Steuerstrafrechtler Karsten Randt "Die Toleranzschwelle ist gesunken"

Steuerstrafrechtler Karsten Randt über das bröckelnde Schweizer Bankgeheimnis, neue Gefahren für Anleger mit Schwarzgeldkonten und fragwürdige Ratschläge ausländischer Banker.

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Steuerstrafrechtler Karsten Randt Quelle: laif/ Matthias Jung

WirtschaftsWoche: Herr Randt, die Schweiz hat sich zu einer engeren Kooperation mit deutschen Steuerfahndern bereit erklärt und verhandelt derzeit über ein entsprechendes Abkommen. Wie überrascht sind Sie, dass das Schweizer Bankgeheimnis, das lange Zeit als unantastbar galt, jetzt deutlich aufgeweicht wird?

Randt: Das die Schweizer so schnell Zugeständnisse machen, hätte ich nicht gedacht. Allerdings war schon vor einigen Jahren absehbar, dass die Mauer irgendwann fällt. Als ich diese Vermutung im Jahr 2000 während eines Vortrags in Zürich geäußert habe, bin ich dafür von lokalen Bankern und Anwälten noch stark belächelt worden.

Warum ging es jetzt so schnell?

Auslöser war der Skandal um die LGT-Bank in Liechtenstein. Die mediale Inszenierung der Razzia beim damaligen Postchef Klaus Zumwinkel im Februar 2008 und die folgende Fahndungswelle haben der weltweiten Öffentlichkeit sehr deutlich vor Augen geführt, welches Ausmaß die Steuerflucht hat. Seitdem ist der internationale Druck massiv gestiegen – nicht nur auf Liechtenstein, sondern auf alle Steuerparadiese. Allerdings haben die Schweizer nicht ausschließlich auf externen Druck reagiert. Auch innerhalb des Landes hat ein Umdenken stattgefunden.

Woran merken Sie das?

Zum Beispiel ist schon seit einigen Jahren spürbar, dass es in den Ermittlungsbehörden einen Generationswechsel gegeben hat. Schweizer Staatsanwälte zeigen sich oft deutlich kooperativer als in den Neunzigerjahren. Die Toleranzschwelle bei Steuerstraftaten ist eindeutig gesunken.

Noch immer haben Tausende Deutsche geheime Konten in der Schweiz. Welche Folgen hat das Einlenken der Alpenrepublik für sie?

Ganz klar: Das Entdeckungsrisiko steigt, weil die Schweizer künftig nicht nur in schweren Hinterziehungsfällen – dem sogenannten Steuerbetrug – Daten von Bankkunden liefern. Allerdings sollten Steuerhinterzieher wissen, dass die Entdeckungsgefahr schon jetzt sehr hoch ist. Denn ein viel größeres Risiko als die neue Kooperationsbereitschaft ist der Diebstahl von Bankdaten. Dass der deutsche Staat im Fall LGT tatsächlich Millionen für gestohlene Daten ausgegeben hat, dürfte in ausländischen Banken Nachahmer auf den Plan rufen. Zudem arbeitet der Fiskus intensiv daran, auch im Inland systematisch Verdachtsmomente zu generieren.

Wie das?

Vor allem durch die systematische Überprüfung von Steuererklärungen auf Ungereimtheiten – wie etwa niedrige Kapitalerträge trotz hohen Einkommens. Ich bin sicher, dass der Fiskus seine Anstrengungen in diesem Bereich deutlich intensivieren wird. Bei Selbstständigen und Unternehmern ist schon jetzt zu beobachten, dass die Betriebsprüfer aggressiver vorgehen und schneller als früher die Kollegen von der Steuerfahndung einschalten.

Einige Experten monieren, dass die Verdachtsschwellen sinken.

Diese Tendenz kann ich bestätigen. Das ist eine aus rechtsstaatlicher Sicht zweifelhafte Entwicklung. Überspitzt gesagt: Wenn jemand eine Kappe mit der Aufschrift „UBS Zürich“ trägt, darf dies allein keine Ermittlungen auslösen.

Steigt die Zahl der Hinterzieher mit Schweizer Konten, die prüfen, ob sie reinen Tisch machen und sich selbst anzeigen sollen?

Ja. Wir verzeichnen derzeit ein deutlich steigendes Interesse an Beratungen zu diesem Thema. Das Problem: Viele wissen nicht, wie gut das Instrument der Selbstanzeige ist, und haben völlig unbegründete Ängste. In Beratungen geht es deshalb in erster Linie darum, Betroffenen klarzumachen, dass sie keinen unkontrollierbaren Prozess auslösen. Im Gegenteil: Die zu erwartende Steuernachzahlung lässt sich genau berechnen. Zudem gilt das Steuergeheimnis natürlich auch für Selbstanzeiger. Viele fürchten zu Unrecht, dass der Nachbar oder die Öffentlichkeit etwas erfährt. Und machen wir uns nichts vor: Dass Selbstanzeiger straffrei ausgehen, ist ein erhebliches rechtliches Privileg.

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