Im kommenden Jahr will der Gesetzgeber der Flucht aus teuren Krediten – auch Widerrufsjoker genannt – einen Riegel vorschieben. Spätestens am 21. März soll das neue Wohnimmobilien-Kreditgesetz wirksam werden. Kunden könnten Kredite dann nur noch zeitlich begrenzt widerrufen, selbst wenn sie unwirksam über ihr Widerrufsrecht informiert worden sind. Bei neu abgeschlossenen Krediten soll der Widerruf maximal 12 Monate und 14 Tage lang möglich sein. Altverträge sollen Kunden spätestens drei Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes nicht mehr widerrufen können. Dieses Detail gelangte erst in letzter Minute in den Gesetzesentwurf. André Tittel, Anlegeranwalt aus Berlin, vermutet dahinter „intensive Lobbyarbeit“ seitens der Banken.
Tausende Bankkunden nutzen derzeit fehlerhafte Widerrufsbelehrungen, die Banken zwischen 2002 und 2010 verwendet hatten. Viele Formulierungen sind unklar und damit unwirksam. Folge: Die zweiwöchige Widerrufsfrist hat nie begonnen, Kunden können Verträge auch nach Jahren noch widerrufen. Sie müssen ihre Restschuld dann binnen 30 Tagen begleichen. Bereits geleistete und nach dem Widerruf fällige Zinsen werden verrechnet. Die Bank hat keinen Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung. Haben Kunden eine solche bereits gezahlt, bekommen sie diese verzinst zurück.
Die wichtigsten Änderungen - 2016 in Zahlen
...im Jahr sind das maximale Bruttoeinkommen, auf das in den alten Bundesländern Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung anfallen – 1800 Euro mehr als 2015. In den neuen Ländern liegt die Grenze bei 64 800 Euro (plus 2400 Euro). Der Rentenbeitragssatz bleibt voraussichtlich unverändert bei 18,7 Prozent, wovon Arbeitnehmer und Arbeitgeber je die Hälfte zahlen. Der Maximalbeitrag von Arbeitnehmern steigt daher um rund 168 Euro im Jahr (neue Bundesländer: 224 Euro). Für die Arbeitslosenversicherung sind weiter drei Prozent Beitrag fällig, die sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer ebenfalls teilen.
...pro Jahr können Steuerzahler an Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung, zu einem berufsständischen Versorgungswerk und zu einer Rürup-Rente als Sonderausgaben steuerlich geltend machen. Diese werden zu 82 Prozent angesetzt. Neurentner müssen 72 Prozent ihrer Rente lebenslang versteuern.
...pro Jahr ist das Limit, bis zu dem die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) Versicherten Beiträge berechnen – ein Anstieg von 1350 Euro. Vom GKVBeitrag von 14,6 Prozent zahlen Arbeitnehmer 7,3 Prozent sowie den kassenindividuellen Zusatzbeitrag. Im Schnitt wird dieser 2016 auf 1,1 Prozent steigen. Um in eine private Krankenversicherung wechseln zu dürfen, müssen Versicherte wenigstens 56 250 Euro verdient haben.
...beträgt der neue steuerliche Grundfreibetrag. Bei Paaren ist es doppelt so viel. Auf Einkünfte bis zu dieser Höhe im Jahr fällt keine Steuer an.
...bleiben pro Kind zusätzlich steuerfrei, wenn die so errechnete Steuerersparnis größer ist als das bereits ausgezahlte Kindergeld. Liegt die Kindergeld-Auszahlung hingegen über dieser rechnerischen Steuerersparnis, bleibt es beim Kindergeld allein.
Banken ist der Widerrufsjoker ein Ärgernis. Viele blocken ihn etwa als rechtsmissbräuchlich ab. Betroffene Kreditnehmer, die nicht klagen wollen, haben aber zumindest gute Chancen, sich mit der Bank auf einen Kompromiss zu einigen, etwa: keine Rückzahlung von Zinsen, dafür aber künftig ein Kredit zu aktuellen Niedrigzinsen.
Grundsatzentscheidung wird verhindert
Im Detail ist die Rechtslage auch nicht völlig klar. So hielt das Oberlandesgericht Hamburg – anders als andere Gerichte – einen Kreditwiderruf nach erfolgter Tilgung nicht mehr für möglich (13 U 71/13). Die Flucht aus einem per Kredit finanzierten Fonds erklärte es für „grob treuwidrig und unwirksam“ (13 U 87/14). In beiden Verfahren gab es vom Bundesgerichtshof (BGH) kein Grundsatzurteil, weil Banken sich mit ihren Kunden auf den letzten Drücker einigten (XI ZR 154/15 und XI ZR 180/15). Eine beliebte Strategie: So können sich andere Kunden nicht auf ein Urteil berufen.
Auch aus Lebensversicherungen können Kunden wegen fehlerhafter Belehrungen per Widerruf fliehen – hier Widerspruch genannt. Falsch waren viele zwischen 1994 und 2007 verwendete Belehrungen. Eine Gesetzesänderung ist hier nicht in Sicht. Versicherte bekommen Beiträge minus der Kosten des reinen Versicherungsschutzes zurück (BGH, IV ZR 211/14). Bei fondsgebundenen Policen dürfen Fondsverluste abgezogen werden (BGH, IV ZR 513/14). Einige Versicherer wollen einer Massenflucht wohl vorbeugen. So schickt die Nürnberger Lebensversicherung Kunden nachträgliche Belehrungen. Sind diese korrekt formuliert und wirksam, blieben Versicherten nach Erhalt nur noch 14 Tage, um aus der Police auszusteigen.
Neue Regeln 2016 - Was sich sonst noch ändert
Rente. Im Juli 2016 bekommen Rentner voraussichtlich etwa fünf Prozent mehr.
Kindergeld. Pro Kind gibt es zwei Euro mehr Kindergeld pro Monat, jetzt also für das erste und zweite Kind je 190 Euro. Die Familienkasse braucht die Steuer-IDs von Eltern und Kindern, damit der Anspruch besteht. Die Kennnummern können aber 2016 noch nachgereicht werden.
WLAN im Zug. Bahnreisende sollen vom Sommer an auch in der zweiten Klasse der ICEs kostenlos per WLAN surfen können. Bislang war das – wenn überhaupt – nur in Klasse 1 möglich.
Einkommensteuer. Die Steuersätze steigen erst bei etwas höheren Einkommen an. So soll die 2014 und 2015 aufgelaufene Inflation ausgeglichen werden. Der Spitzensteuersatz von 42 Prozent für jeden weiteren zu versteuernden Euro greift bei Alleinstehenden erst ab 53 665 Euro im Jahr (plus 1,48 Prozent), 45 Prozent Reichensteuer werden ab 254 447 Euro fällig.
Steuerklasse. Steuerfreibeträge für die Lohnsteuer können für zwei Jahre beantragt werden. Ehepartner können beim sogenannten Faktorverfahren, das eine möglichst passende laufende Lohnbesteuerung sicherstellen soll, den Faktor entgegen ursprünglicher Pläne aber weiter nur für ein Jahr festsetzen.
Unterhalt. Steuerzahler können Unterhaltszahlungen an geschiedene oder dauernd getrennt lebende Ehepartner nur noch als Sonderausgabe absetzen, wenn sie die Steuer-ID des Empfängers angeben.
Freistellungsauftrag. Aufträge an die Bank, bis zu 801 Euro pro Sparer steuerfrei zu beziehen, sind auch nur noch mit Angabe der Steuer-ID gültig. Bei neuen Freistellungsaufträgen war die Angabe schon seit 2011 Pflicht.
Porto. Der Standardbrief wird knapp 13 Prozent teurer und kostet 0,70 statt 0,62 Euro. Dabei wird es wenigstens drei Jahre lang bleiben. Der Maxibrief (bis 1000 Gramm) verteuert sich um acht Prozent und kostet 2,60 statt bislang 2,40 Euro.
Krankenkasse. Der offizielle Beitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung bleibt zwar bei 14,6 Prozent. Doch der allein von Arbeitnehmern zu zahlende, kassenabhängige Zusatzbeitrag wird meist steigen. Im Schnitt werden 1,1 Prozent fällig (plus 0,2 Prozentpunkte).
Arzt. Bis 23. Januar müssen Krankenkassen Servicestellen einrichten, die bei Vorliegen einer Überweisung binnen einer Woche einen Termin beim Facharzt in maximal vier Wochen vermitteln müssen. Patienten haben schon seit Juli 2015 per Gesetz das Recht auf die Zweitmeinung eines Facharztes. Erst zum Jahreswechsel wird festgelegt, bei welchen Beschwerden dies greift. Rückenleiden dürften dazuzählen.
Girokonto. Voraussichtlich von Juni an müssen Banken jedem Interessenten ein Girokonto auf Guthabenbasis (ohne Überziehungsmöglichkeit) einrichten. Kontogebühren sind erlaubt.
Kontonummer. Bankkunden können vom 1. Februar an bei Überweisungen nur noch die IBAN mit 22 Stellen verwenden. Die Angabe der alten Kontonummer reicht nicht mehr aus.
Lebensversicherung. Eine europaweite strengere Regulierung der Lebensversicherungen (Solvency II) tritt in Kraft. Versicherer müssen mehr Eigenmittel vorhalten, um Ertragsschwächen abfedern zu können. Trotzdem wird Lebensversicherern in Deutschland auch weiterhin eine Obergrenze für ihre Zinsversprechen an Neukunden vorgegeben. Dieser Garantiezins bleibt 2016 auf 1,25 Prozent beschränkt. Allerdings bieten Versicherer solche klassischen Policen mit Garantiezins immer seltener an.
Elektroschrott. Kunden können Elektroaltgeräte an Händler mit über 400 Quadratmeter Verkaufsfläche kostenfrei zurückgeben. Bei Geräten mit über 25 Zentimeter Kantenlänge dürfen Händler die Rücknahme vom Kauf eines vergleichbaren Neugerätes abhängig machen.
E-Autos. Neu gekaufte, rein elektrisch angetriebene Autos sind nur noch fünf statt zehn Jahre von der Kfz-Steuer befreit.
Lebensmittel. Spätestens vom 13. Dezember 2016 an müssen alle verpackten Lebensmittel zwingend Angaben zum Nährwert tragen. Dazu zählen der Energie-, Fett-, Zucker- und Salzgehalt. Getränke mit über 1,2 Prozent Alkoholgehalt bleiben von der Vorschrift ausgenommen.