
Vor 19 Monaten entdeckten Zollfahnder in einer Wohnung in München-Schwabing 1.406 Gemälde der klassischen Moderne in einer unscheinbaren Wohnung. Darunter fanden sich lange verschollene und teilweise sogar bislang unbekannte Werke großer Meister wie Picasso, Chagall, Marc, Matisse, Kirchner, Nolde, Beckmann oder Dix. Da sie sich in Besitz von Cornelius Gurlitt, dem Sohn des von den Nazis beauftragten Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt befanden, sind nicht nur die Kunstexperten, sondern auch die Nachfahren und Erben damals enteigneter jüdischer Kunstsammler in heller Aufregung. Denn die Nazis hatten Ende der 30er Jahre rund 20.000 Kunstwerke als „entartet“ eingestuft, beschlagnahmt und größtenteils über Kunsthändler wie Gurlitt gegen Devisen verkauft. Die NS-Regierung zwang jüdische Familien auch, ihre Kunstschätze unter Preis zu verkaufen. Aber ist eine Rückgabe an die so enteigneten Familien rechtlich überhaupt noch möglich?





Katharina Garbers-von Boehm, Rechtanwältin bei der Sozietät CMS Hasche Sigle in Berlin und Expertin für Kunstrecht, Urheberrecht und Restitution, vermag das aufgrund der bisher bekannten Informationen zum Raubkunstfund nicht pauschal zu bejahen. „Der Sachverhalt ist noch weitgehend unklar. Ob Erben Ansprüche geltend machen können, hängt davon ab, wie genau die Werke zu Gurlitt kamen. Handelt es sich um als "entartet" gebrandmarkte und vorwiegend aus Museen beschlagnahmte Arbeiten? Wurden die Werke durch jüdische Familien unter Zwang verkauft oder diesen von den Nazis per Hoheitsakt weggenommen? Jeder Fall wird für sich zu betrachten sein“, sagt Garbers-von Boehm.

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Bislang ist seitens der ermittelnden Staatsanwaltschaft nur vom Verdacht auf Steuerhinterziehung und Unterschlagung die Rede. „Ich weiß nicht, auf welcher Rechtsgrundlage die Kunstwerke in Gurlitts Wohnung beschlagnahmt wurden“, so Garbers-von Boehm. Gleich mehrere Punkte sprechen dafür, dass Gurlitt – wenn auch moralisch diskutabel – rechtmäßiger Eigentümer zumindest eines Teils der Gemälde ist.
- 1938 erließ die NS-Regierung das sogenannte „Einziehungsgesetz“. Damit gab sich das Nazi-Regime die Rechtsgrundlage, um von ihr als „entartet“ eingestufte Kunst per Enteignung an sich zu reißen. 20.000 Kunstwerke sollen so den Nazis in die Hände gefallen und möglichst gegen Devisen ins Ausland verkauft worden sein. Das Gesetz selbst wurde aber nach 1945 nicht abgeschafft, weil das zu viel Rechtsunsicherheit bei den neuen Eigentümern geführt hätte. Insofern dürfte ein Verkauf an den Kunsthändler Hildebrand Gurlitt nach damaligen Maßstäben Recht und Gesetz entsprochen haben.