Selbstanzeigen Reuige Steuersünder müssen jetzt häufig mehr zahlen

Immer öfter streichen Finanzämter bei Selbstanzeigen von Schwarzgeldanlegern Aktienverluste aus der Finanzkrisenära und setzen überraschend hohe Nachzahlungen fest. Was Betroffene jetzt wissen sollten.

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Ein Formular zur Selbstanzeige Quelle: dpa

Im Herbst 2008 regierte an der Börse Panik. Als Ende September die US-Bank Lehman Brothers pleiteging, brachen die Kurse ein; der Dax verlor binnen zwei Wochen mehr als 1500 Punkte und sackte unter die 5000er-Marke. Tausende Anleger verkauften Aktien mit satten Verlusten.

Ein kleiner Trost: Lagen verkaufte Aktien weniger als ein Jahr im Depot, durften Aktionäre ihre Verluste „vortragen“, und zwar nicht von Zinsen oder Dividenden, aber von Aktiengewinnen in den Folgejahren, bis einschließlich 2013, abziehen. Als es an den Börsen wieder aufwärtsging, blieb deshalb mancher Gewinn von der 25-prozentigen Abgeltungsteuer verschont.

Das funktionierte lange Zeit sogar nachträglich. „Im Rahmen einer Selbstanzeige konnten frühere Verluste – zum Beispiel aus dem Jahr 2008 – meist von späteren Gewinnen abgezogen werden“, sagt Jesco Idler, Partner bei Flick Gocke Schaumburg in Bonn. „Bei vielen Privatanlegern hat dies die Steuernachzahlung deutlich reduziert.“

Zehn goldene Regeln für die Selbstanzeige

Doch inzwischen wendet der Fiskus die komplexen Verjährungsvorschriften konsequenter an und streicht viele Verluste gnadenlos. „Betroffene müssen deshalb mit deutlich höheren Nachzahlungen rechnen“, warnt Idler.

Vorschriften wurden schrittweise verschärft

Auch bei anderen Konstellationen drohen unerwartete Forderungen, weil Finanzbeamte auf eine strengere Linie umgeschwenkt sind. Das Problem aus Sicht reuiger Sünder: Die Beamten bemerken und hinterfragen inzwischen manches, was früher durchgewinkt wurde. Schließlich müssen sie Selbstanzeigen akribisch prüfen, weil der Gesetzgeber die Vorschriften schrittweise verschärft hat. Zudem haben sie schlicht mehr Zeit: Zwischen Januar und März gingen nur noch rund 1300 Selbstanzeigen ein, etwa 80 Prozent weniger als im ersten Quartal 2015.

Mit Gnade sollte also niemand rechnen – zumal die Beamten bei den Finanzkrisenverlusten auf Vorschriften verweisen können, die ursprünglich nichts mit Selbstanzeigen zu tun hatten. Die Rede ist vom „Jahressteuergesetz 2010“, in dem die Regierung die Regeln für „Verlustvorträge“ verschärft hat.

Welche Strafen Steuertricksern drohen

Die Details sind komplex, aber das Ergebnis für Selbstanzeiger ist eindeutig: Während sie sämtliche Kapitalerträge der vergangenen zehn Jahre melden und versteuern müssen, zieht das Finanzamt von diesen Erträgen allenfalls Aktienverluste der vergangenen vier Jahre ab. 2008er-Finanzkrisenverluste können im Rahmen einer Selbstanzeige somit nicht mehr „vorgetragen“ und mit späteren Aktiengewinnen – etwa aus der Hausse 2009 bis 2012 – verrechnet werden.

Anfangs habe die Vorschrift in der Praxis kaum eine Rolle gespielt, berichtet Idler. „Vor gut eineinhalb Jahren haben wir dann festgestellt, dass Finanzämter dazu übergehen, die Verluste zu streichen.“ Inzwischen sei dies flächendeckende Praxis.

Rückträge sind nur ein Jahr möglich

Eine Chance haben Betroffene immerhin: Finanzämter akzeptieren bei Selbstanzeigen zwar keinen „Vortrag“, aber einen „Rücktrag“ von Verlusten. Denn das Jahressteuergesetz 2010 mit den verschärften Verjährungsfristen betraf nur „Verlustvorträge“. Bei Rückträgen gilt deshalb im Rahmen von Selbstanzeigen weiter die zehnjährige Verjährungsfrist. Meist ist das nur ein kleiner Trost: „Rückträge sind nur für ein Jahr möglich“, sagt Steuerexperte Idler. Anleger mit 2008er-Verlusten profitieren also nur, wenn sie 2007 Spekulationsgewinne erzielt hatten.

Die härtere Linie des Fiskus in Sachen Verjährung trifft nicht nur Anleger, sondern auch Schwarzgelderben, die sich erst spät zur Selbstanzeige durchgerungen haben. Hier argumentieren Finanzbeamte: Wer ein Erbe verheimlicht, begeht eine Straftat – und somit ist alles, was zu diesem Zeitpunkt nicht verjährt war, auch zur Zeit der Selbstanzeige nicht verjährt. Wegen der verschiedenen Fristen im Verjährungsrecht kann der Fiskus bis zu 23 Jahre Steuern nachfordern. Dazu kommen sechs Prozent Strafzinsen pro Jahr – einträglich für den Fiskus.

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