Hessens CDU-Finanzminister Thomas Schäfer dürfte genau verfolgen, was die Frankfurter Generalstaatsanwälte bei ihren aktuellen Ermittlungen zu Tage fördern. Zwölf Verdächtige sollen in der Mainmetropole 450 Millionen Euro Körperschaftsteuer hinterzogen haben. Zwei von ihnen hat die Polizei festgenommen und Büros sowie Wohnungen in Frankfurt durchsucht. Das Geld stammt laut Staatsanwaltschaft aus der Veräußerung von Firmenanteilen.
Frankfurt fehlen 300 Millionen Euro
Bei einem Körperschaftsteuersatz von 25 Prozent muss die beschuldigte Truppe Gewinne in Höhe von 1,8 Milliarden Euro erzielt haben. Die Hälfte der hinterzogenen Summe stünde dem Land Hessen und dem Haushalt von Finanzminister Schäfer zu. Aber auch die Stadt Frankfurt hat wohl einen Schaden erlitten. Der umfangreiche Geschäftsbetrieb und die Höhe der Gewinne sprechen dafür, dass die Verdächtigen darüber hinaus auch Gewerbesteuer hätten zahlen müssen. Bei einem effektiven Gewerbesteuersatz von etwa 16 Prozent wären geschätzt rund 300 Millionen Euro fällig geworden. Insgesamt kassiert Frankfurt jährlich etwa eine Milliarde Euro Gewerbesteuer.
Die Verdächtigen vom Main müssen geschickte Händler gewesen sein, um ihre hohen Gewinne zu erzielen. Die Geschäfte, mit denen sie das geschafft haben, waren laut Staatsanwaltschaft legal. Illegal war dagegen der Versuch, die fällige Steuer am Fiskus vorbei zu mogeln. Dabei gingen sie offenbar weniger geschickt vor. Die Verdächtigen betrieben ihre Geschäfte vom Finanzplatz Frankfurt aus, taten gegenüber dem Finanzamt aber so, als ob ihr Unternehmen auf der Mittelmeerinsel Zypern sitzen würde.
Noch keine Klage erhoben
Warum ausgerechnet dort? „Der Standort Zypern taucht wie ein Klassiker bei vielen steuerlichen Strafverfahren in Deutschland auf“, sagt Ulrich Sorgenfrei, Steuerberater und Steuerstrafverteidiger. Der Frankfurter Anwalt gehört laut WirtschaftsWoche-Ranking vom März 2009 zu den besten Spezialisten für Steuerstrafrecht. Zypern lockt mit niedriger Körperschaftsteuer aber auch mit der Tatsache, dass die Insel günstige Doppelbesteuerungsabkommen mit anderen Staaten abgeschlossen hat. Zudem tauschen sich die zypriotischen Behörden erfahrungsgemäß kaum mit Steuerverwaltungen im Ausland aus, obwohl die Insel seit 2004 EU-Mitglied ist.
„Wer ein Unternehmen legal von Deutschland nach Zypern verlagern will, muss sich an die Spielregeln halten“, sagt Sorgenfrei. Die deutschen Steuerbehörden überprüften ausländische Geschäftsadressen und kommen dilettantisch gebastelten Briefkastenfirmen wie offenbar im Frankfurter Fall schnell auf die Schliche. Die Steuerfahnder können feststellen, ob Unternehmen tatsächlich im Ausland sitzen oder sich nur bei dortigen Anwaltskanzleien registriert haben, die massenhaft Scheinadressen verwalten.
Geld im Ausland vermutet
Der Geschäftsbetrieb im Ausland muss laut Anwalt Sorgenfrei Substanz haben. Dafür notwendig sind etwa Büros und Besprechungsräume sowie branchenübliche Kommunikationsverbindungen. Zudem muss es je nach Art des Unternehmens Angestellte geben, die den Betrieb am Laufen halten. Die Geschäftsführer und Eigentümer müssen sich regelmäßig für wichtige Entscheidungen am ausländischen Sitz der Gesellschaft zusammenfinden. „Für spätere Betriebsprüfungen ist das penibel zu dokumentieren, etwa in Form von Protokollen von Sitzungen oder Gesellschafterversammlungen“, sagt Sorgenfrei.
Noch hat die Staatsanwaltschaft keine Anklage erhoben. Sind die Verdächtigen im Frankfurter Fall tatsächlich schuldig, drohen ihnen bis zu zehn Jahren Gefängnis. Milde vom Richter können sie allerdings erwarten, wenn sie helfen, das hinterzogene Geld sicher zu stellen. Ein großer Teil davon liegt laut Staatsanwaltschaft im Ausland. Leichter heran kommen die Behörden dagegen an das in Deutschland liegende Vermögen. Finanzminister Thomas Schäfer wird es freuen.