Thomas Koblenzer, 44, betreibt eine Steuerkanzlei mit Büros in Düsseldorf und Zürich. Der Jurist und Ökonom ist zudem Honorarprofessor an der Universität Siegen. Im Interview mit unserer Redaktion sprach er über Sinn und Unsinn des Steuerabkommens mit der Schweiz.
Wirtschaftswoche: Herr Professor Koblenzer, lohnt sich ein Konto in der Schweiz überhaupt noch, wenn demnächst das Steuerabkommen mit Deutschland in Kraft treten sollte?
Koblenzer: Lassen Sie es mich so formulieren: Wer – aus welchen Gründen auch immer – sein Vermögen vor allzu neugierigen Blicken schützen, also auch zukünftig insoweit anonym bleiben will, und zudem nicht mehr in ständiger Angst vor Entdeckung seiner Steuerhinterziehungstat leben möchte, für den gibt es keine bessere Möglichkeit als sein Geld in der Schweiz verwalten zu lassen und mit dem Abkommen in die Legalisierung zu gelangen.
Das kann bei einer vereinbarten Nachversteuerung von 21 bis 42 Prozent aber sehr teuer werden.
Die meisten Vermögenswerte dürften pauschal nur mit 21 bis 25 Prozent nachversteuert werden. Für Leute, die Schwarzgeld „weißwaschen“ möchten, ist das geradezu ein Schnäppchen. Stellen Sie sich beispielsweise vor, Sie haben eine Million Euro verdient. Bei regulärer Versteuerung in Deutschland wären inklusive Solidaritätszuschlag mitunter gute 47 Prozent fällig – also das Doppelte – und die Million hätte sich fast halbiert. Gemäß Steuerabkommen verblieben Ihnen alternativ fast 800.000 Euro, macht eine Differenz von einer guten viertel Million Euro.
Sofern Sie dieses Vermögen etwa auf Ihren Sohn oder Tochter im Wege der Schenkung übertragen wollen, sind je nach Größenordnung bis zu weitere 30 Prozent an Schenkungsteuer fällig. Mit der Pauschalsteuer sind dagegen alle mit dem jeweiligen Konto verbundenen Ansprüche auf Einkommens-, Umsatz-, Gewerbe-, Erbschafts- und Schenkungsteuer für die vergangenen zehn Jahre steuerlich und steuerstrafrechtlich abgegolten. Einen größeren garantierten Gewinn können Sie fast nur noch beim Lotto erwirtschaften.
Das Steuerabkommen bietet neben der anonymen Abgeltungsteuer die Alternative, sich per freiwilliger Meldung zu erkennen zu geben und individuell nach deutschem Recht besteuern zu lassen. Ist das eine lohnende Option?
Da wäre ich sehr vorsichtig. In einigen Fällen dürfte sich die Individualbesteuerung lohnen, etwa wenn jemand in der Finanzkrise viel Geld verloren hat. Ansonsten ist die Abgeltungsteuer durchweg günstiger. Hinzu kommt, dass bei einer Nachversteuerung aufgrund des Meldeverfahrens sechs Prozent Strafzinsen pro Jahr anfallen. Das kann schnell einen sehr hohen Betrag ausmachen. Solche Zinsen sind dagegen bei der anonymen Nachversteuerung nicht vorgesehen und mit dem pauschalen Steuersatz ebenfalls abgegolten. Unabhängig davon ist es für manche Bürger immer noch wichtig, die Höhe ihres Vermögens anonym zu lassen. Schließlich kann man nie wissen, wie sich die steuerpolitischen Verhältnisse in der Zukunft entwickeln. Gibt es demnächst eine Vermögenssteuer? Wie entwickeln sich die Steuersätze?
Wenn Deutsche anonyme Vermögen in der Schweiz vererben, kassiert der deutsche Fiskus künftig 50 Prozent Erbschaftssteuer. Regulär würden maximal 30 Prozent fällig.
D’accord, das ist ein ganz starker – quasi erzwungener – Anreiz, aus der Anonymität herauszutreten. Wer das aber in absehbarer Zeit dennoch nicht möchte, dem kann man nur raten, Vermögen noch vor Inkrafttreten des Steuerabkommens schenkweise zu übertragen. Dann würde nämlich keine gesonderte Schenkungssteuer anfallen, die ja explizit ebenfalls mit dem pauschalen Steuersatz mit abgegolten wird. Also: Wer ein Konto in der Schweiz hat, bitte jetzt das Geld den Erben schenken!
Quittungen für Gold aufbewahren
Unter das Steuerabkommen fallen nur die verbuchten Vermögen auf Konten. In der Schweiz schlummert aber auch allerhand in Schließfächern. Was empfehlen Sie für Gold, Diamanten und Tafelgeld, also anonyme Wertpapiere, deren Zinskupons Anleger abschneiden und einlösen können?
Das hängt davon ab, was Sie damit machen möchten. Wenn Sie auch nach dem Abkommen nicht wollen, dass diese Werte erfasst und legalisiert werden, dann lassen Sie sie im Schließfach am Zürcher Paradeplatz. Das führt dazu, dass erstens darauf keine Pauschalsteuer nach dem Abkommen zu zahlen ist und dass zweitens die Verjährungsfristen weiter laufen. Das betrifft zunächst schwarzes Vermögen aus den Jahren 2003 und 2004, das in den nächsten ein, zwei Jahren automatisch amnestiert wird. Man sollte aber die Quittungen und Belege aufbewahren, um im Zweifel die Verjährung zu dokumentieren. Übrigens: die Nichterfassung von Schließfachvermögen ist einer der aus meiner Sicht ganz großen Schwächen des Abkommens und in der Tat aus steuerpolitischen Gründen zu kritisieren.
Laufende Erträge fallen aber nicht unter die Amnestie?
Das lässt sich doch durch einfache Strukturierung vermeiden. Bei Gold und Schmuck gibt es das Problem ohnehin nicht. Und wenn man Geld in der Schweiz in einen Deckungsstock einer nach deutschem Steuerrecht akzeptierten Lebensversicherung steckt, aus dem einem zehn Jahre nichts zufließt, stellt sich das Problem ebenfalls nicht. Viele Leute haben auch Geld in solche Versicherungsmäntel gepackt, die vom Abkommen nicht betroffen sind. Solche Lösungen schützen im Übrigen auch vor der neu eingefügten Erbschaftsteuerklausel. Von daher kann man sagen, das Abkommen ist löchrig wie ein Schweizer Käse.
Wenn ich jetzt das Gold verkaufe und mir davon ein Haus kaufe, fragt doch der Fiskus, woher ich das Geld habe?
Dann sagen Sie, dass es aus unversteuerten Einkünften aus dem Jahr 2001 stammt. Wer klug ist, hat noch die Kaufbelege für das Gold.
Und wenn ich keine Quittungen habe?
Dann muss der Fiskus Ihnen nachweisen, dass das Geld nicht aus dem Jahr 2001 stammt. Das ist in der Regel kaum möglich.
Wie groß ist denn die Gefahr, dass der deutsche Fiskus nicht versteuerte Vermögen in der Schweiz entdeckt?
Wenn man es richtig angestellt hat - gering.
Der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans will aber mit Hilfe der aufgekauften Steuer-CDs Jagd auf Sünder machen.
Das ist alles grober Unsinn! Es gibt und gab nicht einen einzigen Fall in Deutschland, in dem jemand allein aufgrund einer Steuer-CD verurteilt worden ist. Warum? Weil die Angaben darauf nie und nimmer beweisrechtlich als Indiz ausreichen, um jemanden zu verurteilen. Zum einem handelt es sich meist um Datenfragmente, zum anderen lassen sich EDV-Daten auch leicht fälschen. In der Vergangenheit hat es ja auch schon Fälle gegeben, dass auf den Steuer-CDs unbescholtene Steuerbürger, die stets alles rechtmäßig versteuert haben, als Steuersünder aufgelistet wurden. Jedes Gericht der Welt zerreißt Ihnen einen solchen vermeintlichen Beweis in der Luft.
Moment, dem früheren Post-Chef Klaus Zumwinkel wurde eine Steuer-CD zum Verhängnis.
Da gab es nur einen Verdacht aufgrund der Daten auf der Steuer-CD. Daraufhin ist die Staatsanwaltschaft zu Herrn Zumwinkel marschiert. Erst dort hat sie die entscheidenden, gerichtsfesten Unterlagen gefunden. Das ist ein erheblicher Unterschied.
Risiko durch Stichproben?
In Zukunft sollen deutsche Finanzämter stichprobenartig Abfragen stellen dürfen, 1300 binnen zwei Jahren. Besteht da denn keine Entdeckungsgefahr?
Die gibt es schon. Allerdings betrifft das ab 2013 nicht mehr die verbuchten Alt-Vermögen, die ja dann pauschal besteuert werden und damit amnestiert sind. Es handelt sich in diesen Fällen um ein sogenanntes nicht auskunftspflichtiges Konto beziehungsweise Depot. Dann bleiben nur noch Schließfächer übrig, die allerdings – man mag es kaum glauben – eben gerade nicht vom Auskunftsanspruch der Bundesrepublik Deutschland erfasst werden. Ein auf Schließfachvermögen ausgerichtetes Auskunftsersuchen geht also ins Leere. Das betrifft auch den Fall, soweit neben dem Schließfach noch ein Konto oder Depot in der Schweiz unterhalten wird. Auch in diesen Fällen würde sich die Auskunft nur auf die auf Konten und Depots verbuchten und nicht bereits nachversteuerten Vermögenswerte beschränken.
Ein Restrisiko gibt es dennoch.
Gut, wer allergrößten Wert auf das Bankgeheimnis legt und sicher sein will, dass der deutsche Fiskus keinen Zugriff bekommt, der zieht sein Geld einfach aus der Schweiz unter Auflösung seiner Konto- und Depotbeziehung ab und geht nach Singapur, Abu Dhabi oder Dubai, auf die selbst die Amerikaner keinen Zugriff haben. Viele dreistellige Millionäre haben sich schon 2004 mit Blick auf die EU-Zinsrichtlinie aus der Schweiz verabschiedet. Auch die Türkei verbucht in jüngster Zeit enorme Kapitalzuflüsse.
Man hört, dass Schweizer Banken sich weigern, wenn Deutsche Geld von ihren Konten abheben wollen.
In der Tat gibt es solche Fälle. Grund dafür ist eine Regelung in Artikel 33 des Steuerabkommens. Danach kann eine Bank regresspflichtig werden, wenn sie beim Schaffen von Umgehungsstrukturen hilft, die die Nachversteuerung verhindern. Davor fürchten sich die Banken. Allerdings greift die Regel erst, wenn das Abkommen in Kraft tritt. Und wenn jemand einfach nur sein Geld abbuchen will, dann bedeutet das ohnehin nicht, dass Strukturen zur Steuervermeidung geschaffen werden. Also: Weigert sich die Bank, dann brauchen Sie über Ihren Anwalt nur eine einstweilige Verfügung erwirken und die Bank muss das komplette Geld herausrücken.
Kann man denn noch Geld aus der Schweiz in andere Länder transferieren, ohne dass der deutsche Fiskus die Fährte aufnehmen kann?
Wenn Sie Geld aus der Schweiz abziehen oder ins Ausland überweisen, werden Sie möglicherweise registriert beziehungsweise hinterlassen Spuren. Das geschieht aber nicht, wenn Ihr Depot einen Wertverlust erleidet, selbst wenn der massiv ist. Es gibt entsprechende hochkomplexe Investmentstrukturen, die einen Vermögenstransfer über Wertverluste in der Schweiz und korrespondierende Wertzuwächse in Auslandsdepots ermöglichen. So kann man ohne weiteres Millionen einfach „verschwinden“ lassen.
Heißt das, dass der deutsche Fiskus die ganz großen Fische nie zu packen bekommt?
Jeder, der partout in der Anonymität bleiben und keine Steuern zahlen möchte, wird das auch in Zukunft können, wenn er sich entsprechender Profis bedient. Beratern sei aber gesagt, dass sie sich sehr schnell selbst im Wege der Beihilfe oder Begünstigung strafbar machen können, sofern sie nicht unter die auch für Berater geltende Amnestieregelung des Artikels 17 Absatz 1 des Abkommens fallen. Eine seriöse Beratung sieht nach meinem berufsethischen Verständnis allerdings anders aus, zumal man auf völlig legalem Wege Hilfestellung leisten kann. Das Steuerabkommen baut aber allen, die steuerehrlich werden wollen, eine alternative Brücke. Und das ist meiner Meinung nach die große Mehrzahl der Deutschen, die Vermögen in der Schweiz haben. Für den deutschen Fiskus gibt es im Hinblick auf die drohende Verjährung von Steuerstraftaten aus ökonomischer Sicht eigentlich keine Alternative zu diesem Abkommen – unter anderem, weil die Schweiz klar und unmissverständlich signalisiert hat, dass sie zu weiteren Zugeständnissen nicht bereit ist. Das werden am Ende auch die SPD-regierten Bundesländer einsehen und deshalb dem Abkommen ihr Plazet erteilen.