Steuerflucht der Konzerne Wie Steuerschlupflöcher Betriebsrentner benachteiligen

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Gewinne in dem Land versteuern, in dem sie anfallen

Ins Visier geraten sind unter anderem die Verrechnungspreise. Mit diesen Preisen stellen Konzerntöchter anderen Konzernteilen Dienstleistungen auch über Grenzen hinweg in Rechnung. So könnte eine Tochtergesellschaft, die in einem Land mit niedrigen Steuern sitzt, konzernweit Entwicklungsleistungen übernehmen und anderen Konzerngesellschaften diese per Verrechnungspreis teuer berechnen. Ihr hoher Gewinn würde niedrig besteuert, die Gewinne der anderen Konzerngesellschaften würden gedrückt, und diese müssten entsprechend weniger Steuern zahlen. Laut Bundesfinanzministerium soll „verhindert werden, dass multinationale Unternehmen durch Festlegung fremdunüblicher Bedingungen, insbesondere durch zu hohe oder zu niedrige Verrechnungspreise, Besteuerungssubstrat zwischen den Staaten willkürlich verlagern können“. Auf Deutsch: Ein Konzern soll nicht Steuern zahlen, wo er will, sondern dort, wo tatsächlich seine Gewinne anfallen.

Hier schmeißt der Staat das Geld zum Fenster raus
Das Schwarzbuch 2017/18, herausgegeben vom Bund der Steuerzahler Deutschland. Quelle: dpa
Münchner Maximilianeum Quelle: dpa
Schutzwürdige Bäume in Hameln Quelle: dpa
Wohncontainer für Flüchtlinge Quelle: dpa
Bundestag Quelle: dpa
Frankfurt am Main Quelle: dpa
Ehrenbürg-Gymnasium in Forchheim Quelle: dpa

Das klingt logisch. Ist aber nicht ganz einfach. Es fängt schon damit an, dass in einem modernen Unternehmen gar nicht so leicht zu verorten ist, wo denn genau Werte geschaffen werden. Vor allem Internetunternehmen brauchen eben keine Fabriken oder Filialen in einem Land mehr, um dort verdienen zu können. Bis Mai etwa verbuchte der Internetversandhändler Amazon all seine deutschen Verkäufe noch in Luxemburg. Das Auktionsportal Ebay wickelt Geschäfte auch weiter über Luxemburg ab.

Gerade erst forderte die EU-Kommission von der Kaffeekette Starbucks und der Finanztochter des Autoherstellers Fiat bis zu 30 Millionen Euro Steuern nach, weil sie angeblich Erträge in die besonders verständnisvollen EU-Staaten Luxemburg und die Niederlande verschoben hatten.

Dabei bringen die Steuertricks US-Unternehmen auf den ersten Blick wenig. Zwar können sie steueroptimiert kassierte Erträge im Ausland investieren. Sobald sie das Geld aber zu einer US-Gesellschaft zurückholen, fällt mehr Steuer an. „Konzerne müssen dann die Differenz zwischen der niedrigen Auslandssteuer und der mit etwa 35 Prozent recht hohen US-Steuer nachzahlen“, sagt Ullmann.

Doch es bleibt Gestaltungsspielraum. So horten die Unternehmen Geld einfach im Ausland. Die 500 größten US-Unternehmen halten dort laut US-Nichtregierungsorganisationen 2100 Milliarden Dollar, vor allem in Steueroasen. Sie würden so jedes Jahr 90 Milliarden Dollar an Steuer sparen. „Einzelne Steuerzahler aber haben keinen großen Anreiz, sich für eine Änderung dieser Situation einzusetzen“, sagt Samuel Brunson, Jura-Professor an der Universität von Chicago.

Herr Reinhardt in der Globalisierungsfalle

Anders sieht es aus, wenn einzelne Personen einen direkten Nachteil haben – so wie Dirk Reinhardt und seine Mitstreiter.

Reinhardt hatte seine Berufslaufbahn 1970 bei IBM begonnen und stieg im Unternehmen weit auf. Als IBM 1999 das weltweite Netzwerkgeschäft an AT&T verkaufte, wechselte er mit und wurde Finanzchef einiger europäischer Ländergesellschaften, auch der AGNS Deutschland. 2002 ging er in Rente.

Seitdem bekommt er jeden Monat eine vierstellige Betriebsrente überwiesen. Die Rentenhöhe orientiert sich unter anderem am Gehalt der letzten fünf aktiven Berufsjahre. Bis zur plötzlichen Kehrtwende hatte die AGNS Deutschland die Rente auf Antrag alle drei Jahre angehoben, um die Inflation auszugleichen.

Gewinne und Steuerquoten ausgewählter Konzerne

Dass damit 2011, als die ersten Betriebsrentner die Ablehnungsschreiben der AGNS Deutschland bekamen, Schluss sein sollte, kam für Reinhardt und seine Mitstreiter überraschend. Zwar ist in den Geschäftsberichten der deutschen AT&T-Tochter schon seit Jahren von „Preis- und Wettbewerbsdruck“ die Rede. Doch stellt das Unternehmen auch stets die Prognose, dass sich die Profitabilität „weiterhin positiv entwickeln wird“. Das klingt nicht so, als ob die wirtschaftliche Lage eine Rentenanpassung nicht zulasse.

Tatsächlich blieben aber 2014 laut Geschäftsbericht von knapp 138 Millionen Euro Umsatz unter dem Strich nur 1,5 Millionen Euro Gewinn – ein Prozent Marge also. In den vergangenen zehn Jahren verbuchte AGNS Deutschland bei 1,3 Milliarden Euro Umsatz magere 44 Millionen Euro Gewinn vor Steuern. Darauf bezogen zahlte die AGNS Deutschland schlappe drei Prozent Steuer an den deutschen Fiskus. 2013 etwa zahlte sie gar keine Ertragsteuern, 2012 flossen ganze 665 Euro an den deutschen Fiskus.

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