Singapur Steuerflüchtlinge zieht's nach Fernost

In der Schweiz wird die Luft dünner, weltweit schließen immer mehr Staaten internationale Steuerabkommen. Milliarden Euro und Dollar werden nach Asien verschoben.

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Schweizer Fahne auf einer CD Quelle: dpa

Sogar Steueranwälte können hip sein. Die Düsseldorfer Kanzlei Wessing & Partner offeriert Mandanten jetzt eine Notruf-App. Jeder Kunde soll zu jeder Zeit anwaltlichen Beistand mobilisieren können. „Denn wer Schweizer Depots besitzt oder geerbt hat, zuckt jetzt jedes Mal zusammen, wenn es früh morgens an der Tür klingelt“, sagt Jürgen Wessing, Spezialanwalt für Steuerstrafrecht.

Die Mandanten nervös gemacht hat ein Nachbar Wessings – NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans. Der sitzt ein paar Straßen entfernt am noblen Hofgarten und kauft unverdrossen CDs mit Schweizer Kontoverbindungen deutscher Kunden auf. „Derzeit kann kein Institut ausschließen, dass Daten seiner Kunden in Umlauf sind“, klagt ein Schweizer Banker. Auch das Bankhaus Julius Bär ist betroffen, ebenso als Tarnversicherungen deklarierte Steuersparmodelle der Credit Suisse. 30.000 Deutsche haben sich deswegen seit 2010 ihrem Finanzamt offenbart, der Fiskus schöpfte rund 1,5 Milliarden Euro ab.

Lobbyarbeit rettet Steueroasen

Das Schwarzgeld aber zieht mittlerweile weiter gen Osten, selbst die indonesische Insel Bali wird schon als neue Steueroase gehandelt. Doch dauerhaft sicher wird es nirgendwo mehr sein, sagt Stefan Krämer, Projektleiter der Unternehmensberatung Booz: „Das ist alles nur ein Spiel auf Zeit.“

So erstatten Steuersünder Selbstanzeige

Weltweit liegen über 21 Billionen Dollar in Steueroasen, schätzt James Henry, Ex-Chefvolkswirt von McKinsey und heute Chef der Nichtregierungsorganisation Tax Justice Network. Die schuldengeplagten Industrienationen verstärken ihren Druck, um auf im Ausland geparktes Vermögen ihrer Staatsbürger zugreifen zu können, schließen etwa immer mehr Abkommen über Datenaustausch (siehe Grafik). Henry hält das nur bedingt für richtig: „Nicht die Steueroasen sind entscheidend, sondern die großen Banken, die im Hintergrund das Geld bewegen.“ Deren erfolgreiche Lobbyarbeit verhindere ein wirksames Austrocknen der Steueroasen.

In der Schweiz ist dieses Austrocknen zumindest teilweise gelungen. Deutsche Steuerfahnder, im Besitz der angekauften Daten, erhöhen noch mal den Ermittlungsdruck – obwohl das geplante Abkommen zwischen Deutschland und der Schweiz immer noch zum 1. Januar 2013 in Kraft treten könnte.

Lücken im deutsch-Schweizer Steuerabkommen

Krise trocknet Steueroasen aus.

Kern des Abkommens: In der Schweiz gelagerte Altvermögen von Deutschen – geschätzt mehr als 200 Milliarden Euro – sollen anonym einmalig zu Sätzen zwischen 21 und 41 Prozent nachversteuert werden. Künftige Erträge aus dem dann legalisierten Schwarzgeld fielen anschließend in Deutschland an, die Bundesregierung erhofft sich Einnahmen von rund zehn Milliarden Euro.

Manfred Lehmann, NRW-Vorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, sieht gravierende Lücken im deutsch-schweizerischen Steuerabkommen. „Der Staatsvertrag sieht keine Regeln für Fälle vor, bei denen ab 2013 unversteuertes Neugeld über die Grenze verschoben wird.“ Anleger würden zudem ihre Anonymität behalten, denn eine Schweizer Behörde sammelt die von den Banken im Alleingang berechneten Steuern ein und führt den Gesamtbetrag nach Deutschland ab. Die Finanzämter erfahren dabei nicht, aus welchen Konten und von welchen Anlegern das Geld stammt. „Das Abkommen begünstigt die Unehrlichen“, sagt Lehmann.

Singapur lebt vom Geld aus der Welt

Boat Quay nahe der Wolkenkratzer an der Marina Bay in Singapur Quelle: gms

Reiche Anleger weichen dennoch aus und nehmen in Kauf, ihr Vermögen in weiter Ferne zu wissen. Singapur, Hongkong oder Dubai sind die lachenden Dritten im Steuerstreit. Nicht nur die Schweizer Bank UBS soll beim Transfer nach Singapur ihren Kunden schon behilflich gewesen sein. Fast jede Großbank hat eine eigene Abteilung dazu eingerichtet, berichten Insider. Ohne das Geld aus aller Welt könnte der Finanzplatz Singapur einpacken.

Zugleich aber versucht der Inselstaat am Südzipfel der malaysischen Halbinsel seit einiger Zeit, das Schmuddel-Image als Schwarzgeldoase und Drehscheibe globaler Geldwäscheringe loszuwerden.

Grenzenloses Geld.

Singapurs Finanzaufsicht schaut den Banken genau auf die Finger und droht Vermögensverwaltern bei Verdachtsfällen mit Sanktionen. Wer nicht in Singapur lebt, kann seit einiger Zeit auch nicht mehr ohne Weiteres ein Konto eröffnen. „Das bedeutet allerdings nicht, dass ein burmesischer General mit fünf Millionen Dollar in bar sein Geld in Singapur nicht untergebracht bekommt“, sagt ein Insider, der das Geschäft auf der Tropeninsel seit Jahrzehnten kennt. Die ganz großen Fische, so der Berater, kämen immer noch durch.

Anlageberater aus Singapur sind hoch geschätzt

Nach einem Bericht der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) haben Schweizer Banken ihr Engagement in Singapur innerhalb von zwei Jahren verdoppelt. Vom ersten Quartal 2010 bis zu den ersten drei Monaten des laufenden Jahres stiegen die Forderungen Schweizer Kreditinstitute gegen Partner in Singapur auf 21 Milliarden Dollar.

Viel zu verlieren.

Der Inselstaat lebt aber in erster Linie von den Vermögen aus den angrenzenden Ländern. Parteikader aus China, Edelsteinbarone aus Burma oder Holztycoone aus Indonesien: Sie alle schätzen die Anlageberater aus Singapur. Zwischen 420 und 500 Milliarden Dollar privater Vermögen werden in Singapur verwaltet. Experten schätzen den jährlichen Zuwachs auf etwa 20 Prozent. Nur sieben Prozent der Vermögen stammen bislang aus Europa, etwa die Hälfte davon aus Russland.

Das Geschäft mit der Verwaltung großer Vermögen boomt. Banken wie UBS, BNP Paribas oder Julius Bär finden vor Ort nicht genug Personal und jagen sich gegenseitig die Fondsmanager ab.

Kein Rütteln am Bankgeheimnis

Die Flucht der Reichen in den politisch stabilen und wirtschaftlich soliden Stadtstaat ist gut begründet: Singapur hat ein sicheres Bankgeheimnis, einen Spitzensteuersatz von 20 Prozent und keine Kapitalertragsteuer. Dazu kommt, dass die lokale Währung, der Singapur-Dollar, stetig aufwertet. So schnell dürfte Singapur an seinem Bankgeheimnis nicht rütteln. „Solange Dubai und Hongkong nicht mitziehen, bewegt sich Singapur auch nicht“, heißt es in Finanzkreisen des Inselstaates. Beide Städte gelten als weitere bedeutende Steueroasen in Asien. Dort verwaltete Vermögen sollen etwa den gleichen Umfang haben wie in Singapur.

Es geht aber auch exotischer. Bali offeriert Anlegern jetzt steuerlich lukrative Investments in Touristenhotels. Die wichtigsten Investoren, vermeldete soeben das staatliche „Bali Investment Coordination Board“ stolz, sind mit 723 Millionen Dollar solche von der Steueroase Virgin Islands, gefolgt von solchen aus Singapur mit 220 Millionen Dollar. Dass Balis Hotels schon jetzt über mangelnde Auslastung klagen, scheint niemanden zu stören.

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