
Apple, Facebook und Co. sollen ihre Gewinne dort versteuern, wo ihre Kunden sitzen. Also auch in Deutschland. Das würde eine globale Neuverteilung bedeuten. Wer profitiert zu wessen Nachteil und was bedeutet das für den Wirtschaftsstandort Deutschland? Bei einem informellen Treffen der EU-Wirtschafts-und Finanzminister am 15. und 16. September wird unter anderem daran getüftelt, wie die Internetwirtschaft so besteuert werden kann, dass alle etwas davon haben.
Rund fünf Prozent der Apple-Umsätze in Höhe von 215 Milliarden US-Dollar fallen in Deutschland an. Von den Steuern bekommt Deutschland nach FAZ-Berechnungen aber nur 0,1 Prozent. Das ist legal, weil es nicht verboten ist, Gewinne in Niedriglohnländer zu verschieben und so Steuern einzusparen. Apple hat die Gewinne aus England, Deutschland und ganz Europa nach Irland geschleust. Dort fielen minimale Steuersätze an.
Die EU will ein Stück vom Steuerkuchen
Die Finanzminister der G4 (Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien) fordern, dass diese Steuerschlupflöcher so gut es geht, geschlossen werden. In einem Schreiben an die EU-Kommission äußern sie aber noch eine weitaus drastischere Neuregelung: Die Gewinnsteuer, die bisher nur im Land des Firmensitzes fällig wird, soll auf alle Länder aufgeteilt werden, in denen ein Unternehmen Kunden hat. Allein Apple machte im Jahr 2016 Gewinne in Gesamthöhe von 45,7 Milliarden US-Dollar. Wie realistisch ist der Vorschlag der Wirtschafts-und Finanzminister? Wer würde – zu wessen Nachteil – profitieren?
Bei einem informellen Treffen der EU-Wirtschafts-und Finanzminister vom 15.-16. September wird getüftelt, wie die Internetwirtschaft so besteuert werden kann, dass alle etwas davon haben.
Steuervermeidung: Wie viel Geld US-Konzerne außerhalb der USA bunkern
Die amerikanische Wirtschaft hat bis heute schätzungsweise zwei Billionen Dollar vornehmlich in karibischen Steueroasen verschoben. Allein das Pharmazie- und biotechnologieunternehmen Gilead Sciences hat 19 Milliarden US-Dollar im Ausland gebunkert.
Quelle: Barron's, Citibank
Stand: Mitte 2015
Noch etwas mehr Bargeld, nämlich 22 Milliarden US-Dollar, hat die Coca-Cola Company im Ausland gebunkert.
Über Bargeldreserven in Höhe von schätzungsweise 28 Milliarden US-Dollar verfügt das Biotechnologieunternehmen Amgen außerhalb der USA.
Auch das Forschungs- und Entwicklungsunternehmen Qualcom mit Sitz im kalifornischen San Diego betreibt eine kräftige Steuervermeidung. Insgesamt 29 Milliarden US-Dollar Bargeld befindet sich außerhalb der USA.
Bei dem weltweit operierenden Pharmazie- und Konsumgüterhersteller Johnson & Johnson sind es 38 Milliarden US-Dollar, die im Ausland gebunkert sind.
Alphabet, das Tochterunternehmen von Google, kommt auf satte 45 Milliarden US-Dollar, die nicht in den USA versteuert wurden.
Noch höhere Bargeldbeträge bunkert der Soft- und Hardwarehersteller Oracle außerhalb der USA: Insgesamt sind es schätzungsweise 48 Milliarden US-Dollar.
Ein weiteres IT-Unternehmen ist ganz vorne dabei, wenn es um Steuervermeidung geht. Cisco bunkert 57 Milliarden US-Dollar außerhalb der USA.
Der Software- und Hardwarehersteller weiß Steuerschlupflöcher noch besser für sich zu nutzen. Ganze 109 Milliarden US-Dollar bunkert Microsoft im nicht-amerikanischen Ausland.
Das wertvollste börsennotierte Unternehmen der Welt bunkert Bargeldreserven wie kein zweiter Konzern. Auf insgesamt 215 Milliarden US-Dollar kommt Apple außerhalb der USA. Zusätzlich zahlt der Konzern rekordverdächtig niedrige Steuern in Irland - der EU-Kommission zufolge atemberaubende 0,005 Prozent.
Wie ist der aktuelle Stand?
Bei dem Vorschlag von Schäuble und seinen Kollegen geht es um eine Gewinnsteuer. Bemessungsgrundlage soll der Umsatz der Internetgiganten sein. Gewinne wurden bisher immer nur in dem Land besteuert, in dem sich der Hauptsitz des Unternehmens befindet. Der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold hält die Forderung der Minister für überfällig. „Anstatt ihre Milliardengewinne in Steueroasen zu parken, müssen die Internetriesen auch in Europa ihren Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten.“
Warum ist das Problem noch nicht gelöst?
Das klingt, als wäre es einfach. Es wird dauern, bis alle Steuerschlupflöcher geschlossen sind und es wird dauern, bis alle betroffenen Länder etwas von den Gewinnen von Google und Co. abbekommen. Die Lage hat sich verkompliziert: Firmen haben immer mehr Standorte, lagern ihre Produktion aus, verkaufen online. „Für diverse Situationen müssen multinationale Abkommen getroffen werden. Dass so etwas über ganz unterschiedliche nationale Interessenlagen hinweg nur über Jahrzehnte verhandelt werden kann, liegt auf der Hand“, sagt Achim Doerfer, Anwalt für Steuerrecht und Autor des Buches „Die Steuervermeider“.
Wie weit ist die EU bisher gekommen?
Laut Doerfer nehme die EU vermehrt individuelle Steuervergünstigungen für einzelne Unternehmen unter die Lupe. „Das Europäische Parlament hat einen gründlich arbeitenden Ausschuss eingesetzt.“ Außerdem wurden in vielen Ländern Steuerbegünstigungen auf Patenteinnahmen und Innovationen begrenzt. Die Kosten für Lizenzen, die Filialen von beispielsweise Starbucks kaufen mussten, um das Logo an die Wand zu hängen, werden in den meisten Ländern nicht mehr steuerlich begünstigt.