
Das Klingelschild an der Doppelhaushälfte am äußersten Ortsrand einer niederrheinischen Kleinstadt ist unauffällig: VLH – Vereinigte Lohnsteuerhilfe e.V. ist da zu lesen. Es handelt sich um die Beratungsstelle von Beratungsstellenleiterin Claudia Jansen. Aus dem Fenster blickt man auf Felder und Waldrand. Unter dem Dach des Hauses hat sie ein Büro eingerichtet mit Computer-Arbeitsplatz, ein paar Bücherregalen und kleiner Sitzgruppe als Beratungsbereich; auf einem Sideboard liegen Broschüren der VLH. „Möchten Sie einen Kaffee?“, fragt Frau Jansen nachdem wir Platz genommen haben. Gern, denn schon das Heraussuchen der Belege für die Steuererklärung verlangt nach Erfrischung.
Das deutsche Steuerrecht ist komplex, umfangreich und zudem ständigen Änderungen durch Gesetzgeber und Rechtsprechung unterworfen. Dennoch nutzen nur 40 Prozent der Steuerpflichtigen die Dienste eines Steuerberaters, schätzungsweise zehn Prozent lassen sich von einem Lohnsteuerhilfeverein unterstützen. Der große Rest macht die Steuererklärung selbst, entweder allein oder mit Unterstützung einer Software, des Partners oder von Verwandten und Bekannten, die sich besser damit auskennen.





Zwar ist für viele Arbeitnehmer die jährliche Steuererklärung eher Routine und mangels absatzfähiger Ausgaben auch simpel. Doch schon eine Änderung der Lebensumstände, etwa durch Jobwechsel, Trennung, langwierige Krankheiten, einen Pflegefall in der Familie oder Nachwuchs verkomplizieren die Steuererklärung. Auch bei erstmaligen nebenberuflichen Einkünften oder dem Erwerb und der Vermietung einer Immobilie erweist sich Hilfe eines Profis oft als segensreich, weil der die steuerlichen Konsequenzen kennt.
Professioneller Rat lohnt sich meist
Wer seine Steuererklärung in so einer Situation selbst macht, läuft schnell Gefahr, auf viel Geld zu verzichten. Wer keine Steuererklärung abgibt, verzichtet im Durchschnitt auf eine Steuerrückzahlung zwischen 800 und 1000 Euro. Mit professioneller Unterstützung ist oft sogar mehr drin, wie einige Lohnsteuerhilfevereine gerne betonen.
Guter Rat ist somit gar nicht so teuer. Oft übersteigt die Rückzahlung vom Staat die Ausgaben für den Steuerexperten deutlich. Lohnsteuerhilfevereine verlangen in der Regel einen Jahresbeitrag von 40 bis 300 Euro, abhängig vom Einkommen. Schlechter als ein Steuerberater sind sie nicht. Die Berater in den Lohnsteuerhilfevereinen müssen laut Steuerberatungsgesetz drei Jahre Berufserfahrung haben. Viele sind darüber hinaus mittlerweile nach Deutscher Industrienorm (DIN 77700) zertifiziert und haben somit einen fachlichen Qualifikationsnachweis erbracht. „Die Zertifizierung ist nicht verpflichtend, hat aber Aussagekraft, denn die Durchfallquote entspricht in etwa der bei den Steuerberaterprüfungen“, sagt Erich Nöll, Geschäftsführer beim Bundesverband der Lohnsteuerhilfevereine (BdL).
Checkliste: Diese Belege helfen Steuern sparen
Lohnsteuerbescheinigung
Bescheinigung über
- Arbeitslosengeld/ Elterngeld/ Kurzarbeitergeld
- Krankengeld / Mutterschaftsgeld
bei Rentenbezug (z. B. Alters-, Erwerbsunfähigkeits-, Witwen-, private Versicherungsrenten)
- bei erstmaligem Bezug den Rentenbescheid
- jährliche Rentenbescheinigung
Bescheinigung über vermögenswirksame Leistungen (z. B.: Bausparvertrag): Anlage VL
Belege über Nebeneinkünfte
Quelle: Aktuell Lohnsteuerhilfeverein e.V.
Jahreszinsbescheinigungen, etwa von Bausparkassen, Banken, Fondsgesellschaften
Steuerbescheinigungen bei einbehaltener Zinsabschlagsteuer (Abgeltungsteuer)
Belege über Verkauf von Aktien / Grundstücken / Vermögenswerten etc.
bis 14 Jahre: Betreuungskosten z. B. Gebühren für Kindergarten, -hort, Babysitter, Tagesmutter
über 18 Jahre: Ausbildungs- und Lehrverträge, Immatrikulationsbescheinigung bei Studium
im Ausland: Familienstandsbescheinigung
Belege über Schulgeld, Krankenversicherungsbeiträge, Lohnsteuerbescheinigung des Kindes, Waisenrentenbescheinigung
Entlastungsbetrag für Alleinerziehende
Gewerkschaftsbeiträge, Unfallversicherung, Rechtschutzversicherung
Bewerbungskosten (z. B. Kopier-, Porto-, und Fahrtkosten, Bewerbungsmappen)
Reisekosten: Erhöhte Fahrtkosten, Verpflegungspauschalen, Unterkunftskosten (z. B. Kraftfahrer, Bauarbeiter, Außendienst)
Winterbeschäftigungsumlage
Fahrten Wohnung - Arbeitsstätte, Auswärtstätigkeit
- Entfernungs-km, Anzahl Fahrten
- Sammelbeförderung z. B. Werkbus (TÜV-Bericht / ASU / Inspektionsrechnungen immer aufheben wg. km-Stand)
- Unfallkosten PKW
Arbeitsmittel (z. B. Computer, Druckerpatronen, Büromaterial, Werkzeug, Berufskleidung, Fachliteratur)
doppelte Haushaltsführung (Miete, Mietnebenkosten, notwendiger Hausrat, Zweitwohnungssteuer)
Steuerberatungskosten
Fortbildungskosten (Kurs- und Prüfungsgebühren, Kosten für ein Zweitstudium)
Arbeitszimmer (sofern der Arbeitgeber keinen geeigneten Arbeitsplatz stellt)
beruflich veranlasste Umzugskosten (Spediteur, Umzugshelfer, Renovierungskosten, Anschlussgebühren, etc.)
rankheitskosten (z. B. Medikamente, Zahnarzt, Brille, Krankenhausaufenthalt, Kur, Physiotherapie)
Fahrtkosten zum Arzt (Anzahl der Fahrten und km)
Scheidungskosten / Beerdigungskosten
Kosten für Haushaltshilfe
Nachweis über Behinderung (Behindertenausweis, Bescheinigung vom Versorgungsamt, Rentenbescheid über Unfallrente)
Unterhaltsleistungen Kinder / Ehefrau / Eltern / Großeltern / Lebensgefährte/in
Krankenversicherungsbeiträge für unterhaltene Personen
Riester-Rente
Rürup-Rente (Basisrente)
Versicherungsbeiträge (z. B. Lebens-, Haftpflicht-, Kfz-, Unfallversicherung)
Krankenversicherung: Nachweis Basistarif, Beitragserstattungen
Spendenbescheinigungen
Haushaltsnahe Dienstleistungen:
Reinigung, Gartenpflegearbeiten (wie z. B. Rasenmähen oder Heckenschneiden), Schneeräumen
Umzugsdienstleistungen (Umzugsspedition)
Pflege von kranken Personen
Handwerkerleistungen:
Arbeiten an Haus oder Wohnung, Reparatur und Wartung von Gegenständen, Kontrollaufwendungen (z. B. Gebühr für den Schornsteinfeger)
Hinweis: Alle Arbeiten müssen im oder am Haus bzw. an Wohnung vorgenommen worden sein
Voraussetzungen:
Begünstigt ist nur der Arbeitslohn, einschließlich der in Rechnung gestellten Maschinen und Fahrtkosten - keine Leihgebühr für Maschinen
Hinweis: Kontoauszüge müssen die Bezahlung per Überweisung belegen
Vermieter:
- Kaufvertrag, Makler-, Auflassungsgebühr, Grunderwerbssteuer, Notarkosten
- Bau-, Reparaturrechnungen, Zinsbescheinigungen
Sonderabschreibung:
- für ein Baudenkmal, Gebäudesanierung
„Wenn Sie aber Gewinneinnahmen hatten, also zum Beispiel Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit, kann ich Ihre Steuererklärung leider nicht machen“, erklärt die Steuerbevollmächtigte Jansen beim Kaffee. Lohnsteuerhilfevereine sind nämlich für Angestellte gedacht und per Gesetz auf diese Zielgruppe festgelegt. Wer Gewinne aus Selbstständigkeit, Gewerbe oder Land und Forstwirtschaft erzielt, sollte besser gleich einen Steuerberater aufsuchen. „Lohnsteuerhilfevereine dürfen laut Gesetz nur Arbeitnehmer, Beamte, Rentner und Kleinvermieter beraten, sowie Personen mit bestimmten nebenberuflichen Einnahmen oder Aufwandsentschädigungen“, erklärt Frau Jansen. Wer aus der Vermietung Bruttoeinnahmen von bis zu 13.000 Euro erzielt (für Paare gelten 26.000 Euro) ist noch Kleinvermieter und kann zum Lohnsteuerhilfeverein. Erlaubt sind auch Einnahmen aus nebenberuflicher Tätigkeit, etwa als Übungsleiter oder Ausbilder, sowie Aufwandsentschädigungen. Ob die Ausnahmen zulässig sind, wird allerdings im Einzelfall geprüft.