Als im Aufruhr um die Panama Papers auch der britische Premierminister David Cameron unter öffentlichen Beschuss geriet, tat dieser etwas höchst Ungewöhnliches. Weil sein verstorbener Vater auf den Bahamas einen Offshore-Fonds unterhalten und er selbst erst nach tagelangem öffentlichen Druck zugegeben hatte, bis 2010 Anteile daran besessen zu haben, hagelte es Kritik. Um Vertrauen zurückzugewinnen, machte Cameron kurzerhand seine Steuererklärungen der vergangenen sieben Jahre öffentlich zugänglich.
Beim gemeinen Steuerzahler prüfen hingegen nur Steuerberater und Finanzbeamte die Steuererklärung. Und in der Regel weiß der Steuerzahler nicht, was genau geprüft wird. Dem nur knapp erläuterten Steuerbescheid ist wenig bis nichts zu entlocken. Dabei würden sich viele wohler fühlen, wenn sie wüssten, wo das Finanzamt schnell kritisch nachfragt und entsprechende Belege anfordert. Und wenn Sie es wüssten, würden sie womöglich die Nachweise und Erläuterungen gleich ihrer Steuererklärung beifügen, um zusätzlichen Schriftwechsel und Verzögerungen bis zum Steuerbescheid zu vermeiden.
Jedes Jahr aufs Neue gibt es für die Finanzbeamten die Anweisung, bestimmte Bereiche besonders kritisch zu prüfen. Zum einen legen die Landes- und Oberfinanzdirektionen bestimmte Prüffelder fest. Zum anderen bestimmen die Finanzämter selbst, worauf sie besonders achten wollen. Die Oberfinanzdirektion von Nordrhein-Westfalen macht die Prüfungsschwerpunkte im Internet sogar öffentlich.
Prüfung nach Risikoeinstufung
Heutzutage prüft kein Sachbearbeiter mehr alle Steuererklärungen. Was zur Prüfung auf seinem Schreibtisch landet, entscheidet vielmehr der Computer. „Das Finanzamt prüft die Steuererklärungen zunächst nur auf Plausibilität. Nur wenn etwas nicht plausibel erscheint – etwa weil die Beträge stark von denen des Vorjahres abweichen - schauen die Beamten genauer hin“, weiß Uwe Rauhöft, Geschäftsführer beim Neuen Verein der Lohnsteuerhilfevereine (NVL). Zudem gibt es Stichproben, bei denen das Finanzamt intensiv prüft.
Seit 2010 nutzen die Finanzämter eine Risikomanagement-Software, die alle Steuerfälle automatisch in vier Risikoklassen einstuft. Diese und zufällige Stichproben sorgen dafür, dass einige Steuerfälle gar nicht, nur in bestimmten Punkten oder komplett und detailliert geprüft werden.
Wann das Finanzamt intensiver prüft
Bereits seit 2010 verwenden die deutschen Finanzämter ein computergestütztes Verfahren, um zu prüfende Steuererklärungen in Klassen einzuteilen, um die Intensität der Prüfung durch einen Sachbearbeiter festzulegen. Die Software prüft Steuererklärungen dabei vor allem auf Plausibilität. Außerdem gibt es darüber hinaus zufällige Stichproben, die bis ins Detail geprüft werden.
In Risikoklasse 1 – der höchsten Stufe – landen alle Steuerfälle, die bis ins Detail genau geprüft werden müssen. Meist liegen hier viele verschiedene Einkunftsarten, besonders hohe Einkünfte oder Einkünfte aus bestimmten Branchen vor.
In Risikoklasse 2 kommen Steuerfälle, die in einzelnen Punkten auffällig sind, etwa weil sie die Grenzwerte ausschöpfen. Das kann zum Beispiel die Steuernachlässe auf den Arbeitslohn beauftragter Handwerker oder das beruflich genutzte Arbeitszimmer betreffen.
Steuererklärungen der Risikoklasse 3 sind hingegen unkritisch und unauffällig, so dass Finanzbeamte kaum nochmal nachprüfen.
Risikoklasse 4 ist für Steuerfälle vorgesehen, in denen Unternehmen eine Betriebsprüfung erdulden müssen - eine besonders aufwändige und intensive Prüfung.
Zwar gibt es in jedem Jahr Änderungen im Steuerrecht. Die Anpassung von Grundfreibeträgen, Bemessungsgrenzen oder Obergrenzen für die Anrechenbarkeit erfolgt durch die Steuerbehörde allerdings automatisch. Weil es darüber hinaus kaum Änderungen im Steuerrecht gegeben hat, die für die Steuererklärung für das Jahr 2015 relevant wären, gibt es diesmal nicht die großen Themen, die zu neuen systematischen Prüfungen führen. „Eigentlich sind alle Bereiche das große Thema der Finanzämter in diesem Jahr“, sagt Steuerrechtsexpertin Isabel Klocke vom Bund der Steuerzahler.
So sind es vor allem schon fast klassische Prüfbereiche, auf die die Finanzbeamten ihr Augenmerk richten.
Erstmalige Vermietung
Ein solcher Klassiker ist die erstmalige Vermietung einer Immobilie. Die niedrigen Zinsen verlocken gerade in Deutschland immer mehr Menschen dazu, in Miethäuser und -wohnungen zu investieren. Kein Wunder, dass sich die Finanzbeamten deren erste Steuererklärung genau ansehen. Denn wer Wohnraum vermietet, kann viele Ausgaben steuermindernd geltend machen. Steht die Immobilie jedoch länger leer, etwa weil noch saniert oder gebaut wird oder sich Mieter nicht so schnell finden lassen wie gedacht, produziert der Vermieter steuerrechtliche Verluste, die er in der Steuererklärung geltend machen kann.
Laufende Kosten wie Grundsteuer, Versicherungen oder Stromkosten erhöhen die so genannten vorweggenommenen Werbungskosten und mindern die Steuerlast aus anderen Einkünften. Deshalb ist im Falle von Verlusten damit zu rechnen, dass die Finanzbeamten genauer prüfen. Wer also Verluste aus Vermietung und Verpachtung in seiner Steuererklärung geltend macht, sollte eine Kostenübersicht gleich mitschicken und die passenden Rechnungen und Belege für Rückfragen bereit liegen haben.
Doppelte Haushaltsführung
Auch wer einen zweiten Wohnsitz aus beruflichen Gründen steuerlich geltend machen will, muss damit rechnen, dass das Finanzamt ganz genau hinsieht – vor allem, wenn die Ausgaben zum ersten Mal in der Steuererklärung auftauchen. „Durch die Einführung des neuen Reisekostenrechts sind die Anforderungen für die Absetzbarkeit von Miet-, Neben- und Fahrtkosten deutlich gestiegen“, sagt Klocke vom Steuerzahlerbund. „Einfach ein Zimmer bei den eigenen Eltern genügt heute nicht mehr, um Steuervorteile geltend zu machen.“ Vielmehr muss ein eigener Hausstand am Wohnort vorhanden sein, für den auch Kosten der Lebensführung wie Miete, Nebenkosten und Verpflegung anfallen. An den Kosten für die Haushaltsführung muss sich der Steuerzahler mit mindestens zehn Prozent beteiligen, damit das Finanzamt ihn als privaten Hauptwohnsitz anerkennt.
Wer muss eine Einkommensteuererklärung machen?
Alleinstehende Arbeitnehmer, die nur bei einem Arbeitgeber beschäftigt sind, müssen in der Regel keine Steuererklärung abgeben. Das ändert sich, wenn ...
- wenn Nebeneinkünfte von mehr als 410 Euro pro Jahr erzielt wurden.
- der Arbeitnehmer bei mehreren Arbeitgebern gleichzeitig beschäftigt ist oder war.
- keine Einkünfte aus einer Arbeitnehmertätigkeit mit Lohnabzug erzielt wurden, aber der Gesamtbetrag der Einkünfte bei einem Ledigen im Jahr 2016 beispielsweise durch eine Rente über 8.652 Euro liegt.
- Lohnersatzleistungen wie beispielsweise Arbeitslosen- und Elterngeld über 410 Euro pro Jahr bezogen wurden.
- auf der Lohnsteuerkarte ein Freibetrag eingetragen wurde (– beispielsweise ein Freibetrag für Werbungskosten) und der Arbeitslohn über11.000 Euro liegt (20.900 Euro für zusammen veranlagte Ehegatten)
- der Arbeitnehmer verheiratet ist und einer der Ehegatten nach der Steuerklasse V oder VI besteuert wurde.
- der Arbeitnehmer verheiratet ist und die Ehegatten nach dem sogenannten Faktorverfahren besteuert wurde.
- der Arbeitnehmer nacheinander bei verschiedenen Arbeitgebern beschäftigt war und ein Arbeitgeber einen sonstigen Bezug (beispielsweise Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld oder Abfindungen) versteuert hat, bei dem der Arbeitslohn beim anderen Arbeitgeber nicht mit einbezogen wurde.
- der Arbeitnehmer geschieden wurde – oder der Ehegatte gestorben ist – und er im gleichen Jahr wieder geheiratet hat.
- zum Ende des Vorjahres ein sogenannter Verlustvortag festgestellt wurde – beispielsweise Verluste aus Vermietung und Verpachtung.
Reisekosten
Das neue Reisekostenrecht aus dem Jahr 2014 spielt in diesem Zusammenhang auch eine bedeutende Rolle. In den meisten Fällen ist es für die Arbeitnehmer vorteilhafter, sie können mehr Werbungskosten absetzen als nach altem Recht. „Bestimmt ein Arbeitgeber etwa, sein Angestellter solle bis auf weiteres an einem anderen Standort arbeiten, geht das Finanzamt nach Anweisung des Bundesfinanzministeriums davon aus, dass der neue Arbeitsort dauerhaft angelegt ist“, erklärt Rauhöft vom NVL. „Das hat dann zur Folge, dass nur die einfache Fahrt zum Arbeitsort über die Entfernungspauschale steuermindernd wirkt. Bei Reisekosten zu vorübergehenden Arbeitsorten können hingegen Hin- und Rückfahrt, Verpflegung und Unterkunft geltend gemacht werden.“
Für das Finanzamt sind Reisekosten und doppelte Haushaltsführung also durchaus aussichtsreiche Prüfbereiche. Der Streit um die steuerrechtliche Einordnung solcher Fälle beschäftigt bereits die Gerichte.
Private Kfz-Nutzung
Die Angaben zur privaten Nutzung eines Firmenwagens betreffen sowohl Arbeitnehmer, die einen Dienstwagen vom Arbeitgeber gestellt bekommen als auch Selbstständige, die ihr zum Betriebsvermögen gehörendes Fahrzeug für private Fahrten benutzen. Laut Rauhöft vom NVL passiert es in der Praxis bei hohen Fahrtkosten generell, dass die Finanzämter die Laufleistung des Autos abfragen, um die Plausibilität der Angaben zu überprüfen. In solchen Fällen sollten Steuerzahler daher immer mit Nachfragen vom Finanzamt rechnen.
Bei privater Nutzung eines Dienstwagens durch den Arbeitnehmer stehen zwei Modelle zur Verfügung, um den privaten Nutzungsvorteil zu versteuern. Einerseits die Ein-Prozent-Regel, nach der jährlich ein Prozent des Neuwagenpreises als geldwerter Vorteil pauschal versteuert wird. Andererseits können Steuerpflichtige auch ein Fahrtenbuch führen, wenn sie glauben, sich dadurch steuerlich besser zu stellen, weil der private Nutzungsanteil geringer ist als die Ein-Prozent-Regel unterstellt. „Wer die Fahrtenbuch-Variante wählt, sollte dieses sehr sorgfältig und korrekt führen, denn Fahrtenbücher werden von den Finanzämtern immer penibel und intensiv geprüft“, sagt Steuerrechtsexpertin Klocke.
Arbeitszimmer, Alleinerziehende, Arbeitstage
Laut Rauhöft werden in der Praxis auch noch andere Gebiete vermehrt geprüft, in denen die Rechtsprechung in jüngerer Vergangenheit für Klarheit gesorgt hat. „Wer die Kosten für ein Arbeitszimmer absetzen will, muss unabhängig davon, ob die Angaben erstmalig oder schon seit Jahren erfolgen, mit Nachfragen der Steuerbehörden rechnen.“ Nach neuerer höchstrichterlicher Rechtsprechung bleiben die Möglichkeiten zur Absetzbarkeit eines Arbeitszimmers nämlich deutlich eingeschränkt. So ist die Arbeitsecke nicht absetzbar und mehr als zehn Prozent Privatnutzung sind tabu. Außerdem darf kein anderer Arbeitsplatz vom Arbeitgeber zur Verfügung stehen. „Es kann sein, dass die Finanzbeamten Skizzen und Fotos des Arbeitszimmers anfordern“, weiß Rauhöft aus Erfahrung. Wenn dann ein Bett darin steht, wird das Finanzamt die Kosten für das Büro nicht anerkennen.
Auch der sogenannte Entlastungsbetrag für Alleinerziehende – 2015 betrug er 1908 Euro plus 240 Euro für ein zweites und jedes weitere Kind – wird laut Rauhöft in der Praxis gerne hinterfragt. „Dann prüfen die Beamten, ob etwa andere volljährige Personen im gleichen Haushalt wohnen“, so Rauhöft. In diesem Fall wäre der Steuerpflichtige in der Regel nicht mehr als alleinerziehend zu betrachten.
Auch die angegebenen Arbeitstage – vor allem für die Pendlerpauschale für Fahrten zum Arbeitsort wichtig – hinterfragen die Finanzämter aus Sicht von Rauhöft immer häufiger. Von der Zahl der verfügbaren Arbeitstage, für die sich für jedes Bundesland Angaben im Internet finden, sind neben den Urlaubstagen auch die Krankheitstage abzuziehen. Erscheint die Angabe dazu nicht plausibel, fragen die Behörden nach.
Wer die Angaben zu den prüfungssensiblen Bereichen der Steuererklärung von vorne herein erläutert und nötigenfalls auch Belege gleich mitliefert, hat gute Chancen auf eine schnelle und unkomplizierte Bearbeitung seiner Steuererklärung. Steuerzahlerbund und Lohnsteuerhilfevereine sind da grundsätzlich einig. Voraussetzung aber ist bei jeder Steuererklärung, alles ordentlich und auch richtig auszufüllen.