür, dass Luxemburg bald umfassend informiert – zumal sich das Land im November der „G5-Initiative“ der führenden EU-Staaten um Deutschland und Großbritannien angeschlossen hat, die umfassende Datenlieferungen zum globalen Standard machen wollen. „Der Trend geht klar Richtung automatischer Informationsaustausch“, sagt Anwalt Kostrzewa.
Aber selbst wenn Luxemburg keine weiteren Zugeständnisse macht, dürfte eine Umschichtung des Vermögens in Aktien oder Fonds an den Banken scheitern. Denn diese „fordern ihre Kunden derzeit nachdrücklich auf, ihr Vermögen zu legalisieren“, sagt Burkhard Binnewies, Steueranwalt bei der Kanzlei Streck Mack Schwedhelm in Köln. Idler bestätigt dies: „Die Institute in Luxemburg tun jetzt das, was Schweizer Banken bereits seit 2012 machen“, sagt er. Sie fordern von ihren Kunden einen Nachweis, dass ihr Finanzamt von ihren Konten und Depots weiß. „Anleger, die keine Belege liefern, müssen mit der Kündigung rechnen“, so Idler.
Sind die Banken plötzlich geläutert? Vor allem fürchten sie, ins Visier der deutschen Behörden zu geraten. „Wenn sich bei automatischen Datenlieferungen ab 2015 herausstellt, dass ein Institut viele Hinterzieher unter seinen Kunden hat, steht schnell der Vorwurf der Beihilfe im Raum“, sagt Idler.
Der Druck der Banken zeigt bereits Wirkung: Seit einigen Wochen steigt die Zahl derer, „die wegen eines Depots in Luxemburg eine Selbstanzeige abgeben wollen“, sagt Binnewies. Druck machen neben den Banken auch die Großkoalitionäre in Berlin. Denn sie erwägen, die Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige zu verschärfen.
Wer zu spät reinen Tisch macht, könnte dies also bitter bereuen.